
Bei dem Label NAXOS ist ein im Mai 2024 an der Deutschen Oper Berlin entstandener Livemitschnitt von Richard Strauss` Oper Intermezzo auf DVD erschienen. Hierbei handelt es sich um eine durchaus beachtliche Angelegenheit. Leider führt dieses Werk auf den Bühnen ein Schattendasein, dabei hat es schon seine Meriten. Erwähnenswert ist in erster Linie der autobiographische Aspekt der Handlung. Mit ihr nimmt Strauss, der selbst das Libretto verfasste, hier sein eigenes Eheleben gehörig aufs Korn. Die beiden Hauptpersonen des Werkes, Robert Storch und seine Frau Christine, sind eindeutig Strauss und seiner Frau Pauline nachempfunden. Der Ehealltag der beiden wird von lautstarken Diskussionen und Streitereien geprägt. Storch gerät schließlich aufgrund einer Namensähnlichkeit mit dem Dirigenten Stroh versehentlich in den Verdacht des Ehebruchs, bis sich am Ende doch noch alles aufklärt und die Liebe siegt. Strauss hat für seine bürgerliche Komödie mit symphonischen Zwischenspielen – so der Untertitel des Stückes – eine sehr eingehende Musik geschrieben. Intermezzo weist größtenteils einen lockeren Parlando-Ton auf. Arien gibt es nicht. Die Höhepunkte der Musik sind die imposanten Zwischenspiele, bei denen Strauss gänzlich aus dem Vollen schöpft. Hier offenbart sich der ganze Glanz des Klangteppichs, der von GMD Sir Donald Runnicles und dem bestens disponierten Orchester der Deutschen Oper Berlin mit enormer Intensität und klangschön vor den Ohren des Zuhörers ausgebreitet wird. Der Dirigent hat wahrlich einen guten Tag. Die vielfältigen Feinheiten der Musik werden von ihm aufs Beste herausgearbeitet und bei den Zwischenspielen lässt er die Musiker oft stark auftrumpfen. Bei den flüssig genommenen, prägnanten Parlando-Stellen nimmt er das Orchester dagegen zurück und räumt den Stimmen der Sänger, die er umsichtig begleitet, breiten Raum ein. Insgesamt gelingt ihm eine eindringliche, differenzierte Auslotung von Strauss` Partitur.
Vollauf gelungen ist die Inszenierung von Tobias Kratzer in dem Bühnenbild und den Kostümen von Rainer Sellmaier. Regisseur und Bühnenbildner haben das Werk ausgezeichnet modernisiert, wobei dessen Essenz an jeder Stelle gewahrt bleibt. So wird deutlich, dass die Handlung uns auch heute noch etwas zu sagen hat. Die Protagonisten tragen moderne Klamotten und hantieren emsig mit ihren Handys. Das Ganze spielt sich in einem oft fast leeren, kargen Raum ab. In dessen oberen Teil flimmern oft Videos über die Szene. Im ersten Bild sieht man links auf der Bühne ein riesiges Sofa, rechts ein echtes Taxi, das den verreisenden Storch wohl zum Flughafen bringen soll. Auch die folgenden Bilder sind oft alles andere als prunkvoll ausgestattet, manchmal indes auch ziemlich reichhaltig, wie beispielsweise das Hotelzimmer, in dem Christine vorlagewidrig ihren Mann betrügt und mit Baron Lummer im Bett landet. Die Skat-Runde spielt sich in einem Aufenthaltsraum für das Orchester ab. Hier sieht man viele Instrumente und die unterschiedlichsten Typen. Stroh ist gekonnt Sir Donald Runnicles nachempfunden. Die folgende Auseinandersetzung zwischen den Herren Storch und Stroh findet in einem Flugzeug statt. Sie fliegen mit Strauss-Airlines. Um die kleine Kabine des Fliegers tobt ein heftiger Gewittersturm. Das sind recht imposante Bilder. Zudem wartet Kratzer mit zahlreichen guten Regieeinfällen auf. So hantieren die Handlungsträger immer wieder mit einem originalen Klavierauszug der Oper Intermezzo. Christine darf am Ende sogar aus ihm singen. Der kleine Franzl, der Sohn von Robert und Christine, tritt sicher einmal in die Fußstapfen seines Vaters. Er wird von Kratzer als äußerst musikalisch und an Musik interessiert gezeichnet. Bereits zu Beginn schenkt ihm der scheidende Vater zum Abschied einen Taktstock. Der für das Stück wichtige Ski- und Rodelunfall, in den Christine und Baron Lummers verwickelt werden, findet hier nicht statt. Stattdessen fahren die beiden mit ihren Autos ineinander. Dabei steuert Christine standesgemäß einen BMW, der nicht gerade mit irdischen Gütern gesegnete Baron dagegen nur einen Kleinwagen. Oftmals wartet das Regieteam mittels der bereits erwähnten Videos mit Impressionen aus anderen Strauss-Opern auf. So erschließen sich dem Blick Ausschnitte aus Filmen von Salome, Elektra und Der Rosenkavalier. Regie führen hier u. a. Götz Friedrich, Wieland Wagner und Otto Schenk. In einem hier ebenfalls zu sehenden Ausschnitt aus der aktuellen Arabella-Inszenierung der Deutschen Oper Berlin führt Kratzer sogar selbst Regie. In der Szene, als Christine im zweiten Akt beim Notar erscheint und die Scheidung von ihrem Mann verlangt, tut sie das in einem konventionellen Elektra-Kostüm und mit einem Beil in der Hand, mit dem sie den vor ihr kriechenden Notar heftig bedrängt – eines der stärksten Bilder der Inszenierung. Am Ende zieht sich Robert Storch wieder zu seinem Orchester zurück. Ein Zwischenvorhang senkt sich herab, während Christine zurückbleibt. Ob die Ehe zwischen den beiden im Folgenden wieder funktionieren wird, bleibt zumindest fraglich. Das alles wird von Kratzer mit einer sehr stringenten und abwechslungsreichen Personenregie überaus spannend und kurzweilig auf die Bühne gebracht. Wieder einmal hat sich erwiesen, dass er ein Meister seines Fachs ist.
Nun zu den Sängern: Mit hervorragend fokussiertem, hellem und ebenmäßig dahinfliessendem Bariton singt Philipp Jekal prachtvoll den Robert Storch. Einen silbern schimmernden, elegant geführten und höhensicheren jugendlich-dramatischen Sopran bringt Maria Bengtsson in die Partie der Christine ein. Mit einem voll und rund klingenden Tenor stattet Thomas Blondell den Baron Lummer aus. Nichts auszusetzen gibt es an der trefflich singenden Anna von Anna Schoeck. Joel Allison ( Kommerzienrat), Simon Pauly (Justizrat) und Tobias Kehrer (Kammersänger) machen aus ihren kleinen Partien stimmlich viel. Von ihnen hätte man gerne mehr gehört. Solide ist Lilit Davtyans Resi. Clemens Bieber (Stroh) und Markus Brück (Notar) mangelt es erheblich an der nötigen Körperstütze ihrer Stimmen. Nadine Secunde hat als Frau des Notars ihre besten Zeiten deutlich hinter sich. Ein Extralob gebührt dem kleinen Elliott Woodruff, der den Sohn Franzl des Ehepaars Storch überzeugend spielt.
Ludwig Steinbach, 13. November 2025
Intermezzo
Richard Strauss
Deutsche Oper Berlin
Inszenierung: Tobias Kratzer
Musikalische Leitung: Sir Donald Runnicles
Orchester der Deutschen Oper Berlin
NAXOS
Best.Nr.: 2.110780
1 DVD