
Seit diese Koproduktion der Opernhäuser von New York, London und Wien 2007 entstand (eigentlich müsste es heißen „geschaffen wurde“), wanderte sie rund um die Welt, ohne an Erfolg und Attraktivität zu verlieren. An der Scala wurde die meisterliche Schöpfung von Laurent Pelly (Regie und Kostüme) und Chantal Thomas (Bühne) erstmals gezeigt und als „Rekonstruktion des Gran Teatre del Liceu in Barcelona“ mit dem für die Wiederaufnahme verantwortlichen Christian Räth angekündigt.
An der Scala war die „Fille du régiment“ (oder besser „La figlia del reggimento“) seit 1928 nicht mehr gespielt worden, als sie 1968 und auch im Jahr darauf mit dem Superpaar Freni/Pavarotti eine umjubelte Auferstehung erfuhr, auch diesmal in der noch von Donizetti selbst veranlassten italienischen Version. Letzteres Wort ist angebracht, denn es handelte sich in dieser Fassung nicht nur um eine Übersetzung, sondern auch um grundlegende musikalische Änderungen. Erst 1996 war die französische Originalversion endlich auch in Mailand (mit Mariella Devia in der Titelrolle) zu sehen. Die letzte Aufführung dieser Produktion wurde 2007 gegeben, und hier kam es nach einer Applausdauer von fünf Minuten das erste Mal seit Arturo Toscaninis diesbezüglichem Verbot dazu, dass eine Arie wiederholt werden musste: Natürlich durch Juan Diego Flórez in seiner Paraderolle als Tonio.

Und Flórez war auch diesmal der verliebte Tiroler, der sich seiner Liebe zur Regimentstochter wegen in das Heer des französischen Feinds rekrutieren lässt. Natürlich hat sein Tenor in den seitdem vergangenen 18 Jahren nicht mehr die seinerzeitige Frische, aber die Sicherheit seiner Spitzentöne und der berühmten acht hohen C’s ist immer noch gegeben. Dazu gesellen sich berührender Ausdruck (z.B. in „Pour m’approcher de Marie“) und ungebrochene Spielfreude. In der Titelrolle überzeugte die Französin Julie Fuchs mit nicht allzu großem, aber gut projiziertem Sopran. Sie gefiel mit Maries burschikosem Auftreten im 1. Akt ebenso wie in den verzagten Versuchen des zweiten, sich der Welt ihrer hochnäsigen vorgeblichen Tante (die in Wirklichkeit ihre Mutter ist), der Marquise de Berkenfield, anzupassen. (Allerdings musste man sich verbieten, an die nicht zu toppende Natalie Dessay als diese Marie in ebendieser Produktion zu denken). Auch die Marquise wurde von einer Französin gesungen, nämlich der stimmlich und darstellerisch sehr präsenten Mezzosopranistin Géraldine Chauvet, womit die beiden Damen (zusammen mit dem vergnüglichen Hortensius des Pierre Doyen) in den gesprochenen Passagen naturgemäß die Nase vorn hatten. Als Sulpice gab Pietro Spagnoli einen köstlich rustikalen, aber liebevollen „Vater“ Maries und der Kompanie. Die Figur der noch arroganteren Duchesse de Krakenthorp ist eine Sprechrolle und somit laut Libretto fuer eine Schauspielerin vorgesehen. Es hat sich aber eingebürgert, dass sie ehemaligen Gesangsstars anvertraut wird (deren gibt es eine lange Liste von Montserrat Caballé bis Felicity Lott). Diesmal wurde Barbara Frittoli aufgeboten, die ihre aufwendigen Kostueme zwar mit Eleganz trug, aber ansonsten nicht viel zur Profilierung der Gestalt beitrug. Ein Korporal wurde vom Chorsolisten Emidio Guidotti gesungen, ein Bauer von Aldo Sartori aus der Accademia della Scala, und die kleine Sprechrolle des Notars erledigte Federico Vazzola.

Das Werk, das so beeindruckend davon zeugt, wie sehr sich Donizetti in die Welt und den Stil der opéra-comique hineindenken konnte und damit seine französischen Komponistenkollegen verstörte (legendär der gehässige Angriff von Hector Berlioz) fand in Evelino Pidò einen zuverlässigen Leiter an der Spitze des Orchesters des Hauses, aber nicht mehr. Die Spritzigkeit und der erwartete gallische Esprit fehlten, doch waren die Buhrufe fuer ihn absolut überzogen. Wunderbar hingegen wieder der Chor des Hauses unter Alberto Malazzi, jeden Zoll überzeugend als Mitglieder und „Väter“ des Regiments die Herren und als mumifizierte Aristokraten bei der verhinderten Verheiratung Maries mit einem ihr unbekannten adeligen Schnösel die Damen.
Viel Jubel für Flórez, Fuchs und Spagnoli.
Eva Pleus, 30. Oktober 2025
La fille du régiment
Gaetano Donizetti
Teatro alla Scala, Mailand
Besuchte Vorstellung (die zweite) am 24. Oktober 2025
Premiere am 17. Oktober 2025
Regie: Laurent Pelly
Musikalische Leitung: Evelino Pidò
Orchestra del Teatro alla Scala
