Frankfurt: „Die Banditen“, Jacques Offenbach

Vor weniger als zwei Jahren hatte Katharina Thoma eine Inszenierung von Jacques Offenbachs letzter abendfüllender Opéra bouffe Les brigands vorgelegt. Ihr Ansatz ist eine milde Aktualisierung bei Aufrechterhaltung von Sujet und Handlung. Da wird etwa aus einem Bauern ein „Biobauer“ und die Währung zu erbeutenden Geldes ist der Euro. Ansonsten wird gezeigt, was das Libretto vorgibt: Der Räuberhauptmann Falsacappa sieht sich mit der Unzufriedenheit seiner Bande konfrontiert und plant als großen Coup den Raub von drei Millionen Euro, welche das Herzogtum Mantua anläßlich einer arrangierten Hochzeit dem Königreich Spanien überbringen soll. Nebenbei schließt sich noch ein zuvor von der Bande ausgeraubter „Biobauer“ den Räubern an, weil er sich in die Tochter des Chefs verliebt hat. Nacheinander überwältigen die Räuber das Personal einer Gastwirtschaft, die Delegationen von Mantua und schließlich von Spanien, berauben sie ihrer Kleidung und schlüpfen jeweils in deren Rollen, während sie die Beraubten in einen sich immer weiter füllenden Keller sperren.

Yves Saelens (Pietro), Aleksander Myrling (Barbavano), Elizabeth Reiter (Fiorella), Michael Porter (Falsacappa), Jonathan Abernethy (Carmagnola; verdeckt), Michael McCown (Domino), Karolina Makuła (Fragoletto)
© Barbara Aumüller

Zur unmittelbaren Verständlichkeit des genretypischen Sprechanteils hat man sich für eine deutsche Übersetzung entschieden, die ebenfalls einige sanfte Aktualisierungen im Duktus erkennen läßt. Wie schon im Premierenzyklus sind aber beinahe ausnahmslos Nichtmuttersprachler eingesetzt, denen die Prosodie des Deutschen teils leichter und teils schwerer fällt. Das nimmt die Inszenierung selbst ironisch auf, indem sie drei Mitglieder der Räuberbande bei internen Besprechungen untereinander Englisch sprechen läßt. Mit dem einzigen Muttersprachler ist der Oper Frankfurt ein Coup gelungen: Der aus zahlreichen Fernsehauftritten bekannte Schauspieler Matthias Matschke ist neu in der Rolle des die Staatsgelder veruntreuenden Schatzmeisters Antonio. In der Premiere war diese Rolle noch mit einem ausgebildeten Sänger besetzt worden. Matschke rückt die Figur in die Tradition des Volkstheaters mit Frankfurterischem Akzent und mitunter klamaukigen Gesten. Sein Couplet bewältigt er zunächst in Cabaret-Manier mit einer Art Sprechgesang, um dann schließlich doch einige Zeilen im Falsett zu singen, wie es Offenbach vorgesehen hat.

Helene Feldbauer (Marquise), Karolina Bengtsson (Herzogin), Matthias Matschke (Antonio)
© Barbara Aumüller

Beim Publikum im gut besuchten Haus kommt das gut an. Überhaupt herrscht den gesamten Abend über eine heitere und ungezwungene Stimmung. Da werden mit dem Sitznachbarn die vielen kleinen Gags auf der Bühne kommentiert. Eltern haben Kinder im Grundschulalter mitgebracht, die wohl mit den Pointen und Anspielungen des Textes überfordert sind, aber in dem liebevoll ausgearbeiteten Bühnenbild von Etienne Pluss immer wieder etwas zu entdecken haben: „Schau, die Bäume bewegen sich! Und der Fensterputzer dort hinten wischt in Wirklichkeit nicht vorhandenes Glas!“ Gezeigt wird eine malerische Gebirgslandschaft mit einem verschlungenen Pfad und in die Tiefe gestaffelten Baumattrappen. Das hätte glatt als typischer Kulissenaufbau aus dem 19. Jahrhundert durchgehen können, wenn sich nicht vorne am Bühnenrand eine Autobahnbrücke aus Beton befände, bei der hinter einem Gazevorhang ganz oben regelmäßig Lichter von vorüberfahrenden Fahrzeugen dezent aufscheinen. Solche gewitzten kleinen Brechungen zeigen auch die Kostüme von Irina Bartels. Die Räuberbande tritt im ersten Aufzug wie aus dem Bilderbuch mit Filzhüten, Kopftüchern und langen Mänteln auf, allerdings unter Nutzung moderner Textilien. Farbe, Schwung und satirischen Witz bekommt man auch nach der Pause zu sehen. Hier gelingen der Regisseurin und ihrem Team einige treffende szenische Pointen, etwa das Hereinschieben der steifen, augenzwinkernd klischeehaft ausstaffierten spanischen Delegation, der Auftritt unfähiger italienischer Carabinieri oder das Liebeslotterbett des Prinzen von Mantua (Peter Marsh wie bereits in der Premiere mit souveränem stimmschauspielerischen Einsatz), dem nacheinander ein ganzer Chor von Geliebten entsteigt.

Tijanji Lin (Adolfo von Valladolid) und Juanita Lascarro (Prinzessin von Granada)
© Barbara Aumüller

Neben der Räuberbande gibt es Wirtsleute, Mantuaner, Spanier und eine Gruppe junger Mädchen, insgesamt sind 22 Solorollen zu besetzen, so daß das halbe Frankfurter Ensemble nebst weniger Stammgäste zum Einsatz kommt. Im Verbund mit dem gut aufgelegten Chor zeigen sie alle große Spielfreude und Lust an der Komödie. Hervorzuheben ist Elizabeth Reiter, die als quirliges Kraftwerk ihre Rollenerfahrung als Fiorella, Tochter des Räuberhauptmanns, locker und souverän ausspielt. Wie selbstverständlich wirkt das Zusammenspiel mit Michael Porter, der in der Hauptpartie ihres Vaters Falsacappa debütiert und sowohl musikalisch mit seinem saftigen Tenor als auch im nuanciert (und nahezu akzentfrei) gestalteten Sprechtext überzeugt. Karolina Makuła ist aktuell in Frankfurt für die Hosenrollen zuständig und erfreut nun mit ihrem frischen und dabei warm timbrierten Mezzo parallel zu ihrem Einsatz als Zarewitsch Fjodor (Boris Godunow) in ihrem Debüt als (Bio-)Bauer Fragoletto.

Wie schon in der Premiere animiert Karsten Januschke das auf Kammergröße reduzierte Orchester zu einer schwungvollen und transparenten Umsetzung der Partitur. Die Vorgaben aus dem Orchestergraben werden gekonnt in den Choreographien von Katharina Wiedenhofer umgesetzt. Diese sind das bestimmende Mittel, um die Musikstücke zu beleben. Soweit einzelne Bandenmitglieder individualisiert werden, beschränkt sich ihre Funktion auf die von Stichwortgebern für die Hauptpartien. Sie sind insgesamt mehr mimisch als musikalisch gefordert und fügen sich mit Engagement und großer Spielfreude in die choreographischen Vorgaben.

Helene Feldbauer (Pipa), Kudaibergen Abildin (Pipo) und Karolina Bengtsson (Pipetta)
© Barbara Aumüller

Insgesamt hat die Produktion in der Wiederaufnahme szenisch wie musikalisch nichts von ihrem Schwung verloren und bietet die Gewähr für unbeschwertes Vergnügen. Mehr muß man von einer Operette nicht erwarten, aber auch nicht weniger.

Michael Demel, 9. November 2025


Die Banditen (Les brigands)
Opéra-bouffe von Jacques Offenbach

Oper Frankfurt

Wiederaufnahme am 7. November 2025
Premiere am 28. Januar 2024

Inszenierung: Katharina Thoma
Musikalische Leitung: Karsten Januschke
Frankfurter Opern- und Museumsorchester

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