Breslau: „Straszny Dwor“, Stanislaw Moniuszko

Der Wiener Regisseur Bruno Berger- Gorski inszeniert an der Oper Breslau zur Spielzeiteröffnung unter der neuen Generalintendantin Agnieszka Franków – Żelazny die Nationoper Straszny Dwor von Moniuszko mit viel Tief- Sinn und versteckten Andeutungen.

Die neue Intendantin wagt mit der Einladung des international gefragten Regisseurs mit polnischen Wurzeln und seines Teams eine neue europäische Sicht auf das Werk.  Die außerhalb Polens leider kaum bekannte heitere Oper Das Gespensterschloss von Moniuszko durfte nach ihrer Ur Aufführung wegen ihrer unterschwelligen politischen Aussagen nur zweimal aufgeführt werden und verschwand dann jahrelang von den Spielplänen durch die russische Zensur.

Berger Gorski und sein Bühnenbildner Daniel Dvorak haben die Handlung der Oper aktualisiert und die zwei adeligen Brüder Stefan und Zbiegnev kommen zu Beginn der Oper aus dem 2 Weltkrieg ins zerstörte Wroclaw und schwören für den Aufbau ihres neuen Landes im Frieden zu kämpfen und erstmal nicht zu heiraten. 

© Oper Breslau

Eine wunderbare Szene am Ende des ersten Bildes mit auf Trümmern spielenden abgerissenen Musikern erinnert an die Wiedereröffnung des Opernhauses in Wroclaw vor genau 80 Jahren, als die Oper „Halka“ von Moniuszko mit polnischen und deutschen Musikern zum ersten Mal wieder aufgeführt wurde.

Die Brüder beschließen im zerstörten Elternhaus für den Aufbau ihres Landes das Geld ihres Vaters vom Marschall aus dem verrufenen Gespensterschloss Straszny Dwor abzuholen, wo es während des Krieges sicher gelagert war. 

Im Schloss Straszny Dwor residiert der erzkonservative Marschall und wird vom Regisseur als ein Repräsentant des adeligen Polen gezeichnet, der Gehorsam und Männlichkeit fordert. Der Marschall (Lukasz Motkowicz mit souveränem Bariton) empfängt zur Sylvester Party die höchsten Repräsentanten des Adels und der katholischen Kirche. Diese heitere Oper mit der bekannten Arie des Marschalls über die schwächelnde Männlichkeit der heutigen Generation im Gegensatz zu den marschierenden Truppen der Vergangenheit gewinnt in dieser Interpretation an Aktualität und Berger-Gorski lässt Truppen aufmarschieren, die an die aktuelle Kriegslage an Polens Grenzen erinnern.

Die in Polen sehr bekannten und beliebten Charaktere wurden aus heutiger Sicht psychologisch neu gedeutet und in die aktuelle Zeit übersetzt. In der Tradition des Werkes ist die Rolle der Tante Czesnikova sehr verankert und auch in der heutigen Interpretation als komische Tante ist diese durchgehende Rolle mit der berechnend agierenden Barbara Baginska stimmlich wie szenisch hervorragend besetzt und provoziert das Publikum immer wieder zu Lachsalven mit einem Ami-Jeep aus dem 2.Weltkrieg, der auf dem Weg zum Schloss Fahrschaden erleidet. 

Die Oper Breslau konnte den international bekannten Bariton Tomasz Koniezny als neuen Casting-Director gewinnen, dem mit dem Engagement des jungen Tenor Piotr Buszweski mit strahlendem, durchschlagendem Tenor als „Stefan“ ein Riesenerfolg gelungen ist! Jubelstürme nach der bekannten Uhren-Arie, die den Stillstand Polen`s symbolisiert und als durchgehendes Element das Wiedererwachen des Landes und seiner Seele darstellt. Der umwerfend agierende Sänger-Darsteller Piotr Buszweski singt schon regelmässig an dem Met und kann mit seiner berührenden Stimmkultur als absolute Traum-Besetzung bezeichnet werden. Auch mit dem erst 25-jährigen Bass Pawel Horodowsky als sein Bruder „Zbiegnew“ ist eine Besetzung gelungen, die stimmlich wie szenisch nicht übertroffen werden kann. Pawel Horodowsky hat gerade den Queen Sonja-Wettbewerb in Norwegen gewonnen und ist mit seinem wunderbar ausgeglichenen Bass an der Münchner Staatsoper schon fest engagiert.

Maceij (Jacek Jaskula) als der Haus-Diener der zwei jungen Brüder ist ein typischer Vertreter des einfachen Volkes, eine Art polnischer ‘Papageno’. Mit ihm und seiner ironisch – heiteren Art identifiziert sich die polnische Seele, aber im 4. Akt wagt Maceij in Berger-Gorskis Neu-Deutung des Werkes den Aufstand gegen den Adel, einen kaum mehr zu unterdrückenden Aufruf zum Protest gegen den Marschall als Vertreter der Politik und will die Machenschaften und die dunkle Geschichte des Schlosses Straszny Dwor aufdecken. Der Polnische Adel kollaborierte während der über 125-jährigen Nicht-Existenz Polen`s auf der europäischen Landkarte mit den Besatzern aus Preußen, Russland und Österreich.

© Oper Breslau

Die zwei adeligen Brüder verbieten Maciej, die Geschichte von Straszny Dwor mit seinen möglichen Verwicklungen weiter aufzudecken, denn sie wollen lieber die schönen und selbstbewusst agierenden Töchter Hanna und Jadwiga (Aleksandra Opala mit rundem, schönem Mezzo) des Marschall heiraten. Der Adel bleibt unter sich. Für den Schlossherrn und Marschall kommt diese Eheschließung natürlich sehr willkommen, denn so bleibt das verwahrte Geld seines Freundes und Vaters der Brüder im Schloss.

Sebastian Rutkowski als ‚Skohuba’ mit seinem angenehm warmen und ausgewogenen Bass – Stimme erhält großen Applaus mit seiner berührenden Arie über den Tabak- Konsum, der einen alle Sorgen vergessen lässt .. 

Berger-Gorski versetzt den letzten Akt ins heutige Wroclaw nach einer durchfeierten Silvesternacht mit einem betrunkenen Kardinal, der mit jungen Männern am Boden liegt, während Hanna (Hanna Sosnowska-Bill) ihre schwierige Koloratur -Arie der Emanzipation a la Jeanne D’Arc als Aufruf zur Selbstbestimmung gemeinsam mit dem 1.Geiger der Wroclawer Oper mit herrlich strahlendem Koloratur-Sopran souverän beherrscht und wahre Jubelstürme provoziert. Diese berüchtigt schwierige Koloratur-Arie wird einer Konstanze bzw. Fiordiligi gerecht!

Der Regisseur lässt mit seiner Kostümbildnerin Magdalena Dabrowska die Vertreter der dreiteilenden Großmächte bei der Silversterparty im Schloss Straszny Dwor auftreten: Zarin Katharina die Große mit ihrem Liebhaber, dem polnischen König August, Friedrich II von Preußen und Josef II aus Österreich teilen im Rhythmus schneidend die imaginäre Landkarte der ehemaligen Großmacht Polen auf . Zarin Katharina hält sich den polnischen König August wie einen Hund und lässt ihn unter ihrem Rock Dienste leisten. König August war historisch ihr Liebhaber und überschrieb als letzter polnischer König sein Land dem Russischen Reich. 

Sowohl Damazy (Pawel Zak) als psychologisch genau gezeichneter ‘Franzose` verarmten Adels im lustigen Napoleon-Kostüm wie auch der Diener Maciej halten der Gesellschaft einen Spiegel vor und deuten eine mögliche dunkle Vergangenheit des Schlosses an mit möglichen Verwicklungen des Marschalls und der Kirche mit den Besatzern.

Die Oper endet auf dem heutigen Marktplatz in Breslau und man sieht fragende Reporter und Bürger, die die Vergangenheit des Straszny Dwor- Schloss gemeinsam mit Maciej hinterfragen und das Happy-End der adeligen Geld- Heirat in Frage stellen, die im Kontrast steht zum Protest der Bevölkerung.

Genial ist die Entwicklung des zerstörten Wroclaws zur heutig renovierten Stadt, wo im Schlussbild Touristen und Einheimische den berühmt nationalen Mazur- Tanz (Choreografie: Bozena Klimczak) als ein Zeichen des versteckten Widerstandes beklatschen.

Zum Schluss gab es ein restlos begeistertes Publikum.

Ohne die intensive Mitarbeit des Haus-Chores der Oper (Anna Gabrowska) ist ein solcher Erfolg mit unzählig kleinen Rollen kaum vorstellbar. Die genaue musikalische Einstudierung und die Stimmgewalt ist wie die szenische Präsenz dieses Ausnahme-Chorus einzigartig! Zu loben auch die ausgezeichnete Orchester-Einstudierung des neuen Chefdirigenten Mirian Khukhanaishvili, der als nächste Premiere Martinu`s „Julietta“ einstudieren wird.

Der Oper Breslau ist mit der Neu-Inszenierung der polnischen Nationaloper „Strazny Dwor“ unter der neuen Theaterleitung ein sensationeller Auftakt aus europäischer Sicht gelungen. Diese junge Idealbesetzung der beiden Paare mit Pjotr Buszweski als Ausnahme-Tenor ist aktuell auch an der Met oder in Wien nicht zu toppen!

Gunhild Kranz 17. September 2025

Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)


Straszny Dwor
(Das Gespensterschloss)
Stanislaw Moniuszko

Oper Breslau

Besuchte Premiere am 12. September 2025

Regisseur: Bruno Berger- Gorski 
Dirigat: Mirian Khukhanaishvili
Filharmonia NFL