Premiere: 06.10.2017, besuchte Vorstellung: 22.10.2017
Die inserierte Braut: Rossini-Rarität mit Smartphone
Lieber Opernfreund-Freund,
das Alleetheater in Hamburg macht es sich seit Jahren zum Verdienst, ihrem Publikum echte Opernraritäten in oft eigenen Kammermusikversionen zu präsentieren. In dieser Spielzeit haben die Trüffelsucher von der Max-Breuer-Allee Rossinis Opera buffa „La Gazzetta“ ausgegraben und zeigen sie vier Mal pro Woche mit sieben Sängern und nur fünf Musikern.
Seit dieser Saison unter neuer Leitung, greift man bei der Bearbeitung auf eine bewährte Kraft zurück. Barbara Hass hat als Ehefrau des langährigen Betreibers Uwe Deeken schon viele, viele Opernlibretti behutsam für das kleine Haus angepasst und zieht die Story, die auf einer Vorlage von Carlo Gordoni beruht und eigentlich im Paris des 18. Jahrhunderts spielt, gekonnt ins Hier und Jetzt. Don Pompione möchte seine Tochter Lisetta verheiraten und gleichzeitig seine eigene Prominenz steigern. Deshalb sucht er per Zeitungsannonce einen Schwiegersohn, doch das Töchterchen hat sich längst in den Hotelier Philipe verliebt. Zur selben Zeit sucht Alberto in der Stadt der Liebe nach der passenden Frau, wird auf das Inserat aufmerksam und lernt im Hotel Doralice kennen, die er für die „inserierte Braut“ hält. Nach zahlreichen Verwechslungen geben sich die Väter der Umworbenen der Liebe geschlagen, willigen in die Hochzeiten ein und das Happy End ist perfekt.
An der Hamburger Kammeroper nun wird im 21. Jahrhundert inseriert, Smartphone, Tablet und Datingportale sind so allgegenwärtig wie Facebook und Twitter. Das Produktionsteam um Alfonso Romero Mora hat ganze Abreit geleistet und präsentiert mit dieser flotten musikalischen Komödie einen gelungen Mix zwischen seriöser Oper und unterhaltsamem Boulevardtheater. Da wird es mitunter schon recht klamaukig, was dem Werk aber nicht schadet. Lediglich der Maskenball ist von der Regie ein wenig arg konfus umgesetzt und nimmt der Szene so ihre Wirkung. Die Bühne wurde von Lisa Überbacher äußerst wandelbar und mit einem Augenzwinkern gestaltet, im Nu werden da aus der Hotelhalle zwei Zimmer und Rodins Denker thront als überlebensgroße Statue am Bühnenrand – und liest in seinem Smartphone. Dazu hat Rossini, wie gewohnt, leicht klingende (aber verteufelt schwere) Musik erschaffen. Das Werk, zwischen „Barbier“ und „Cenerentola“ entstanden, ist durchzogen von eingängigen Melodien mit ohrwurmcharakter, die einem, wie so oft beim Meister aus Pesaro, zum Teil aus anderen Werken bekannt vorkommen.
Und anständig musiziert wird das obendrein: Marius Adam legt mit honorigem Bariton den Don Pompino als selbstverliebten Gockel an, Cecilia Rodriguez-Morán gibt das verzogene Töchterchen launisch und überdeht und zeigt dabei die unglaubliche Geläufigkeit ihrer Nachtigallenstimme. Der junge Ljuban Živanović verfügt über eine feine Höhe und eine facettenreiche Stimme und ist so ein ausdrucksstarker und präsenter Alberto voller komödiantischem Talent. Robert Elibay-Hartog ist ein gefühlsgeladener Philipe, erreicht aber vor allem in den Parlando-Passagen nicht das Niveau seiner Kollegen. Natascha Dwulecki als bezaubernde Doralice, Titus Witt als geldgeiler Anselmo und die hinreißende F eline Knabe als Madame La Rose komplettieren das spielfreudige Ensemble. Die Handvoll Musiker unter der Leitung von Ettore Prandi, der auch für die gelungene musikalische Bearbeitung verantwortlich zeichnet, schlagen sich wacker, hier große Oper ganz klein zu realisieren. Über weite Teile legen sie den verspielten Charakter von Rossinis Werk gekonnt frei; dass man – wenn jedes Instrument nur einfach besetzt ist – jeden Wackler hört, macht auch den besonderen Reiz der Kammermusikversion aus.
Alles in allem zeigt die Kammeroper mit dem für sie typischen, besonderen Charme eine originelle Version dieser Rossini-Rarität. Zudem bietet das Alleetheater einen Ausweg aus dem Dilemma, wann man an einem Opernabend am besten isst: Wer es nicht beim Musikgenuss bewenden lassen will, hat die Möglichkeit, vor, zwischen und nach der Vorstellung ein auf das Werk abgestimmtes Opernmenue in vier Gängen zu sich zu nehmen.
Jochen Rüth 23.10.2017
Die Fotos stammen von Dr. Joachim Flügel.