Duisburg: „Beatrice di Tenda“, Vincenzo Bellini

Lieber Opernfreund-Freund,

ein veritables Belcanto-Spektakel ist derzeit in Duisburg zu erleben. Während die konzertante Aufführungsserie im Mai im großen Schwesterhaus ein Stück rheinaufwärts noch von der beherzten Einspringerin Stèpánka Pučálková gerettet wurde, übernahm bei der gestrigen Duisburger Premiere Ensemblemitglied Maria Kataeva die Rolle der intriganten Agnese in Bellinis nahezu nie gezeigter Beatrice di Tenda.

© Jochen Quast

Die Oper erzählt die verbriefte Geschichte von Beatrice Lascaris di Ventimiglia, die 1412 nach dem Tod ihres Ehemannes mit 40 Jahren den seinerzeit halb so alten Herzog von Mailand, Filippo Maria Visconti, heiratete und ihm durch ihren umfangreichen Besitz zu Macht und Wohlstand verholfen hat. Der ließ sie sechs Jahre später unter dem Vorwurf des Ehebruchs mit Michele Orombelli enthaupten. Historisch verbürgt ist ebenfalls der Name Agnese de Maino, von der jedoch nur bekannt ist, dass sie eine Geliebte des Mailänder Herzogs war. Librettist Felice Romani, der Ihnen vielleicht als Schöpfer anderer Bellini-Werke wie La Sonnambula und Norma ein Begriff ist und ebenfalls das Textbuch zu Donizettis Liebestrank verfasst hat, reichert die Geschichte, wie seinerzeit üblich, an: in der Oper ist Agnese selbst in Orombello (so heißt er dann bei Romani) verliebt und spielt Filippo aus Rache Briefe zu, die dieser fehldeutet. Das kommt ihm deshalb zu Pass, weil er seine Gattin ohnehin loswerden will, um frei für Agnese zu sein.

© Jochen Quast

Sängerisch wird allerhand geboten am gestrigen Abend. Stacey Alleaume ist in der Titelrolle schlicht eine Wucht, paart halsbrecherische Koloraturen, die sie mit selten gehörter Leichtigkeit vorträgt, mit der emotionalen Tiefe eines lyrisch-dramatischen Soprans und präsentiert so ein facettenreiches Rollenportrait der unglücklichen Beatrice. Ihre Gegenspielerin Agnese wird von Maria Kataeva mit sattem Mezzo voller Ausdruckskraft und mit einer solchen Intensität verkörpert, dass man eine szenische Umsetzung des Werkes kaum mehr vermisst. Ihr Ensemblekollege Bogdan Baciu lässt als Filippo seinen voluminösen, vor Kraft strotzenden Bariton bis in die letzte Ecke des Duisburger Theaters erschallen, streut aber beispielsweise in dem Moment, in dem Filippo doch noch einmal mit sich ringt, das Todesurteil seiner Frau zu unterschreiben, viel Emotion in seinen farbenreichen Gesang. Ähnliche Variation hätte ich mir auch von Tenor Konu Kim gewünscht, dessen Orombello vergleichsweise eindimensional gerät und den der Koreaner recht undifferenziert im Dauerforte ins Publikum schleudert. Der Engländer Henry Ross komplettiert das Solistenensemble als alter Minister Anichino und als Filippos Vertrauter Rizzardo mit gefühlvollem Tenor.

© Jochen Quast

Beatrice di Tenda ist die vorletzte von Bellinis zehn vollendeten Opern und kam 1833 in Venedig zur Uraufführung. Sie ist von eine von Bellinis rhythmisch raffiniertesten Partituren und die lässt Antonino Fogliani mit einer gekonnten Mischung aus Präzision und Elan erklingen. Bei aller Genauigkeit lässt er den italienischen Esprit keine Sekunde vermissen und man hört genau, wo Giuseppe Verdi die Inspirationen zu seinen frühen Werken (sein Erstling Oberto wurde sechs Jahre später uraufgeführt) gewonnen haben mag: Die Duisburger Philharmoniker polieren diese Belcanto-Perle zu unglaublichem Glanz und lassen sie in tausend Farben strahlen. So machen sie den Abend zusammen mit den Damen und Herren des von Patrick Francis Chestnut betreuten und blendend disponierten Chores nicht nur rund, sondern perfekt. Das Publikum dankt es den Mitwirkenden mit zahlreichen Szenenapplausen und Bravorufen – nicht erst am Ende der Vorstellung.

Ihr
Jochen Rüth

28. Juni 2025


Beatrice di Tenda
Oper von Vincenzo Bellini

konzertante Aufführung
Theater Duisburg

Premiere: 27. Juni 2025

Musikalische Leitung: Antonino Fogliani
Duisburger Philharmoniker

einzige weitere Vorstellung: 6. Juli 2025