Keine märchenhafte, aber eine interessante Deutung!
Schon lange wurde in Deutschland die Spätoper von Richard Strauss, „Die Liebe der Danae“ – erst posthum bei den Salzburger Festspielen 1952 uraufgeführt – nicht mehr gegeben. An der Bayerischen Staatsoper war sie zum letzten Mal in dem großen Strauss-Zyklus aller 13 Opern 1988 unter der Stabführung von Wolfgang Sawallisch zu erleben. Ich erinnere mich noch sehr gut an jenen Zyklus, in dessen Rahmen auch Theo Adam auftrat und der unvergessliche James King in der „Liebe der Danae“. Bei den Salzburger Festspielen gab es vor einigen Jahren auch eine Neuinszenierung, u.a. mit Krassimira Stoyanova, die auf ihre Art sehr interessant und farbenprächtig war und somit das Märchenhafte des Stücks, welches die Bezeichnung „Heitere Mythologie in drei Akten“ trägt, betonte.

Auch Claus Guth, der Regisseur der neuen Münchner „Danae“, die im Februar ihre Premiere hatte und nun bei den Festspielen wieder gezeigt wurde, hatte seine „große Strauss-Initiation“ zum Zeitpunkt dieses Zyklus‘ an der Bayerischen Staatsoper 1988, wie er in einem Interview mit der Dramaturgien Yvonne Gebauer sagt. Dabei interessierte ihn weniger das damals nach seinem Dafürhalten konventionelle Bühnengeschehen, sondern vor allem die Musik des Bayerischen Staatsorchesters unter Sawallisch. Deshalb setzte er sich in eine Seitenloge beim Orchester, um die Stücke vor allem aus der Musik heraus zu verstehen.
Wer Claus Guth als Opernregisseur kennt, kann davon ausgehen, dass ihn das Märchenhafte an der „Liebe der Danae“ kaum interessiert und er, den man wohl als einen – allerdings oft recht guten – Vertreter des Regisseurstheaters bezeichnen kann, einen anderen, eher problematisierenden Zugang zu dieser Oper sucht. Genau das war in München zu erleben, ganz und gar nicht „konventionell“ zwar, um in seinem Jargon zu bleiben, aber durchaus sehenswert, sinnmachend, aktualisierend und musiktheatralisch mit Sebastian Weigle am Pult des Bayerischen Staatsochsters auch zeitweise packend. Guth stellt im Bühnenbild von Michael Levine und mit den dazu passenden Kostümen von Ursula Kudrna im sehr guten Licht von Alessandro Carletti drei vollkommen unterschiedliche Welten nebeneinander, die Welt des Pollux, die Welt des Jupiter und die Welt der Danae, in die die Figur des Midas hineinragt. Guth interessiert vor allem, wie sich diese Welten verhalten, wenn es zu Reibungen kommt.

Pollux residiert als Donald Trump-Verschnitt mit entsprechender Perücke in seinem New Yorker Trump Tower. Im Hintergrund sieht man die Wolkenkratzer von Manhattan. Seine Gläubiger fordern in Scharen ihr Geld zurück, welches er nicht (mehr) hat und weshalb er auf eine gute „Vermarktung“ seiner Tochter Danae setzt. Auf diese Pollux-Welt schaut der Regisseur mit einer gewissen Distanz, wie auf einen Ameisenhaufen. So wirkt es auch, eine groteske Welt! Der von Christoph Heil einstudierte Bayerische Staatsopernchor macht hier großen Eindruck! Hier geht es nur ums Geld und das Gold.
Diese auch täuschende Oberflächlichkeit lässt Danae erkennen, dass das nicht ihre Welt ist. Sie sieht im Gold etwas ganz anderes, ein schönes Edelmetall, von der Erde und damit der Natur geschaffen, das auch ihrem Kleid Goldglanz verschafft, in dessen ästhetischer Schönheit sie sich wie eine Barbiepuppe sonnt. Man denkt sofort an die Rheintöchter und Alberich in Wagners „Rheingold“. Danae und Midas erkennen jedoch, indem sie sich verlieben und auf das Gold und damit Reichtum verzichten, die ganze Verlogenheit dieser Scheinwelt, in der auch Jupiter mit seinem Versuch, Danae über Midas mit Gold zu gewinnen, scheitert. So brechen sie mit dieser ohnehin dem Untergang geweihten Welt. Schließlich sieht man das Trump Tower-Apartment nach einem Großbrand von Manhattan, dem Untergang also der goldverzückten kapitalistischen Scheinwelt! Die Überlebenden kochen sich das Nötigste, auf dem Boden kauernd. Jupiter irrt, wie in Wagners „Ring“ der gescheiterte Wotan, als Wanderer im „Siegfried“ mit dem Wanderstab entgeistert herum und weiß nicht mehr wohin.

Das war, wenn man, zugegebenermaßen, etwas ins Programmheft geschaut hat, was beim Regisseurstheater aber immer sinnvoll, wenn nicht gar nötig ist, eine schlüssige Sicht dieser also nach Guth gar nicht so heiteren Mythologie und damit ein guter Ansatz für eine auch an der Aktualität orientierte und damit zum so wichtigen und allzu oft unrealistischen Erfassen des Heute beitragende Interpretation.
Christopher Maltmann war nach seinem guten Londoner „Walküre“-Wotan nun auch ein eindrucksvoller Jupiter mit wohlklingendem, sehr gesanglich angelegtem Bassbariton und großem darstellerischem Talent. Andreas Schager machte mit dem Midas einen interessanten und höchst erfolgreichen Ausflug aus seinem Wagnerfach und verlieh dem Eselstreiber schöne heldische Töne bei gewohnt ebenfalls sehr gutem Spiel. Malin Byström war fast eine Idealbesetzung für die Danae, selbstredend optisch, aber auch stimmlich und mit der Intensität ihrer Verkörperung der Titelpartie. Eindrucksvoll konnte man ihren Wandel vom reichen Töchterchen zur liebenden und den ganzen Betrug erkennenden Frau nachvollziehen. Vincent Wolfsteiner war als Donald Trump ein skurriler und entsprechend agiler Pollux mit heldischem Tenor. Der neuerdings immer mehr als Mime eingesetzte Ya-Chung Huang war ein guter und von oben kommentierender Merkur. Sarah Dufresne als Semele, Evgeniya Sotnikova als Europa, Emily Sierra als Alkmene und Avery Amereau als Leda verkörperten bisweilen humoristisch-skurril die verflossenen und damit irrelevant gewordenen Liebschaften Jupiters. Erika Baikoff war Xanthe.

Sebastian Weigle wusste am Pult des Bayerischen Staatsorchesters die zu dieser dramatischeren Interpretation passende Intensität und Dynamik zu finden. Manchen erschien das Orchester etwas zu laut. Ich fand jedoch, dass es der Inszenierung gerecht wurde. Somit gelang eine homogene musikalisch-szenische Aufführung dieses gar nicht so einfach zu inszenierenden Werkes in München. Am Schluss wurden einige Videos von rocafilm eingeblendet, die Richard Strauss bei einem Spaziergang – und die liebte er ja – durch den Garten seiner Villa in Garmisch zeigen. Damit kam vor dem Hintergrund, dass die „Danae“ seine zuletzt ausgeführte Oper wurde, auch noch ein Moment Nostalgie und Erinnerung an ein großes Komponisten-Leben auf. Das passte sehr gut als Versöhnung mit dem zuvor Erlebten.
Klaus Billand, 1. September 2025
Die Liebe der Danae
Richard Strauss
Münchner Opernfestspiele
Besuchte Aufführung am 22. Juli 2025
Premiere: 2. Februar 2025
Inszenierung: Claus Guth
Musikalische Leitung: Sebastian Weigle
Bayerisches Staatsorchester