In der Zeit des Ersten Weltkrieges schrieb der englische Komponist Gustav Holst seine groß angelegte Orchester-Suite „The Planets“. Die zwischen 1914 und 1916 entstandene Komposition war ursprünglich für zwei Klaviere vorgesehen. Der große englische Dirigent Sir Adrian Boult motivierte Holst, einige seiner Klavierkompositionen zu orchestrieren. Und so kam es dann 1918 zu der von Boult dirigierten orchestralen Uraufführung.
Wohl kaum ein spätromantisches Werk hat die spätere Filmmusik derart stark beeinflusst, wie dieses Stück. Die großformatigen Klangspektren sorgten von jeher für starke Begeisterung. Sieben Planeten unseres Sonnensystems beschreibt Holst in seiner Komposition.
Von extremer Düsternis und stampfender Brutalität ist der Beginn mit dem Planeten Mars, dem Überbringer des Krieges. Maschinenartige Rhythmen, die in einer schwarzen Apokalypse enden. Extrem dann der Kontrast mit dem anschließenden Planeten Venus, dem Friedensbringer. Ein elegisches Hornsolo im Dialog mit feinsten Holzbläserfärbungen schaffen eine kontemplative Stimmung. Mit Merkur, dem geflügelten Boten, gibt es dann einen geschwinden Ritt durch alle Orchesterfarben in breitem dynamischen Panorama. Der Überbringer der Fröhlichkeit tritt dann in Form des Planeten Jupiters vor die Zuhörer. Sicherlich der beliebteste Planet, der mit seiner hymnischen Hauptmelodie im Mittelteil, stark an den von Holst verehrten Komponisten Sir Edward Elgar denken lässt. Dann wieder ein Farbwechsel, denn mit Saturn begegnet uns der Überbringer des Alters und damit eine weiträumige kosmische Klangwelt. Kaum größer könnte der Kontrast sein als Uranus, der Magier, ertönt. Gewaltige Fanfaren im Blech, bizarre Rhythmen und drastische Schlagzeugeffekte münden in einem wilden Tanz, der mitunter deutlich an den „Zauberlehrling“ von Paul Dukas denken lässt. Mit dem beschließenden Neptun wird das riesige Orchester klanglich durch einen sechsstimmigen Frauenchor ergänzt, der in wiederkehrenden Vokalisen die Endlosigkeit des Alls trefflich imaginiert.
Die aktuelle Neuaufnahme mit dem Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks steht unter der Leitung von Daniel Harding. Aufgezeichnet wurde diese Einspielung am 25. Februar 2022, als der unsägliche Ukraine-Krieg losgetreten wurde. Umso beklemmender ist der martialische Rhythmus des Mars zu erleben, den Harding als langsam, wuchtig stampfende Kriegsmaschine präsentiert. Die Ausbrüche im Fortissimo ertönen vernichtend, furchtbar. Im größten orchestralen Sturm sorgt Harding für eine gelungene Ausbalancierung in den Orchestergruppen. Mit viel Ruhe wird die „Venus“ als Oase des Friedens zelebriert, bevor Harding flink „Merkur“ durch das Orchester scheucht. Herrlich die große Geste in dem innigen Horn-Choral des „Jupiters“. Faszinierend eindringlich geriet der mystische „Saturn“, während beim „Uranus“ das Orchester noch einmal völlig ungezügelt zu erleben ist. Der geheimnisvolle „Neptun“ entwickelt durch den fein abgestuften Gesang des Chores eine suggestive Wirkung. Daniel Harding nimmt sich Zeit, jeden einzelnen Planeten speziell zu gestalten. Ein faszinierendes Klangerlebnis.
Für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks war dieser Konzertabend ein Fest. Die höllisch schwere Partitur wird mit großer Meisterschaft und wunderbarer Klangkultur vorgetragen. Faszinierend die Transparenz im Tutti und sehr charakteristisch in den Solobeiträgen. Besser ist dieses Werk kaum zu spielen. Ein schönes Dokument, welches in ausgezeichneter Klangqualität festgehalten wurde.
Dirk Schauß, 7. April 2023
Gustav Holst
The Planets
Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Daniel Harding, Leitung
BR Klassik, 900208