In jedem Sinne glänzend: Das Genie (und Fidelio) auf Münzen und Medaillen
Der Laie mag staunen, der Kenner wundert sich nicht: dass Münzen, Medaillen und Plaketten nicht zu den Nebensächlichkeiten, sondern zu den Hauptsachen nicht allein der Geld-, sondern auch der Kunstgeschichte gehören. Wer heute die einschlägigen Münzkabinette in Berlin, München oder Nürnberg besucht, weiß, dass die Kleinobjekte so gut die Entwicklung der Bildenden Kunst spiegeln wie die optisch größeren Werke, die seit dem 15. Jahrhundert entstanden – abgesehen davon, dass die Liebhaber der Numismatik Kenntnis davon haben, dass sich die Geschichte nicht zuletzt in jenen Artefakten zeigt, die zwar – in Zeiten des allmählichen Übergangs vom Münz- und Papiergeld zu digitalen Zahlungsmitteln – im täglichen Verkehr zunehmend seltener werden, aber in Abermillionen von Exemplaren vorliegen. Befasst man sich mit einem spezifischen Thema – etwa mit Komponisten, die in der kleinen Form verewigt wurden –, kommt man schon schnell dahinter, dass die populären Meister nicht allein im Gemälde, dem Druck, der Skulptur oder dem Foto festgehalten wurden, die uns eine jeweils besondere und subjektive Sicht eröffnen. Was hier Kitsch, Kunst oder Kunsthandwerk ist, entscheiden sowieso und letzten Endes der persönliche Geschmack und die Zeit. Tatsache ist, dass der Musikfreund, der sich beispielsweise mit der Wirkung Beethovens und der Art und Weise beschäftigt, wie zumal Nachlebende den Komponisten sahen, schönste Funde machen kann, wenn er die einschlägigen Arbeiten zum Thema „Beethoven auf Münzen, Medaillen und Plaketten“ in die Hand nimmt. Nebenbei: Kein Musiker wurde so oft auf Münzen und Medaillen verewigt. Im Genre der Beethoven-Porträts repräsentieren sie zudem die Majorität (2020 erschien die Beethoven-Euro-Münze in einer Auflage von 1,2 Millionen Stück…).
Das Beethovenjahr, besser: die Beethovenjahre, boten dafür einen Anlass, waren aber nicht der Grund für eine wertvolle Publikation, die nicht weniger als 207 ältere und jüngere und 10 neue Auftragsarbeiten in stechend scharfen Bildern präsentiert, womit nicht weniger als knapp die Hälfte aller numismatischen Beethoveniana vorliegt (von denen insgesamt nur 377 in Bildern nachweisbar sind) und die zwei bekannten Publikationen – Paul Niggls monumentale und mehrbändige Edition der Musiker-Medaillen und Bernd Müllers Ludwig van Beethoven in Nummis (2008) – eine sinnvolle und reiche Fortsetzung fanden; satte 95 Exemplare des neuen Bandes finden sich weder bei Niggl noch bei Müller. Bedenkt man, dass viele Münzen und Medaillen wenig originell sind, bietet van Reys Publikation also eine reiche Auswahl der besten Beispiele für ein zwischen Kunst und Kunstgewerbe changierendes Medium des gar nicht so speziellen Spezialgebiets „Komponisten auf Münzen und Medaillen“ – und, wie gesagt, auf Plaketten aus vielerlei Material. Die Prägungen beginne bereits 1827: in Beethovens Todesjahr. Der Gang durch die Münzgeschichte macht klar, dass viele Münzen und Medaillen nach einigen bekannten Porträts geschaffen wurden und sich viele Künstler frei bis sehr frei, je nach dem Stand der künstlerischen Stilentwicklung, ihren Beethoven zum Bilde schufen. Oft faszinierend sind schon die Rückseiten von manch Stück: vom Klassizismus über den Jugendstil zur Moderne des 20. Jahrhunderts führten Wege, die den Kopf oder das Brustbild des „Titanen“ mal gezügelt, mal düster, mal wild in die Form gruben. Nicht wenige der Objekte könnten – so macht man es beispielsweise im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg – sofort in Skulpturensammlungen oder Kunstabteilungen integriert werden, in denen die Malerei, die Plastik und das Kunsthandwerk gleichrangig nebeneinander stehen. Van Rey begnügte sich nicht damit, seine Exemplare abzubilden und genau zu beschreiben, sondern eröffnete seine Sammlung mit einer 40seitigen Einführung, die den Zusammenhang der einzelnen Stücke mit der Geschichte der Beethoven-Ikonographie beleuchtet. Den Genius darzustellen bedeutete und bedeutet zumal: Bilder zu finden, die ihn und sein Werk im kleinen Format darzustellen vermögen – die Betrachtung eines herausragenden Stücks, einer 1899 entstandenen Medaille von Jean-Marie Delpech und Camille Paulin Lancelot, zeigt uns, wie aus herkömmlichen Allegorien, einer Lyra, einer halbnackten schalmeispielenden Frau, einem flötespielenden Mädchen und einem Knaben mit Tambourin, ein repräsentatives Kunstwerk werden konnte. Franz Stiasnys Plakette von 1910 – ein markiger Kopf, der die Entstehungszeit und den Jugendstil nicht verleugnet –, Stephan Schwartz‘ Plakette von 1909 (das Motiv „Frau am Klavier, vom Kopf des Komponisten bewacht“ zitierend), Paul Vinczes Londoner Medaille von 1970, eine Muse am Flügel zeigend: sie mögen für die besten Exemplare der Sammlung einstehen, in denen das Thema mehr oder weniger symbolistisch bearbeitet wurde. Konkreter wurde es, wenn es galt, bestimmte Werke wenigstens kurz zu nennen. Goethe, den Beethoven häufig in Musik gesetzt hat und den er in Teplitz und Karlsbad traf, kommt mehrmals vor, die „ferne Geliebte“ wurde zweimal – interessanterweise bei einer Medailleurin, nicht einem Medailleur – bei Inka Klinkhard zum Motiv. Auch Komponistenansammlungen begegnen gelegentlich auf den Medaillen und Plaketten, auf denen sich Mozart, Haydn und unser Mann oder Bizet, Tschaikowsky und Beethoven zur Minigruppe zusammenfanden. Ein einziges Mal – dies lehrt die Zusammenstellung aller Wagner-Medaillen und Münzen – trafen sich Beethoven und Wagner im Medium: 1978 schuf der Portugiese José de Moura eine Medaille, auf der acht kleine Komponistenköpfe den großen des „Riesen“ einrahmen. Abgesehen von Bach, der im musikdramatischen Bereich „nur“ einige weltliche Kantaten hinterließ, hat jeder dieser Musiker mindestens eine Oper geschrieben; die „Musica dramática“, die auf Humberto J. Mendes‘ portugiesischer Medaille von ca. 1975 die konzise Gattungsliste anführt, ist ansonsten gelegentlich vertreten. Nimmt man sich umschlingende nackte Paare nicht als Allegorien einer sich verbrüdernden Menschheit im Sinne des Schlusssatzes der 9. Symphonie, sondern als mögliche Allegorie von Leonore und Florestan, begegnet Beethovens einzige Oper immerhin sechsmal: als Titel bei Heinrich Friedrich Brehmer (1870), einem Anonymus (1900), bei Calvin Massey (1977), Sonja Eschefeld (2020) und bei Hans Joachim Dobler (1977), der die Oper als Mittelteil einer „Trilogie des Lebens“, also zwischen der Eroica und der Missa solemnis, verortete. Als man 1978 den 200. Geburtstag der Mailänder Scala feierte, erschien eine mehrteilige Opernmedaillenedition, in der C.R. Rufo auch dem Fidelio einen Platz mit einer Illustration einräumte. Zugegeben: Bonn-Motive schlagen die Theater-Themen um Längen, aber für den Opernfreund ist es zuletzt schön, auf Medaillen auch das Theater an der Wien (Bernd Göbel, 1969) und das Kärntnertortheater, den Vorläuferbau der Wiener Staatsoper, zu entdecken (eine Arbeit von Herbert Wähner, 2005).
Hat man nicht auch Geld beineben… Dieses Zitat aus dem Fidelio muss fallen, wenn es um die Frage geht, was Beethoven mit dem Geld zu tun hatte (er hatte viel damit zu tun). Geld ist nicht alles; wo Münzen und Medaillen zu eigenständigen Kunstwerken werden, hat auch Beethoven wesentlich mehr als einen Groschen verloren. Der in jedem Sinne glänzende, weil in vielerlei Sinne glänzende Stücke porträtierende Band zeigt es in exemplarischer Weise.
Frank Piontek, 30. Mai 2023
Manfred van Rey:
Ludwig van Beethoven in Nummis
(Bonner Numismatische Studien, Bd. 3).
Hrg. von der Numismatischen Gesellschaft Bonner Münzfreunde e.V. Bonn 2020.
296 Seiten, 17 farbige Abbildungen und 217 farbige Tafelseiten. 29,90 Euro.
Erhältlich bei den Bonner Münzfreunden (kontakt@bonner-muenzfreunde.com) und im Shop des Bonner Beethovenhauses.