Premiere am 18. Januar 2020
Toller Spaß
Mit einem Paukenschlag ging die Staatsoper Hannover mit der Neuinszenierung von Giacchino Rossinis wohl bekanntestem Werk in das neue Jahr! Das auf das wirbelige Lustspiel von Beaumarchais zurückgehende Stück bietet jedem Regisseur immer wieder Zündstoff für neue Ideen. So hat auch das Team um die Regisseurin Nicola Hümpel wirklich einen äußerst spannenden, unterhaltsamen Abend beschert, so dass die drei Stunden wie im Fluge vergingen. Mit wenigen Mitteln wurden größte Effekte erzielt: Das Besondere war die Verdoppelung durch fast durchgehend gleichzeitige, vergrößerte Wiedergabe der handelnden Personen durch Videos im Bühnen-Hintergrund. Die etwa aus einer Gasse auf beiden Seiten aufgenommenen Bilder der Akteure schienen den Zuschauer dann um ca. 45° gedreht direkt anzublicken, was einen extrem dichten Kontakt vermittelte. Für die Sänger war es sicher eine zusätzliche Erschwernis, dass sie nun wie in Fernsehen und Kino so dicht gezeigt wurden, dass man nicht nur die herausragende Mimik, sondern auch die Schweißtropfen der Höchstleistung erkennen konnte. Aber gerade die kleinen Gesten, Zwinkern, Stirnrunzeln, veschmitztes Lächeln etc. vermittelten sich dem Zuschauer so am Besten.
Das Ballast-freie Bühnenbild von Oliver Proske war ideal zur Veränderung der Schauplätze. Köstlich war u.a. die Idee, Doktor Bartolos Haus mit überdimensionalen Pillen zu dekorieren, in denen dann auch das notwendige Briefpapier versteckt war, und vor allem das klappbare, weiße Klaviertasten-Sofa, für das ‚Don Alonso‘ die schwarzen Tasten mitbringt. Die flippigen Kostüme von Esther Bialas passten wunderbar zu dieser turbulenten Inszenierung, die ständig auf dem schmalen Grat zwischen Klamauk und Kunst balancierte, wobei der Spaß die Oberhand behielt.
Die musikalische Leitung lag in den Händen von Eduardo Strausser, der das gut disponierte Niedersächsische Staatsorchester zu differenziertem Spiel antrieb, aber auch lyrische Momente auskosten ließ. Entscheidend zu dem Riesenerfolg des Abends trugen jedoch die darstellerisch durchweg hervorragenden Leistungen der Sänger und Sängerinnen bei: Da ist zuerst der mit einem typisch leichten Rossini-Tenor begabten Südafrikaner Sunnyboy Dladla zu nennen, der durch großen Stimmumfang, sichere Höhe, perlende Koloraturen und gelungenes Legato im lyrischen Bereich bei bester Intonation bestach. (Als Alonso, „Schüler des Don Basilio“, hatte man ihn endlich einmal nicht wie sonst üblich genauso gekleidet wie seinen Lehrer, sondern in einen rosa farbenen Anzug gesteckt, der farblich das Futter der Jacke Basilios aufnahm.) Das neue Ensemble-Mitglied Hubert Zapiór machte als selbstverliebter Figaro, der viele witzige Kleinigkeiten beisteuerte, gute Figur; lediglich der Witz mit dem Gerät zur Kopfmassage wurde ein wenig überstrapaziert. Sein heller, durch alle Lagen gut ausgebildeter Bariton mit gelungenem Falsett passte gut zu den anderen Stimmen; ein Höhepunkt war natürlich seine Auftrittsarie, mit der er das Publikum zum ersten Begeisterungssturm hinriss. Ebenfalls neu am Haus ist Nina van Essen aus den Niederlanden, die als lebhaft agierende Rosina mit hellem intonationssicheren Mezzosopran entzückte; bei Una voce poco fa kamen auch die Lyrismen nicht zu kurz. Als heiratswütiger, sein Mündel streng bewachender Doktor Bartolo fügte sich Frank Schneiders rollengerecht in das Ensemble ein und überzeugte voll mit seiner großen Arie A un dottora della mia sorte.
Mit sicher durch alle Lagen geführter Bassstimme gefiel als Don Basilio der Pole Daniel Miroslaw; sein La calunnia entwickelte sich entsprechend vom Lüftchen zum Sturm. James Newby aus Großbritannien ließ als Fiorillo mit weichem Bariton aufhorchen, ein Versprechen auf die Zukunft. Mit schlanker Stimmführung ihres kultivierten Soprans erfreute Carmen Fuggiss als komische Berta. Darwin Prakash (Offizier) ergänzte das muntere Ensemble passend.
Eine sichere Bank war der ausgeglichen klangvolle Männerchor (Lorenzo Da Rio), der hier als Terror-Sicherheitsgruppe agierte.
Das Publikum des offensichtlich ausverkauften Hauses bedankte sich mit anhaltenden Ovationen für alle Beteiligten, in die sich nur vereinzelte Negativstimmen mischten, die aber bald verstummten.
Fazit: Ein toller Spaß, den man nicht versäumen sollte.
Fotos: © Sandra Then
Marion Eckels 19.01.2020
Weitere Vorstellungen: 22., 24.01.; 2., 7., 15., 21.02.; 7., 15.03.; 30.04. etc.