CD: „Fredigundis“, Franz Schmidt

Der Komponist Franz Schmidt dürfte einem Großteil des Opernpublikums insbesondere durch seine in den Jahren 1902 bis 1904 geschriebene und schließlich am 1. April 1914 an der Wiener Staatsoper uraufgeführter Oper Notre Dame ein Begriff sein. Diese Oper war damals ein so großer Erfolg, dass sich Schmidt gleich nach einem neuen Stoff zum Komponieren umsah. Den fand er schließlich in Fredigundis. Zugrunde liegt dieser Oper ein Roman von Felix Dahn, des Verfassers des seinerseits sehr erfolgreichen Romans Ein Kampf um Rom. Er schrieb aber auch noch andere durchaus beachtliche Bücher. Die Fredigundis – Geschichte entstammt dem fünften Band seiner dreizehnbändigen Reihe Kleine Romane aus der Völkerwanderung. Hier änderte er den ursprünglichen Namen der Titelfigur Fredigunde in Fredigundis, was Schmidt und seine beiden Librettisten Bruno Warden und Ignaz Michael Welleminsky auch taten. Darüber hinaus nahmen sie noch eine weitere Änderung vor: Sie fügten die ursprünglich zwei unterschiedlichen Charaktere darstellenden Landerich und Praetextatus zu einer einzigen Person zusammen. Ferner schrieben sie die Geschichte um die machtsüchtige Magd Fredigundis, die die Königin tötet, um selbst von König Chilperich geheiratet und Königin zu werden, etwas  um. Einige Nebenfiguren wurden dazu erfunden. Von der wahren Historie ist nicht mehr allzu viel übrig.

Hier haben wir es mit einer echten Rarität zu tun, die es auf den Opernbühnen allerdings bisher sehr schwer hatte. Das mag in erster Linie daran liegen, dass das Textbuch ausgesprochen kitschig und in hohem Grade mäßig anmutet. Die beachtliche Musik Franz Schmidts ist dem extrem schlechten Libretto von Warden und Welleminsky da um Längen überlegen. Sie ist überaus prachtvoll, intensiv und emotional, gleichsam ein wahres Glanzstück der Spätromantik. Dabei dringt der Komponist geschickt bis an die Grenzen der Tonalität vor, ohne dem Werk dabei seinen schönen Charakter zu nehmen. Auf vorliegender CD, der ein 1979 im Musikverein Wien entstandener Live-Mitschnitt zugrunde liegt,  wird dieser prägnante Klangteppich von Dirigent Ernst Märzendorfer und dem hervorragend disponierten ORF Radio- Symphonieorchester Wien mit großer Eleganz und recht gefühlvoll vor den Ohren des begeisterten Zuhörers ausgebreitet. Allein diese herrliche Musik wäre es wert, dass das Stück rehabilitiert würde.

Auch die gesanglichen Leistungen bewegen sich größtenteils auf beachtlichem Niveau. In der Rolle der Fredigundis glänzt mit sauber italienisch fokussiertem, in jeder Lage strahlkräftigem und höhensicherem Sopran Dunja Vejzovic, der ihre große Erfahrung im Wagner-Fach hier trefflich zugutekommt. Lyrisches, fein dahinfliessendes und ebenmäßiges Bass-Material bringt Martin Egel in die Partie des Chilperich ein. Mit prägnantem Bass-Bariton singt Reid Bunger den Herzog Drakolen. Demgegenüber fällt der flache, stark der nötigen Körperstütze entbehrende Tenor von Werner Hollweg als Landerich/Praetextatus ab. Stimmlich unauffällig bleibt in der winzigen Partie der Rulla Olga Sandu. Die drei Bewaffneten geben Wolfgang Witte, Robert Riener und Neven Belamaric. Der von Gottfried Preinfalk einstudierte ORF Chor macht seine Sache gut.

Ludwig Steinbach, 6. April 2024


CD: Fredigundis
Franz Schmidt

Musikverein Wien
Musikalische Leitung: Ernst Märzendorfer
ORF  Radio-Symphonieorchester Wien

ORFEO
Best.Nr.: C380012
2 CDs