Berlin: „Fedora“, Umberto Giordano

Fedora zum ersten Mal in Berlin

Einen gemeinsamen Schöpfer haben Tosca und Fedora, den französischen Schriftsteller Victorien Sardou, beide hob die berühmte Sarah Bernhardt aus der Taufe, auch den Suizid üben beide aus, und gleichermaßen groß war der Erfolg der Uraufführungen, der auf der Dichtung des Franzosen beruhenden Opern. Danach gehen die Schicksale der beiden Damen auseinander. Tosca wird und ist immer noch eine der erfolgreichsten Opern überhaupt, Fedora bleibt ein selbst in Italien selten zu erlebendes Werk. Neben vielen anderen Gründen wie dem des Maßes an Sympathie, das die Titelheldin für sich beanspruchen kann, ist sicherlich die Schwierigkeit der Rolle zu sehen, die sie für einige der eigentlich dafür prädestinierten Diven unattraktiv machte. Die Tessitura ist für Sopran wie Mezzosoprane gleich schwierig zu bewältigen, unklar ist das „dove appoggiare l’emissione“. Deshalb auch hielt und hält man die Partie für eine zwar für Soprane (aber auch Agnes Baltsa sang sie), jedoch eher für diejenigen, „che cantano pìù coi nervi che con la voce“. Magda Olivero war eine berühmte Fedora dieser Art, mal mit Del Monaco, mal mit Di Stefano, aber auch Callas sang sie mit Corelli an der Scala, und Tebaldi ist sogar doppelt auf Tonträgern überliefert wie auch später Eva Marton unter Giuseppe Patané.

© Bettina Stöß

Im ersten Akt der in Berlin wie zuvor in Stockholm und Frankfurt ohne Pause durchgespielten Oper muss in Petersburg die russische Fürstin Fedora am Tag vor ihrer Hochzeit erleben, dass ihr Verlobter durch einen Schuss stirbt, im zweiten Akt gelingt es ihr in Paris, den Mörder ausfindig zu machen und der Geheimpolizei seine Identität mitzuteilen. Da sie sich aber in ihn verliebt hat, versteckt sie ihn, und man befindet sich im dritten Akt als glückliches Paar in der Schweiz. Weil jedoch die russische Polizei den Bruder ihres Geliebten ermordet hat und seine Mutter darüber aus Gram gestorben ist, setzt Fedora reumütig ihrem Leben ein Ende. Das Libretto endet mit dem Liedchen des Savoyaren, doch davor gibt es zumindest im Libretto eine letzte Umarmung zwischen Loris und der sterbenden Fedora, die noch hören darf: „Son qui, vicino a te…(con anima) per darti il mio perdono.“ Da macht es Christof Loy einmal mehr schlimmer, als es in veristischen Opern sowieso bereits ist.

© Bettina Stöß

Trotz der auch musikalisch eindeutig drei unterschiedlichen Orten zugehörigen drei Akte lässt er das Stück in einem Einheitsbühnenbild spielen, verweisen die Kostüme in eine Zeit längst nach der zaristischen Herrschaft. Das ermöglicht allerdings eine Aufführung ohne Pausen. Kühl und kostbar wirkt die Optik von Herbert Murauer wie oft bei diesem Regisseur und für Fedora durchaus passend. Vier Stühle und ein Tisch sind das spärliche Mobiliar in einem Raum mit edler Tapete, in der Rückwand befindet sich ein güldener Bilderrahmen, in dem im ersten Akt durch Film-Großaufnahmen der Seelenzustand Fedoras verdeutlicht wird, im zweiten und dritten der Blick freigegeben wird auf ein Musikzimmer bzw. in eine Art Schweizer Chalet. Die Kostüme sind kleidsam für die Damen, dabei Russisches andeutend.

© Bettina Stöß

Fedora braucht, um zur verdienten Wirkung zu gelangen, Stars zumindest für das Edle Paar, und die Deutsche Oper hat sie mit Vida Miknevičiūté und Jonathan Tetelman aufgeboten. Die litauische Sopranistin ist auch eine gute Sieglinde, und so erklärt sich, dass sie die Tessitura der Fedora nicht zu fürchten hat. Dem Sopran steht eine Vielzahl von Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung, er ist von angenehmer Wärme und Rundung, zu vielerlei Schattierungen fähig und klingt auch bei den großen Ausbrüchen unangestrengt. Sehr deutlich vollzieht sie auch die Entwicklung von der „Eisprinzessin“, als die Loy sie zu Beginn sieht, zur selbstlos liebenden Frau. Tetelman ist ein optisch attraktiver Loris, der mit „Amor ti vieta“ den ersten Applaus dieses Abends herausfordert. Leider bevorzugt er fast durchgehend einen canto a squarciagola anstelle eines canto elegiaco, der dem Loris viel besser anstehen würde und auch verhindert hätte, dass das Timbre bereits Einbußen erlitten hat. Julia Muzychenko ist eine Olga wie aus dem Lehrbuch für Soubretten entsprungen: spritzig, kapriziös und mit kristallklarem Sopran begabt. Ihr Verehrer Siriex ist etwa behäbig, aber mit dem sonoren Bariton von Navasard Hakobyan sehr gut ausgestattet. Tobias Kehrer hat einen so Vertrauen und Behaglichkeit vermittelnden schwarzen Bass, das man ihm den bösen Polizeioffizier Gretch gar nicht abnehmen möchte. Einen Bariton von schöner Farbe und Geschmeidigkeit setzt Artur Garbas für den Kutscher Cirillo ein. Tapfer singt Francois Bader sein Schweizer Liedchen und begleitet damit Fedora in den Tod. Viele weitere wackere Sänger tragen das Ihre zum Erfolg des Abends bei und bescheren der Deutschen Oper einen schönen, repertoiretauglichen Erfolg, allerdings daran gebunden, dass der Sopran verfügbar bleibt, denn sonst klappt es mit den Videoaufnahmen nicht mehr.

© Bettina Stöß

Thomas Richter ist der bewährte Chorleiter, John Fiore am Dirigentenpult zwar mit viel Italianità, aber auch manchmal mit zu großer Lautstärke aufwartend, so dass mancher Exzess des Tenors auf den Wettkampf mit dem Orchester zurückzuführen sein könnte.

Es ist schön, dass die Deutsche Oper nach Tristan nun noch einen Premierenerfolg feiern kann, so dass das Publikum weiteren Vorstellungen mit Alternativbesetzung mit Spannung entgegen sehen kann.

Das Haus hat sich in den letzten Jahren sehr verdient um die Oper der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts und kurz davor gemacht. Andrea Chenier und Fedora gleichzeitig auf dem Spielplan zu haben, ist allein bereits bemerkenswert. Allerdings gibt es durchaus noch weitere Opern Giordanos zu entdecken, so die trotz des lustigen Titels ebenfalls sehr blutige Cena delle beffe aus dem Florenz der Medici und die trotz der Ansiedlung im napoleonischen Zeitalter fast ganz unblutige Madame San-Gȇne.

Ingrid Wanja, 27. November 2025


Fedora
Umberto Giordano

Deutsche Oper Berlin

Premiere am 27. November 2025

Regie: Christof Loy
Musikalische Leitung: John Fiore
Orchester der Deutschen Oper Berlin