Neuer Chefdirigent des WDR Sinfonieorchesters
Eine zeitbegrenzte Tätigkeit in künstlerischen Spitzenpositionen ist normal, auch bei Dirigenten. Willem Mengelberg (Concertgebouw Orkest) und Eugene Ormandy (Philadelphia Orchestra) gehören zu den seltenen Ausnahmen; eine besonders stimmige Kommunikation mit den Musikern mag ausschlaggebend gewesen sein. Aber es liegt in der Natur der Sache, dass gegenseitige künstlerische Befruchtung von regelmäßigem personalen Wechsel profitiert. Was beim WDR Sinfonieorchester den noch amtierenden Jukka-Pekka Saraste betrifft, so ist er seit neun Jahren Cheftätigkeit weit über die übliche Zeit hinaus beim WDR tätig. Ohne sich zu spezialisieren hat er seine sinfonischen Programme durch die Berücksichtigung finnischer Komponisten (vor allem Jean Sibelius) nachhaltig geprägt, was nachvollziehbar ist. Ohne dass dabei von abstumpfender Übersättigung gesprochen werden könnte, dürfte das Orchester nun aber doch neugierig auf eine veränderte Farbgebung im Repertoire sein.
Bei Sarastes Nachfolger, dem Rumänen Cristian Macelaru, stellt sich verständlicherweise die Frage, ob er Komponisten seines Landes (etwa Georges Enescu) besonders favorisieren wird. Aber da winkt der 38jährige Maestro ab: „I like to conduct everything“, lässt er bei der offiziellen Pressekonferenz wissen. Und gerade das breite Spektrum seiner musikalischer Neigungen lassen ihn als Leiter eines Rundfunkorchesters besonders geeignet erscheinen, welches in auf Ausgewogenheit und Breitenwirkung seines Wirkens zu achten hat.
Im übrigen ist es so, dass Cristian Macelaru seine musikalische Grundausbildung zwar in seinem Heimatland erhielt (gut präpariert durch instrumentalen Unterricht innerhalb der Familie, was auch für seine neun Geschwister gilt). Die Übersiedlung in die USA förderte und festigte dann Macelarus künstlerische Vielseitigkeit. Begonnen hatte er seine musikalische Karriere als Geiger (bereits mit 19 Jahren Auftritt in der Carnegie Hall); wichtige Stationen danach waren Konzertmeisterstellen in Miami und Houston. Im Opernhaus der letztgenannten Stadt debütierte er als Dirigent mit Puccinis „Madame Butterfly“. In der Folge stand Macelaru an den Pulten fast aller großen amerikanischen Orchester. Auch in Europa gastierte er erfolgreich.
Das WDR Sinfonieorchester dirigierte Cristian Macelaru erstmals im Februar 2017; es folgten zwei weitere Auftritte (bei einem war er Einspringer für Alan Gilbert). Die gebotenen Werke (u.a. Mozart, Tschaikowsky, Mahler, Strawinsky und Avner Dorman) bewiesen seine breite stilistische Kompetenz. Obwohl sich der Dirigent über seine künftigen Werkschwerpunkte zurückhaltend äußert, darf doch davon ausgegangen werden, dass das Spektrum ein großes ein wird. Und man würde es ihm sicher danken, wenn er dabei das Musikland Rumänien nicht außer Acht lassen würde.
Von den WDR-Musikern wird berichtet, dass sie die bisherige Zusammenarbeit mit Cristian Macelaru begeistert genossen hätten. Vielleicht war alles tatsächlich Liebe auf den ersten Blick bzw. den ersten Ton. Auf jeden Fall wurde in besonderer Weise der „kooperative Stil“ des jungen Dirigenten registriert, welcher sich in ausführlichen Gesprächen mit dem Hauptabteilungsleiter Musik beim WDR, Christoph Stahl, und dem Orchestermanager Siegwald Bütow bestätigte. Das Engagement Macelarus gilt zunächst für drei Jahre.
Zu den besonderen Erwartungen, welche an Cristian Macelaru gestellt werden, gehört eine publikumsnahe Vermittlung von Musik, wozu auch und in besonderer Weise die Öffnung für digitale Techniken gehört, wie von der Hörfunkdirektorin Valerie Weber unterstrichen („Aufgabe des neuen Jahrzehnts“). Das rezeptionelle Verhalten des Publikums hat sich nun mal verändert, darauf gilt es einzugehen, gerade für eine weit ausstrahlende Sendeanstalt. Regional gestreute Konzerttätigkeit soll diese Ambitionen ergänzen.
Bilder (c) WDR
Christoph Zimmermann 3.5.2018