
Pünktlich zu Ludwig von Beethovens 255. Geburtstag gab es in der aufwändig denkmalgerecht renovierten Beethovenhalle ein hochkarätiges Konzert mit einem vierstündigen Programm in der Tradition der „langen Beethoven-Nacht“. Das letzte Konzert in der „alten“ Beethovenhalle war die Beethoven-Nacht am 16. Dezember 2015, letztes Stück die Symphonie Phantastique von Hector Berlioz. Neun Jahre später eröffnete der Bonner Oberbürgermeister Guido Déus mit dem Bundespräsidenten Frank Walter Steinmeier das wiederauferstandene Konzerthaus, das um einen Park mit frisch gepflanzten Bäumen vor dem Eingang erweitert worden war. Passend erklang dazu als Abschluss die „Auferstehungssinfonie“, 2. Sinfonie in c-Moll, von Gustav Mahler.
Generalmusikdirektor Dirk Kaftan hatte 2017 sein Amt in Bonn angetreten, da war die Halle schon wegen Restaurierung geschlossen. Die ursprünglich veranschlagten 61 Millionen Euro Baukosten wurden wegen Kostensteigerungen und nicht geahnter Komplikationen bei der Sanierung mit 221 Millionen deutlich überschritten, aber jetzt glänzt die 1956 bis 1959 erbaute Halle nach dem Entwurf des damals jungen Architekten Siegfried Wolske (1925-2005) als bauhistorisch authentisches Dokument der Architektur der jungen Bonner Republik, das sich harmonisch in die Rhein-Landschaft einfügt. Die Hauptspielstätte mit knapp 1700 Plätzen, alle ebenerdig oder mit Treppen auf Emporen zugänglich, weil die Halle als Mehrzweckhalle konzipiert war, ist der äußeren Form des Hauptbaukörpers entsprechend sehr breit und mit geschwungenen Seitenwänden völlig anders als moderne Konzertsäle wie die Konzerthalle Dortmund, die Essener Philharmonie und die Mercatorhalle Duisburg, die alle mit rechteckigem Grundriss („Schuhkarton“) vergleichsweise lang und relativ schmal mit ansteigenden Sitzreihen ausgestattet sind. Die Akustik der Beethovenhalle ist fast überall sehr gut, allerdings nicht unbedingt in den hinteren Reihen des Parketts und in den vorderen Reihen an den Seiten. Die historischen hölzernen Wandpaneele und akustischen Deckenornamente aus Gips wurden alle eingelagert und im Bedarfsfall mit Hilfe der ursprünglichen Formen, die man im Keller gefunden hat, nachgebildet. Unter den Deckenelementen verbirgt sich moderne Klima- und Lüftungstechnik sowie Technik zur Verbesserung des Klangs.
In der Beethovenhalle fanden nicht nur Konzerte wie die Eröffnung mit Stargeiger Yehudi Menuhin (1959), die Uraufführung von Stockhausens „Fresco“ (1969) und „Final Symphony“, ein Konzert mit symphonischen Bearbeitungen von Video-Spielen (2015) statt, sondern auch die Wahlen der Bundespräsidenten von 1974 bis 1989. Sie war Veranstaltungsort für Bundes-Pressebälle, bis sie 1985 wegen eines Brandschadens an der Klais-Orgel geschlossen und renoviert wurde. Seit 1990 steht die Halle unter Denkmalschutz. Steven Walter, Intendant des Bonner Beethovenfests, hat bereits mehrere Gastspiele von Spitzenorchestern und Top-Künstlern für das Beethovenfest 2026 in der Beethovenhalle angesetzt, darunter auch einen Klavierabend mit Andras Schiff.
Am 16. März 1956 hatte Bundespräsident Theodor Heuss den Grundstein der Beethovenhalle gelegt, für die Bonner Bürger damals die unvorstellbare Summe von einer Million DM gesammelt hatten.
„Endlich. Danke!“ drückte Dirk Kaftan seine Freude über die neu eröffnete Halle aus, die nun wieder Auftrittsort, Probenstätte und Heimat des Beethoven Orchesters ist, das neben Sinfoniekonzerten auch Opern- und Tanzaufführungen der Oper Bonn begleitet. Unter der Leitung von Dirk Kaftan hat es an zahlreichen Ersatzspielstätten wie den Konzertsälen der Telekom, dem Basecamp und der Kölner Domplatte in einem Crossover-Konzert mit der Kölner Rockband Brings nicht nur sinfonische Musik gespielt. Kaftan sprach frei und kündigte eine Performance der jungen Komponistin Sara Glojnari mit vielfach geteilten Streichern des Beethoven Orchesters und der elektronisch verfremdeten Stimme der Komponistin unter dem Titel „Ein Blick in den Maschinenraum der Inspiration“ (2022) an, die zeigte, dass er sich mit dem Beethoven Orchester auch für Musik der Zeit engagiert und sie bravourös umzusetzen weiß.
Das Programm umfasste die Ouvertüre zum Ballett „Die Geschöpfe des Prometheus“, die Beethoven im Alter von 30 Jahren schrieb, und das vierte Klavierkonzert, das Beethoven selbst noch am 22. Dezember 1808 im Theater an der Wien uraufgeführt hat. Der Anfang mit einem Solo des Klaviers war für die damalige Zeit revolutionär und öffnete das Tor zur Romantik. Fabian Müller, Bonner Klavierstar von mittlerweile internationalem Rang, spielte es dann auch als großes, hochvirtuoses romantisches Klavierkonzert mit dem Beethoven Orchester unter der Leitung von Dirk Kaftan.
Den krönenden Abschluss bildete Gustav Mahlers Auferstehungssinfonie, eine groß besetzte hochromantische fünfsätzige Sinfonie, die nach dem Vorbild von Beethovens 9. Sinfonie einen Schlusssatz mit großem Chor und zwei Solistinnen hat. Mahler erweitert Beethovens Sinfonieauffassung noch einmal, indem er zusätzlich noch eine Orgel und ein Fernorchester – Blechbläser, die von draußen bei geöffneter Tür spielen – hinzufügt. Die Klangarchitektur dieser Sinfonie umschließt die ganze Halle, nicht nur das Konzertpodium. Der dritte Satz ist nach Mahlers Kunstlied „Des Antonius zu Padua Fischpredigt,“ nach dem Gedicht aus des Knaben Wunderhorn von Achim von Arnim und Clemens von Brentano, eine Absage an religiösen Dogmatismus mit durchaus an jüdische Synagogenmusik angelehnten Tonfolgen und Kantilenen sowie der Instrumentierung mit entsprechenden Holzblasinstrumenten.
Der Text des Gedichts nach Klopstock, im fünften Satz von Gustav Mahler, dem katholisch getauften jüdischen Komponisten formuliert, bekennt sich zu einem konfessionsübergreifenden Erlösungsgedanken: „Sterben werd´ ich, um zu leben“, und zu einem Gott und gipfelt in überwältigenden Klangmassen einschließlich Orgel, gespielt von Cameron Carpenter, und großem Chor mit viel Schlagzeug. Mezzosopranistin Gerhild Romberger und Katerina von Bennigsen, Sopran, sangen ergreifend die Solopartien, und der Bundes-Jugendchor unter der Leitung von Anne Kohler gestaltete einfühlsam die Chorpartie. Besonders die a capella im Pianissimo gesungene erste Strophe ging unter die Haut und begründete eine unfassbar große Dynamik bis hin zum großen Finale im fortissimo.
Das Publikum war zutiefst ergriffen, denn in der Halle war das Konzerterlebnis überwältigend. Ich hatte das Gefühl, einem großen Bekenntnis zu Vielfalt und Toleranz, praktizierter Demokratie, Weltoffenheit und Kultur beizuwohnen. Umso schockierter war ich, später in sozialen Medien unsachliche Hass-Posts zu dieser Feier von Menschen zu lesen, die für das Ereignis kein Verständnis hatten. Für mich stellt die renovierte Beethovenhalle ein wertvolles kulturelles Zeugnis der frühen Bonner Republik dar, wo ich in Zukunft mit weiteren faszinierenden Konzerten, auch Gastspielen, rechne. Das Beethoven Orchester spielt die 9. Sinfonie Beethovens am Neujahrstag 2026, das Konzert ist jedoch bereits ausverkauft.
Ursula Hartlapp-Lindemeyer 24. Dezember 2025
Besonderer Dank an unsere Freunde vom OPERNMAGAZIN
Mahler 2.
Bonner Beethovenhalle
16. Dezember 2025
Dirk Kaftan
Beethoven Orchester