Premiere 29.12.16
Ein Stück europäischer Geschichte ergreifend umgesetzt
Das kleine aber feine Theater der Stadt Koblenz zeigt aktuell in Kooperation mit dem Koblenzer Jugendtheater „The Beautiful Game“, ein Musical von Andrew Lloyd Webber und Ben Elton, welches hierzulande nur sehr selten zu sehen ist. Dabei behandelt das Musical mit den Konflikten in Nordirland ein wichtiges Thema der europäischen Geschichte und bietet auch musikalisch einige wunderbare Kompositionen. Diese machen „The Beautiful Game“ zu einem kleinen Juwel, welches neben Webbers deutlich bekannteren Werken wie „Evita“, Cats“, „Phantom der Oper“ oder „Starlight Express“ gerne mal übersehen wird. Bereits die Overture beginnt mit wunderbarer irischer Musik, die dann allerdings schnell durch einen härteren Percussion-Synthesizer-Sound überlagert wird, der die drohende Gefahr eindrucksvoll verdeutlicht. Im weiteren Verlauf des Stückes arbeitet Webber immer wieder geschickt mit dem Wechsel von tief emotionalen Werken und bedrohlicher Musik. Angereichert mit diversen Reprisen, ist „The Beautiful Game“ eine zu Recht von vielen Kritikern hoch gelobte Partitur, die es sogar verkraftet, dass „Our Kind of Love“ nach einer Überarbeitung des Werkes zu „Liebe stirbt nie“ abgegeben wurde, um dort den titelgebenden Song zu bilden.
Vielleicht liegt das Problem dieses Stückes eher darin, dass der wenig informierte Besucher hier eine Geschichte über Fussball erwartet. Der Fussball bietet allerdings mehr die Rahmenhandlung, um die Geschichten rund um die Spieler einer nordirischen Jugendmannschaft in Zeiten der großen irischen Konflikte zu erzählen. Dem auf dem Leim gegangen waren in der besuchten Vorstellung offenbar auch einige Eltern mir recht kleinen Kindern, für die einige recht harte Szenen nicht ohne weiteres geeignet scheinen. Natürlich darf auch eine große Liebesgeschichte samt großer Ballade nicht fehlen, was nach der Premiere im September 2000 in London bereits einige Stimmen hervorbrachte, die das Werk für zu klischeehaft und oberflächlich für solch eine heikle Thematik ansahen.
Markus Dietze gelingt in Koblenz allerdings eine sehr gelungene Inszenierung, die immer wieder eindrucksvoll auf die kriegerischen Auseinandersetzungen und vor allem das Leid der Menschen in Nordirland eingeht und so zutiefst berührende Momente beschert. Zur Verdeutlichung der historischen Zusammenhänge führt ein „Announcer“ das Publikum immer wieder gelungen durch den Abend. Für Bühne und Kostüme zeichnet sich Christian Binz verantwortlich, kein leichter Job bei den vielen Szenenwechseln vom Stadion zur Umkleidekabine, zu einer Beerdigung, einer Hochzeit, dem Staatsgefängnis, einem Hotelzimmer und den Straßen der Stadt. Dies wurde durch verschiedene bespielbare Ebenen übereinander sehr gut gelöst. Beeindruckend auch die Szene des großen Finales wo die Spieler unten in Zeitlupe das Fußballspiel simulieren, darüber die Fans auf der Tribüne jubeln und das gesamte Geschehen durch Videoprojektionen geschickt eingerahmt wird. Schön auch der Detailreichtum, der zum einen im Umkleideraum auffällt wie aber auch im Hotelzimmer der Hochzeitsnacht. Hier darf die englische Steckdose und der Wasserkocher natürlich keinesfalls fehlen. Durch die zuvor bereits erwähnten Videoprojektionen (Georg Lendorff), die hauptsächlich für einige kriegerischen Auseinandersetzungen genutzt werden, entsteht ein rundes Gesamtbild der Inszenierung.
Nach der hervorragenden Kooperation beim Musical „Oliver!“ in der Spielzeit 2014/2015 besteht die Besetzung bei „The Beautiful Game“ erneut hauptsächlich aus Mitgliedern des Koblenzer Jugendtheater, die mit viel Ehrgeiz und vor allem einem ungeheuer gutem Schauspiel überzeugen. Bei den Gesangsleistungen ergeben sich hier entsprechend größere Leistungsschwankungen, vielleicht auch ein Grund, warum das Theater Koblenz das Stück in die Sparte Schauspiel eingegliedert hat. Sehr stark ist zweifellos gleich die große Eröffnungsnummer nach der Overture. Alles in allem bot die besuchte Vorstellung trotz einiger kleiner Ausreißer auch gesanglich durchaus eine gute Arbeit an, die natürlich hier mit anderen Maßstäben zu bewerten ist, als eine Inszenierung mit dem reinen Profi-Ensemble. Oft im Einsatz ist an diesem Abend auch der Opernchor, der die Darsteller bei den großen Chorstücken unterstützt. Unter der musikalischen Leitung von Karsten Huschke, liefert die 9köpfige „Beautiful Band“ einen guten Sound, der der Komposition durchaus gerecht wird. Auch die gespielte deutsche Übersetzung von Anja Hauptmann weiß zu gefallen.
Besonderen Lob verdient das Theater Koblenz durch die vorbildlichen Zusammenarbeit mit den jugendlichen Darstellern und dem Aufwand mit dem diese Produktion umgesetzt wurde. In Koblenz bekommt der Zuschauer hier keine B-Produktion, sondern eine vollwertige Umsetzung eines viel zu selten gespielten Werkes. Es bleibt zu hoffen, dass diese Zusammenarbeit auch in zukünftigen Spielzeiten immer mal wieder das Programm bereichert.
Markus Lamers, 3.01.2017
Fotos (c) Matthias Baus für das Theater Koblenz