Krefeld, Ballett: „Carmen“, Robert North

Am 1. Juni 2025 fand im Theater Krefeld nicht nur die Premiere des Ballettabends Carmen statt, vielmehr feierte Robert North, langjähriger Ballettdirektor des Niederrheinischen Gemeinschaftstheaters, an diesem Tag auch seinen 80. Geburtstag. Aus diesem Anlass hielt Generalintendant Michael Grosse vor der Vorstellung eine kurze Ansprache und die zahlreich erschienenen Zuschauer stimmten spontan ein Ständchen an. Bereits in der Spielzeit 2012/13 wurde Robert Norths Choreografie Carmen erstmals am Theater Krefeld-Mönchengladbach aufgeführt und vom Publikum seinerzeit begeistert aufgenommen. Umso schöner ist es, dass ausgerechnet dieser erfolgreiche Ballettabend nun die letzte Premiere des scheidenden Ballettdirektors markiert. Robert North, der zum Ende der Spielzeit die Verantwortung für das Ensemble in jüngere Hände übergeben wird, bleibt dem Theater aber auch in Zukunft als „Choreograf in Residence” verbunden und wird in den drei kommenden Spielzeiten weiterhin je einen neuen Ballettabend kreieren. Gleichzeitig wird Carmen die erste Produktion sein, die ab dem 28. September 2025 in Mönchengladbach unter dem neuen Übertitel „KRMG.tanz” zu sehen sein wird.

© Matthias Stutte

Bekannt ist Carmen vor allem durch die Oper von Georges Bizet, für seine Choreografie griff Robert North allerdings auf die im Jahr 1845 erschienene Novelle von Prosper Mérimée zurück. Um diese Abgrenzung zu verdeutlichen, wollte North unbedingt eine eigenständige Musik und keine Auszüge aus der bekannten Oper verwenden. Entsprechend schuf der Komponist Christopher Benstead eine komplett neue Musikpartitur für diesen Abend. Diese wird natürlich von Flamenco-Rhythmen und Gitarrenklängen dominiert, enthält darüber hinaus aber immer wieder geschickt eingestreute spanische Volkslieder und Tänze aus Andalusien. Hin und wieder geht die Komposition fast etwas ins Jazzige über. Hierbei erinnert die Musik insgesamt an gut komponierte Filmmusik, die das Geschehen auf der Bühne stets treffend untermalt, dabei aber dennoch im Hintergrund bleibt.

© Matthias Stutte

Gleich zu Beginn der Vorstellung sieht das Publikum, wie Don José zur Hinrichtung geführt wird. Kurz vor der Vollstreckung friert das Bild ein, José schlüpft aus seinem Mantel und erzählt die Geschichte in einer Art Rückblick von Beginn an. Hierbei orientiert sich North, wie bereits erwähnt, stark am Ablauf der Novelle von Prosper Mérimée, sodass auch die Handlung sehr ähnlich verläuft: Der Zuschauer wird unter anderem Zeuge, wie die impulsive Carmen während der Arbeit in der Fabrik eine andere Frau mit dem Messer niedersticht. Anstatt Carmen ins Gefängnis zu überführen, verhilft ihr der Unteroffizier Don José zur Flucht, da er sich unsterblich in sie verliebt hat. Er durchtrennt ihre Fesseln und lenkt seine Kollegen ab. Dafür wird er durch den Hauptmann vom Dienst suspendiert. Einige Zeit später trifft José erneut auf Carmen, die aus Dankbarkeit für seine Hilfe die Nacht mit ihm verbringt. Am nächsten Morgen weist sie ihn allerdings zurück und rät ihm, sie schnell wieder zu vergessen. José ist am Boden zerstört, bleibt ihr aber trotz allem verfallen. So lässt er sich erneut von ihr einspannen und deckt als eingeteilter Wachposten eine Schmuggelaktion von Banditen. Als er aus Eifersucht einen von Carmens Liebhabern tötet, muss er fliehen. Er tritt einer Schmugglerbande bei, für die Carmen ebenfalls als Kundschafterin tätig ist. Der verliebte Mann genießt die Zeit in Carmens Nähe, muss allerdings erfahren, dass sie mit Garcia verheiratet ist. Auch diesen tötet José in blinder Wut. Da Carmen aber nicht mit ihm ein neues Leben beginnen will, sondern sich in einen Stierkämpfer verliebt hat, ersticht er auch Carmen und stellt sich anschließend der Polizei. Don José wird zum Tode durch den Strang verurteilt und schlüpft auf dem Weg zur Hinrichtung wieder in sein Gewand.

© Matthias Stutte

All dies untermalt Robert North mit nahezu selbsterklärenden Choreografien in einem rund 90-minütigen Handlungsballett zuzüglich einer Pause nach rund 45 Minuten. Dabei wechseln sich große Gruppentänze mit intimen Momenten zwischen Carmen und Don José ab. Die beiden Hauptpersonen werden von Irene van Dijk und Alessandro Borghesani wunderbar verkörpert. Darüber hinaus stehen zwanzig weitere Tänzerinnen und Tänzer aus dem Ballettensemble auf der Bühne und legen einmal mehr eindrucksvoll dar, welche exzellente Arbeit in den vergangenen Jahren in der Ballettsparte geleistet wurde. Auch das Bühnenbild wurde von Robert North entworfen. Er setzt hierbei sechs große Holztische immer wieder anders ein. So fungieren sie unter anderem als Wände, hinter denen sich Carmen auf ihrer Flucht vor den Soldaten verstecken kann. In anderen Szenen bilden die Tische beispielsweise die Fabrik und eine Taverne ab, sie dienen als Brücke über einen Fluss, als Abgrenzung der Stierkampfarena oder als Podest, auf dem die Hinrichtung vollzogen wird. Der große Vorteil hierbei sind die fließenden Übergänge. Die Tische werden von den Tänzerinnen und Tänzern ganz nebenbei in die richtige Position geschoben. Die Kostüme von Luisa Spinatelli sind selbsterklärend: Die Soldaten tragen entsprechende Uniformen, die Banditen sind gleich als solche erkennbar und die Damen tragen meist lange Gewänder. Besonders Carmen sticht mit ihrem Kleid in Rot, Schwarz und Weiß hervor. Beim Entwurf des Kostümbildes ließ sich Spinatelli von Bildern der beiden Maler Gustave Doré und Francisco de Goya inspirieren.

© Matthias Stutte

Am Ende der Premiere spendete das Publikum tosenden Applaus, der kaum ein Ende nehmen wollte. Fast zehn Minuten lang wechselten sich Bravo-Rufe, Jubelstürme und rhythmisches Klatschen ab. Damit dankte das Publikum einerseits dem Ballettensemble für einen sehr unterhaltsamen Theaterabend, mehr aber noch Robert North für seine 15-jährige Zeit als Ballettdirektor und die über 35 verschiedenen Ballettabende, der er seit der Spielzeit 1999/2000 am Theater Krefeld-Mönchengladbach bisher verwirklichen konnte.

Markus Lamers, 2. Juni 2025


Carmen
Ballett
von Robert North mit Musik von Christopher Benstead

Theater Krefeld

Premiere: 1. Juni 2025

Choreografie und Bühne: Robert North
Kostüme: Luisa Spinatello

Trailer

Weitere Aufführungen: 8. Juni, 17. Juni, 18. Juni, 21. Juni, 26. Juni, 4. Juli, 9. Juli und 12. Juli sowie ab dem 28. September in Mönchengladbach