
Saison-Eröffnungen am Essener Aalto-Theater stehen besonders im Fokus der Aufmerksamkeit, seit in den letzten Spielzeiten regelmäßig zum Spielzeitbeginn Repertoire-Klassiker in den Sand gesetzt wurden. Der Tannhäuser von 2022 ging noch auf das Konto von Hein Mulders, danach folgten unter der Verantwortung von Merle Fahrholz Macbeth und Die Zauberflöte. Dadurch blieb das Publikum aus, und die Verträge von Intendantin Merle Fahrholz sowie GMD Andrea Sanguinetti wurden nicht über 2027 hinaus verlängert. Als Premiere gibt es nun Rigoletto in der Regie von Kateryna Sokolova, die vom Publikum ohne jeden Buhruf gefeiert wird. Dabei gibt es in der sehenswerten Inszenierung durchaus einige Schwachpunkte.
Bei diesem Abend hat man einige Déja-vus. In der Titelrolle steht Claudio Otelli wieder auf der Bühne des Aalto-Theaters. Als Mandryka in Arabella eröffnete er 1997 die legendäre Intendanz von Stefan Soltestz, sang hier auch den Figaro– Grafen und Marcello in La Boheme. 28. Jahre später ist er immer noch ein großer Darsteller, der ein eindringliches Rollenporträt, besonders in seinen großen Arien, zeichnet. Auch dabei ist Almas Svilpa, der schon im vorletzten Rigoletto von 1999 den Sparafucile sang. Er könnte ein bisschen mehr Brunnenvergifter-Timbre vertragen.

Schließlich fühlt man sich beim von Bühnenbild von Nikolaus Webern an Figaros Hochzeit aus dem Jahr 2023 erinnert. Spielte diese Inszenierung in einem englischen Adelssitz, so befinden wir uns jetzt in einem englischen Herren-Club des viktorianischen Zeitalters. Diese zeitlich-geographische Übertragung funktioniert problemlos und Regisseurin Kateryna Sokolova kann so einige spleenige britische Dandys auf die Bühne bringen. Außerdem besitzt das Bühnenbild großen Schauwert, zumal die Wände drehbar sind.
Jedoch werden immer nur andere Ansichten und Räume dieses Herrenclubs gezeigt. Rigoletto, hier ein Buttler des Clubs, versteckt Gilda in der Dachkammer des Gebäudes, was dazu führt, dass Gilda bei ihren Kirchbesuchen durch die Clubräume muss. Auch Sparafucile betreibt das Bordell mit seiner Schwester in den Clubräumen. Dabei lebt die Handlung von der Überraschung der Figuren, wenn diese an die anderen Schauplätze gelangen. Bei einer Verlegung der Geschichte ins viktorianische England hätte man sich aber auch einige verregnet-nebelige düstere Gassen gewünscht.
Dennoch gestaltet die Regisseurin, die viel bei Stefan Herheim und Christoph Loy assistiert hat, die Szenen übersichtlich und zeichnet glaubhafte Charaktere. Problematisch wird es bei der Umsetzung der Regieeinfälle: Immer wieder gibt es Szenen, in denen Figuren auf der Bühne sind, die da eigentlich gar nicht hingehören. Die Idee, dass Rigoletto immer wieder von Monterone, der ihn verflucht hat, als Alter Ego begleitet wird, ist nicht schlecht. Verwirrend wird es aber, als der Herzog mit in Gildas Kammer ist, wenn sich Rigoletto von ihr verabschiedet. Später ist Gilda beim Stelldichein des Herzogs mit Maddalena dabei und wirft sich ihm in die Arme.

Generalmusikdirektor Andrea Sanguineti lässt die Dialoge gut fließen und ist den Sängern in ihren großen Arien ein sorgfältiger Begleiter. Den dramatischen Szenen gibt er das nötige musikalische Feuer. Katerina von Bennigsen ist eine jugendlich-frische Gilda, die mit selbstbewusstem Sopran auftrumpft. Als Herzog überzeugt Alejandro del Angel mit seinem hellen und gut grundierten Tenor, der auch mit souveränen Spitzentönen glänzt. Wohltönend singt Liliana de Sousa die Maddalena.
Trotz einiger verwirrender Regieeinfälle wird die hörens- und sehenswerte Rigoletto-Produktion vom Publikum bejubelt. Wären alle Premieren der Intendanz von Merle Fahrholz so abgelaufen, wäre ihr Vertrag ohne weiteres verlängert worden. Kateryna Sokolova inszeniert als nächstes an der Bonner Oper die selten gespielte Ameise von Peter Ronnefeld. Man darf gespannt sein!
Rudolf Hermes 24. September 2025
Rigoletto
Giuseppe Verdi
Aalto-Theater Essen
Premiere: 20. September 2025
Inszenierung: Kateryna Sokolova
Musikalische Leitung: Andrea Sanguineti
Essener Philharmoniker