Halberstadt: „Die Walküre“, Richard Wagner

Das für das kleine Harztheater nun gewaltige Projekt Der Ring des Nibelungen wird nach dem Rheingold im März 2024 in dieser Spielzeit mitder Walküre fortgesetzt. Man war doch sehr gespannt, wie das Theater die großen Anforderungen erfüllen würde. Auffällig war, dass in den Hauptpartien mit Peggy Steiner als Brünnhilde nur ein Gast auftrat, die anderen aus dem Haus besetzt waren; lediglich bei den Walküren gab es weitere Gäste, teilweise frühere Mitglieder des Opernensembles – eine tolle Gesamtleistung. Dass die Walküre  quasi eine Fortsetzung des Rheingold ist, wurde insofern auch im Bühnenbild (Ausstattung:TomGrasshof) deutlich, wenn im 2.Akt im Hintergrund das Friedrich-Barbarossa-Denkmal am Kyffhäuser (im Rheingold Wotans Burg Walhalla) erscheintund Wotan mit dem großen goldenen Tuch hantiert, das im Vorspiel das Rheingold in Gestalt von acht jungen Frauen im goldenen Ganzkörperanzug verdeckt hatte. Im Übrigen wurde mit wenigen Abwandlungen das gerade für kleinere Bühnen sehr praktische Einheitsbühnenbild aus Rheingold verwendet, das mit vier Türen mehrere Auftrittsmöglichkeiten hatte. Die Kostüme waren eher zeitlos, wenn man vom Wälsungen-Paar absieht, das Uniformen aus den Freiheitskriegen vom Anfang des 19. Jahrhunderts trug; einleuchtend war das nicht, zumal bei Sieglinde nur zeitlich passend am unteren Rücken eine Art Tournüre befestigt war, die wie graue Schwanzfedern eines Pfaus wirkte.

© Ray Behringer

Die Personenregie des Chefdramaturgen und Hausregisseurs Marco Misgaiski war wieder durchweg überzeugend und in Einzelheiten sehr einleuchtend, so beispielsweise im 2.Akt die vielschichtige Mimik der Protagonisten im Duett Wotan/Fricka oder im langen Monolog Wotans. Dass das Schwert Nothung nicht in einem der kahlen Baumstämme in Hundings Haus steckte, sondern von Wotan während Sieglindes Erzählung in die Tischplatte gerammt wurde, war eine effektvolle Abweichung vom Libretto. Die durchweg ausgezeichnete Textverständlichkeit aller Sängerinnen und Sänger trug im Übrigen ganz wesentlich zum Verständnis des Geschehens bei.

Musikalisch hatte die besuchte Vorstellung erstaunlich hohes Niveau, was wohl auch daran lag, dass man die bläserreduzierte Fassung von Alfons Abbass spielte – ein Vorteil für die mit etwas über dreißig Planstellen doch recht klein besetzten Harzer Sinfoniker. Mit präziser Zeichengebung sorgte Intendant MD Johannes Rieger am Pult der in allen Gruppen gut disponierten Sinfoniker souverän für ausgesprochen sängerfreundlichen Gesamtklang.

© Ray Behringer

Ein fulminantes Rollendebüt feiert in dieser Saison Peggy Steiner als Brünnhilde, die sie mit glaubhafter Darstellung und ihrem in allen Lagen volltimbrierten Sopransicher ausfüllte, zeitweise geradezu aufjubelnd bis in die exponierten Höhen hinein. In der Partie des Göttervaters Wotan glänzte das erfahrene, langjährige Ensemble-Mitglied Juha Koskela. Er gab keinen herrschsüchtigen Göttervater, sondern zeichnete ihn eher zurückhaltend und nachdenklich. Der finnische Sänger gefiel wieder mit seinem abgerundeten Bariton und vorbildlicher Diktion; anrührend gelang Wotans Abschied mit dem abschließenden Feuerring um Brünnhilde, als man gegenüber den vorangehenden, meist eher nüchternen Szenen einigen Theaterzauber in flackerndem Licht erleben konnte. Obwohl Jessey-Joy Spronk als Sieglinde anfangs als „stark erkältet“ angesagt war, ließ die bisher meist im lyrisch-dramatischen Fach auftretende Sängerin einen kräftigen, intonationsreinen und mit sicheren Höhen ausgestatteten Sopran hören. 

© Ray Behringer

Ihr Siegmund war Max An, der mit einigen tenoralen Glanzpunkte und mächtigen, lange ausgehaltenen „Wälse-Rufen“ imponierte. Wieder überzeugte als elegante Fricka Regina Pätzer, die mit ihrem charaktervollen, ausdrucksstarken Mezzo auch als Waltraute punktete. Ein darstellerischer Höhepunkt des Abends war Frickas Auseinandersetzung mit Wotan, beobachtet von Brünnhilde. Hundingwar Samuel Berlad, dessen etwasrauer Bass-Bariton nicht so finster klang, wie man es sonst gewohnt ist. Mit jeweils individueller Gestaltunggefielen Marie-Pierre Roy, Runette Botha, Bénédicte Hilbert, Regina Pätzer, Mia Dongmi Ju, Bettina Pierags, Stephanie Goodwin und KS Gerlind Schröder als erfreulich klangausgewogene Walküren.

Das Publikum im gut besuchten Haus war begeistert und belohnte alle Mitwirkende mit starkem, langanhaltendem Beifall.

Gerhard Eckels, 24. November 2025


Die Walküre
Richard Wagner
Harztheater Halberstadt/Quedlinburg

Premiere am 1. November 2025
Besuchte Vorstellung in Halberstadt am 23. November 2025

Inszenierung: Marco Misgaiski
Musikalische Leitung: Johannes Rieger
Harzer Sinfoniker

Weitere Vorstellungen: 20. Dezember 2025, 15. Februar 2026 (Halberstadt) + 25. Januar 2026 (Quedlinburg)