Premiere Duisburg: 17.12.2021
Ein Theaterbesuch für die ganze Familie
Kaum ein Ballett ist so unmittelbar mit der Weihnachtszeit verbunden wie „Der Nussknacker“ von Piotr Iljitsch Tschaikowsky. Für die Oper am Rhein hat Ballettdirektor Demis Volpi seine Inszenierung – die mit dem Ballet Vlaanderen im Januar 2016 ihre Uraufführung in der Stadsschouwburg Antwerpen feierte – für einige junge Choreografen und Choreografinnen geöffnet. Diese erarbeiten ausgewählte Szenen, wie z. B. „Die Schlacht der Mäuse“ im ersten Akt oder auch die verschiedenen Divertissements nach der Pause. Geblieben ist aber Volpis gelungene Interpretation einer Coming-of-Age-Story. Hierbei schickt er die heranwachsende Clara auf eine Reise durch ihre eigenen Gedanken, bei der die Vielstimmigkeit des heranwachsenden Geistes auch bildlich dargestellt wird. Die einzelnen neuen Choreografien bringen eine gelungene Abwechslung in dieses Gerüst und alles fügt sich zu einem harmonischen Gesamtbild zusammen. So steht beispielsweise die zeitgenössisch-urbane Tanzsprache der Mäuse, choreografiert von Bahar Gökten und Yeliz Pazar, im Gegensatz zum eher klassischen Cupcake-Tanz von Michael Foster, der mit teilweise pompösen Gewändern Cupcakes anstelle von Rohrflöten tanzen lässt. Sehr schön auch die Idee, dass die Mäuse durch die Kostüme klar erkennbar Claras Familie darstellen, gegen die sich das junge Mädchen behaupten muss. Weitere Choreografien stammen von Wun Sze Chan und Neshama Nashman. Optisch besonders gelungen ist die tanzende Lichterkette von James Nix, bei der die schwarzen Kostüme lediglich mit LED-Leuchten im Kopfbereich versehen sind. Hierdurch entwickelt die Choreografie einen eigenen Reiz. Dies ist alles wunderbar anzuschauen und überfordert auch junge Zuschauer nicht, da die gesamte Inszenierung allgemein sehr kindgerecht angelegt ist.
Die Duisburger Philharmoniker spielen Tschaikowskys Musik unter der musikalischen Leitung von Marie Jacquot absolut solide, ohne nun den ganz großen Glanz zu versprühen. Dennoch ist die Produktion auch musikalisch als gelungen anzusehen. Etwas mehr Glanz geht von den wunderbaren Kostümen und dem gelungen Bühnenbild von Katharina Schlipf aus, zu dem Bonnie Beecher ein passendes Lichtdesign entwickelt hat. Auch hier können die Kinder im Publikum viele Dinge im Detail entdecken.
Tänzerisch bilden Paula Alves als Clara, Rashaen Arts als Drosselmeier und Gustavo Carvalho als Nussknacker ein harmonisches Trio. Das Elternpaar, dargestellt von Feline van Dijken und Damián Torio, wirkt in dieser Produktion teilweise etwas bieder, dafür aber umso herzlicher den Kindern gegenüber. Als Claras Bruder Fritz überzeugt Evan L’Hirondelle neben dem Tanz mit besonders gelungenem Schauspiel. Insgesamt wirken bei dieser Produktion 36 Tänzer und Tänzerinnen mit, die insbesondere in der Schneeflocken-Szene und der Blumen-Szene besonders zur Geltung kommen.
Im Gegensatz zur Nussknacker-Premiere 1892 am Sankt Petersburger Mariinsky Theater bejubelte das anwesende Publikum die Darsteller und das Inszenierungsteam lautstark mit einem langanhaltenden Applaus über mehrere Vorhänge. Hier hat die Deutsche Oper am Rhein einen respektablen Publikumserfolg geschaffen. Beim Schlussapplaus stellt sich nicht unbegründet das Gefühl ein, dass die Duisburger Zuschauer in den vielen Jahren unter Ballettdirektor Martin Schläpfer ein großes, familienfreundliches Handlungsballett regelrecht herbeigesehnt haben. Dieses findet sich nun auf dem Spielplan der Deutschen Oper am Rhein und dieser Nussknacker kann insbesondere – aber nicht nur – Familien wärmstens empfohlen werden.
Markus Lamers, 20.12.2021
Fotos: © Bernhard Weis