Rusalka ist zweifellos die erfolgreichste Oper des tschechischen Komponisten Antonín Dvořák. Sie entstand im Jahr 1900 und wurde am 31. März 1901 am Prager Nationaltheater uraufgeführt. Das Libretto von Jaroslav Kvapil basiert vor allem auf slawischen Volksmythen, ähnelt aber in weiten Teilen dem bekannten Märchen Die kleine Meerjungfrau von Hans Christian Andersen, das von Walt Disney unter dem Titel Arielle – Die Meerjungfrau erfolgreich verfilmt wurde: Eine Nixe verliebt sich in einen Prinzen und will für ihn ihre Welt verlassen. Sie sucht Hilfe bei einer Hexe, doch der Preis für ihre Verwandlung zum Menschen ist der Verlust ihrer Stimme. In der Menschenwelt ist Rusalka als stimmloses Wesen jedoch nur eine merkwürdige Erscheinung, die von allen weggestoßen wird. Und in diesem Punkt unterscheidet sich Rusalka dann doch sehr von dem Märchen mit fröhlichem Happy End, welches der Titelheldin in der Oper verwehrt bleibt.

Vasily Barkhatov, der zuletzt mit Richard Wagners Der fliegende Holländer an der Deutschen Oper am Rhein eine sehenswerte Regie geführt hat, will mit seiner Inszenierung der Rusalka vor allem die Geschichte hinter dem Märchen erzählen. Die Geschichte handelt von einer Person, die in unserer Zeit quasi zwischen zwei verschiedenen Welten steckt und schlussendlich in keiner davon glücklich sein kann. Dafür wählt er ein von der Außenwelt abgeschottetes Kloster, in das Rusalka als kleines Mädchen gebracht wurde. Folglich hat sie keine Ahnung, wie sie sich in der Welt „draußen“ verhalten soll; sie ist allein dadurch schon unbeholfen und sprachlos. Hinzu kommt, dass sie neben fehlenden sozialen Kontakten auch in einer Welt mit strengen Regeln und Bestrafungen aufwuchs, aus der sie sich mit ihren Träumen befreien möchte. Sie sehnt sich nach einer Familie und einem Prinzen, der sie aus dem Kloster rettet. Außerhalb des Klosters trifft sie auf einen Mann auf einem Motorrad und sieht in ihm ihren „Prinzen“. Dieser arbeitet in einer Kneipe als Barkeeper, in der gerade Karneval gefeiert wird. Eine Welt, die im kompletten Gegensatz zu dem steht, was Rusalka kennt. Diese Deutung gelingt vor allem im ersten und zweiten Akt vor der Pause sehr gut.

Passend hierzu hat Christian Schmidt eine große Drehbühne entworfen. Auf der einen Seite wird die Klosterkapelle dargestellt, mit einem großen Taufbecken als zentrales Bühnenelement. Auf der anderen Seite befindet sich die etwas heruntergekommene Bar. Die Räume dazwischen werden immer wieder für weitere Örtlichkeiten genutzt, sodass durch eine geschickte Drehung der Bühne sogar sehr gut auf einander abgestimmte parallele Handlungsstränge erzählt werden können. Im dritten Akt wird auf diese Art zudem eindrucksvoll eine Zwischenwelt dargestellt, in die sich Rusalka nun ganz in Gedanken versunken zurückzieht. Auch wenn es am Ende des Premierenabends nach rund 3 ½ Stunden – Achtung, Bahnfahrer: Auf einigen Flyern ist noch von 2 ¾ Stunden die Rede – von einem Teil des Publikums einige, dafür umso lautere Buh-Rufe gab, geht das Regiekonzept insbesondere vor der Pause doch einigermaßen auf. Im dritten Akt gleitet die Inszenierung leider mehr und mehr in eine recht ideenlose Gedankenwelt Rusalkas ab, sodass auch das Finale etwas verpufft.

Musikalisch ist die Rusalka-Aufführung in Düsseldorf dagegen uneingeschränkt zu empfehlen. Die Düsseldorfer Symphoniker unter der musikalischen Leitung von Harry Ogg spielen Dvořáks Komposition mit der richtigen Stärke, ohne die Sänger zu überlagern. Als Rusalka überzeugt die amerikanische Sopranistin Nicole Chevalier bei ihrem Haus- und Rollendebüt auf ganzer Linie. Über die gesamten dreieinhalb Stunden hinweg ist man von ihrer Rollenauslegung gefesselt. Dazu sitzt jeder Ton perfekt, was sowohl emotional als auch musikalisch ergreifend ist. Etwas blass bleibt dagegen ihr auserwählter Prinz. Giorgi Sturua muss hier eine unglücklich unsympathische Rolle verkörpern. Da hilft ihm sein kraftvoller Tenor auch nur bedingt, wenn er als halbtrunkener Karnevalsprinz der fremden Fürstin (Sarah Ferede) nachsteigen muss. Sehr stark sind die hauseigenen Besetzungen des Oberpriesters des Ordens, genannt Wassermann, mit Luke Stroker, sowie der strengen Oberschwester Ježibaba (tschechisch für böse Hexe) mit Anna Harvey. Auch die drei Nymphen Mara Guseynova, Elisabeth Freyhoff und Katya Semenisty sind stark besetzt. Während die Rollen des Wildhüters (Jorge Espino) und des Küchenjungen (Kimberley Boettger-Soller) mit entsprechendem Karnevalskostüm noch nachvollziehbar sind, bleibt die Rolle des Jägers (Henry Ross) etwas seltsam. Immer wieder erscheint er Rusalka in ihren Träumen als wahrer Märchenprinz und stellt somit optisch genau das Gegenteil von dem dar, was schließlich der Barkeeper und Karnevalsprinz verkörpert.

Abschließend sind noch die Kostüme von Kirsten Dephoff zu nennen, die sowohl die Kloster- als auch die Karnevalswelt passend ausgestattet hat. Besonders rührend ist Rusalka, die als kleines Mädchen mit einem rosa T-Shirt mit dem Aufdruck einer Seejungfrau und einem dazu passenden Plüschtier ins Kloster gebracht wird. Später zwängt sich die erwachsene Frau in eben diese Kleidung aus Kindertagen. Auch wenn Rusalka vielleicht nicht der ganz große Abschluss der Spielzeit ist – die Oper ist übrigens eine Koproduktion mit der Oper Graz – so ist es dennoch eine sehr ansehnliche Inszenierung, die auch musikalisch vollkommen überzeugen kann. Zudem hat Vasily Barkhatov sehr nah an der Melodie inszeniert, sodass zahlreiche Momente entstanden sind, in denen Bewegung und Musik exakt aufeinander abgestimmt sind. Das sieht man in dieser Perfektion auch nicht alle Tage.
Markus Lamers, 17. Juni 2025
Rusalka
Lyrisches Märchen in drei Akten von Antonín Dvořák
Deutsche Oper am Rhein – Opernhaus Düsseldorf
Premiere: 15. Juni 2025
Inszenierung: Vasily Barkhatov
Musikalische Leitung: Harry Ogg
Düsseldorfer Symphoniker
Weitere Aufführungen: 18. Juni, 21. Juni, 29. Juni, 1. Juli, 4. Juli, 8. Juli und 11. Juli