Premiere: 05.03.2022,
besuchte Vorstellung: 08.03.2022
Ein Gewitter mit Licht und Schatten
Auch die deutsche Oper am Rhein hatte in den letzten Wochen wie viele Theater im Lande mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu kämpfen. So musste beispielsweise die Premiere von Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ in Düsseldorf verschoben werden. Die Neuinszenierung von Leoš Janáčeks Oper „Katja Kabanova“ konnte dagegen am 05. März 2022 in Duisburg planmäßig stattfinden. Grundlage für diese Oper ist das Schauspiel „Das Gewitter“ von Alexander Nikolajewitsch Ostrowski aus dem Jahr 1859, welches von Janáček 1921 mit Fokus auf die Familie Kabanov komprimiert wurde. Für die Inszenierung konnte mit Tatjana Gürbaca eine derzeit vielgefragte Regisseurin gewonnen werden. Da sie die Handlung in einem eher allgemeinen und abstrakten Bühnenraum ansiedelt und der Ort der Handlung irgendwo im „russische Nirgendwo“, nicht sehr exakt oder gar folkloristisch dargestellt wird, ist die Inszenierung auch in der aktuellen politischen Lage unbedenklich. Zu Beginn prägen zwar noch schöne Bilder der Wolga das Gesamtbild, doch schnell konzentriert sich die Inszenierung auf die Personen und das Familiendrama im Hause Kabanov. Hierbei schafft der Bühnenraum von Henrik Ahr eine abstrakte Enge, bietet aber immerhin einige interessante Möglichkeiten, neue Räume und Perspektiven zu schaffen. Erwähnenswert ist beispielsweise das Gewitter am Beginn des 3. Aktes. Dennoch ist das Bühnenbild leider nicht mehr als ein Beiwerk.
Mehr Wert legt Gürbaca auf die Figuren. Katja, Gattin von Tichon, leidet sehr unter den Bosheiten ihrer Schwiegermutter Kabanicha, die in Katja eher eine Gegenspielerin in der Gunst ihres Sohnes sieht. Dieser wagt zu keinem Zeitpunkt der Mutter zu widersprechen und lässt sich von ihr auf eine Geschäftsreise schicken, obwohl Katja ihn anfleht nicht zu fahren. Einsam und verlassen lässt sich Katja auf eine Affäre mit Boris ein. Unterstützung findet Katja hier bei Varvara, Pflegetochter im Hause Kabanov, die ihrerseits eine Liebschaft mit dem Lehrer Wanja Kudrjasch verbindet. Nachdem Tichon von der Reise zurückkehrt, gesteht Kaja ihm die Liebschaft und begeht Selbstmord in der Wolga. Ob dieses nun wirklich das Verhalten einer selbstbestimmten starken Frau ist oder doch eher ein feiger Ausweg, soll an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden. Allgemein wirken einige Bilder in der Inszenierung nicht immer sehr glücklich gewählt und sorgen für einen etwas getrübten Opernabend. Wenn dann in der Schlussszene Katjas dramatischer Monolog in einer Art Endlosschleife stattfindet, in der alle Familienangehörigen ständig die gleichen Handlungsabläufe vollführen, fragt man sich als Zuschauer irgendwann doch, wann dies endlich aufhört anstatt den Gesang auf sich wirken zu lassen. Auch wenn Katja hierbei immer wieder einige Kleinigkeiten anstößt oder verändert, wirkt diese Szene relativ ermüdend.
Gefallen kann dagegen die musikalische Seite der Produktion. Unter der Leitung von Axel Kober spielen die Duisburger Philharmoniker druckvoll und lassen die teilweise sehr düstere Partitur Janáčeks stets akkurat erklingen, ohne hierbei die Sänger zu überlagern. Auch die Gesangspartien sind durch die Bank hervorragend besetzt. Sylvia Hamvasi überzeugt mit ihrem schönen lyrischen Sopran in der Titelrolle, ihr zur Seite steht mit Anna Harvey als Pflegetochter Varvara eine junge Mezzosopranistin, die mit der jugendlichen Leichtigkeit dieser Rolle perfekt spielt und gesanglich zum Star des Abends avanciert. Den Gegenpol bildet die strenge Schwiegermutter Kabanicha, die Eva Urbanová mit großer Präsenz verkörpert. Auch die Männerrollen sind mit Matthias Klink (Tichon), Daniel Frank (Boris), Cornel Frey (Wanja) und Sami Luttinen (Boris Onkel Sawjol Dikoj) stark besetzt, allerdings bleiben diese Rollen in der Inszenierung leider oft zu blass. Noch schlimmer traf es Roman Hoza als Wanjas Freund Kuligin, der einfach nur zweimal da war.
Und am Ende müssen wir dann doch auch bei dieser Produktion nochmal kurz auf das Thema Erkrankungen zu sprechen kommen. Leider konnte eine Darstellerin kurzfristig nicht antreten, so dass Ekaterina Aleksandrova kurzerhand statt einer gleich die beiden Dienstbotinnen Glascha und Fekluscha gesanglich übernehmen musste. Dargestellt wurde eine Rolle szenisch hierbei von der Regieassistentin. Nach rund 1 ¾ Stunde (ohne Pause) gab es für die Darsteller und das Orchester großen Beifall.
Markus Lamers, 11.03.2022
Bilder: © Sandra Then-Friedrich