Entstanden 1985, wird Romeo und Julia passend zum 40 Jahre Jubiläum dieser Choreografie jetzt von Ballettdirektor Tamás Solymosi in insgesamt vier verschiedenen Besetzungen vom Ungarischen Nationalballett auf die Bühne der Ungarischen Staatsoper gebracht. Der ungarische Choreograf László Seregi (1929 – 2012) schuf damals ein dreiaktiges Tanzdrama, das sich dramaturgisch sehr nahe an William Shakespeares Literaturvorlage und optisch stark an Franco Zeffirelli orientiert. Seregis Version spielt als Rahmenhandlung in einer Aufführung zu Zeiten Shakespeares im Globe-Theater. So verneigen sich die Akteure zu Beginn und sind Romeo und Julia am Ende dementsprechend vom Tode auferstanden, was der Aufführung in der Aufführung geschuldet ist, die in packender Handlungsintensität die Zusehenden von Beginn an mitreißt. Die an die Renaissance angelehnten farbenprächtigen Kostüme stammen von Nelly Vágó, das dazu passende opulente Bühnenbild entwarf Gábor Forray.

Dieses erfolgreiche Ballett war bereits im April 1986 beim Ballettfestival „Tanz ´86“ als Gastspiel des Ungarischen Nationalballetts in der Wiener Staatsoper als westliche Erstaufführung gezeigt worden. Damals gastierten Katalin Volf (Julia) und Jenő Löcsei (Romeo) als Protagonisten-Liebespaar, mit György Szakály (Mercutio) und Gábor Kevehazi (Tybalt) als heißblütigen Widersachern. Zuletzt 2022 anlässlich des 10. Todestages von László Seregi zu sehen gewesen, erfolgte nun im Oktober eine neuerliche Wiederaufnahme dieser klassischen Liebesgeschichte zur Komposition von Sergej Prokofjew.
Maria Yakovleva bezauberte als mädchenhafte Julia. In allen Schattierungen emotionaler Intensität berührte sie von Beginn an: zunächst noch unbeschwert kindlich, reift sie durch die Liebe zu Romeo zur jungen Frau und durchlebt höchste Liebesglückseligkeit bis zum folgenschweren Entschluss, durch den Schlaftrunk ihren Tod zu simulieren, um so der Hochzeit mit Paris zu entgehen. Sie verkörperte mit starker Ausdruckskraft glaubhaft all diese Empfindungen, war noch beim Schlussapplaus von ihrer intensiven Gefühlsexpression getragen. Tänzerisch reüssierte sie ebenso in allen Phasen durch ihr Charisma und exzellente Technik.
Vor drei Jahren noch als jähzorniger Tybalt eingesetzt gewesen, überzeugte Louis Scrivener nun als Romeo sowohl im Tanz als auch im Ausdruck. Zeigte er sich zuerst als fescher Hallodri, so verändert ihn die Begegnung mit Julia – selig versonnen von ihr träumend, tiefe Glücksgefühle wahrer Liebe empfindend, schlittert er ungewollt in das Duell mit Tybalt und das Verhängnis nimmt seinen Lauf.
Mikalai Radziush war als Tybalt nicht nur rollengerecht ein leicht aufbrausender Kontrahent, sondern auch eine virile, kraftvoll auftretende Persönlichkeit.
Immer wieder erhalten junge Tänzer durch Tamás Solymosi die Gelegenheit, sich in Solopartien zu beweisen und so das in ihnen steckende Potenzial zu entfalten. Corps de ballet-Tänzer Vince Topolánszky nützte seine Chance und brillierte als Mercutio. In kecker Unbekümmertheit sorgt er für Ablenkung auf dem Fest im Hause Capulet und stürzte er sich in das Duell mit Tybalt. Große Sprungstärke bewies Riku Yamamoto – ebenfalls Corps de ballet-Tänzer – als Clown. Halbsolist Takaaki Okajima gefiel als Paris mit edler Haltung, Viachaslau Hnedchyk (Halbsolist), vervollständigte als treuer Benvolio das Freundestrio.

In den Charakterrollen waren Ludmilla Taran als fürsorgliche Amme und Maxim Kovtun als Pater Lorenzo zu sehen. Die verfeindeten Familien wurden von Vlagyiszlav Melnyik (Capulet) und Zsófia Gyarmati (Lady Capulet) sowie von Roland Vékes (Montague) repräsentiert. Iurii Kekalo war als Prinz von Verona um Frieden bemüht. Lea Földi trat als unheimliche Hexe Mab auf.
Das Corps de ballet spielte und tanzte mit Verve in den bunten Markt- und dramatischen Fechtszenen. Peter Dobszay leitete mit großer Umsicht das mit viel Antimo spielende Orchester. Das Publikum war sehr begeistert von der starken Leistung des großartigen Ensembles und applaudierte heftig und lange.
Ira Werbowsk 6. November 2025
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Romeo und Julia
Sergej Prokofjew
Ungarische Staatsoper
2. November 2025
Choreografie: Tamás Solymosi
Dirigat: Peter Dobszay
Orchester der ungarischen Staatsoper