Kontrapunkt: „Causa Brüggemann: Was Genaues weiß man nicht“

© Der Opernfreund / Peter Klier

Einer meiner Lieblingssprüche von Wilhelm Busch lautet: Ideen sind nicht stets parat, man schreibt auch, wenn man keine hat. Der Journalist kann das paraphrasieren: Informationen sind nicht stets parat, man schreibt auch, wenn man keine hat.

Das nebulöse Schreiben und Diskutieren etwa über die Regierungsfindung bei uns in Österreich, wo die beteiligten Herrschaften der drei Parteien, statt etwas Substanzielles auszusagen, immer nur die abgegriffensten Floskeln drehen und wenden, ist ein Beispiel dafür. Was soll man sagen, wenn man nichts weiß (und trotzdem reden oder schreiben muss)? Oder wenn diffuse Begriffe ohne Erklärung in die Welt geworfen werden. Leute, bitte, was versteht ihr unter „Leuchtturm-Projekt“?

Andere Institutionen hüllen sich in geheimnisvolle Schweigebote (das ist natürlich immer schlecht, weil sofort der Verdacht hochkommt, da sei etwas nicht koscher). Die Salzburger Festspiele sind in dieser Hinsicht gleich doppelter Meister (doppelt, wie das „sehr, sehr gute“ Programm, mit dem sich der Intendant selbst lobt). Man hat an den Fällen Daviydova und Brüggemann zu kiefeln – und alle (notabene auch ich) schreiben darüber, obwohl der alte Spruch greift: „Was Genaues weiß man nicht.“

Aber genau das soll mein Thema sein.

Man weiß den wahren Grund nicht, warum Frau Daviydova gekündigt wurde. Nun nimmt sie – scheinbar, nur scheinbar! – Stellung, indem sie auf Facebook die Chronik ihrer Entlassung darstellt. Rüde, wie die Herrschaften mit ihr umgegangen sind – und vor allem (ist das gesetzeskonform?) wurde sie mit der Tatsache, dass sie hier nicht mehr arbeite, aus heiterem Himmel, ohne Vorwarnung und vor allem ohne Begründung konfrontiert.

Seither ist etwas Zeit vergangen, Anwälte sind auf beiden Seiten befasst, es ist zu einer Einigung gekommen, aber zu welcher? Offenbar hat man den finanziellen Handshake an Frau Davydova an die Bedingung geknüpft, dass sie in alle Ewigkeit nichts über die Hintergründe der Sache verlauten lassen darf.

Wo sind wir eigentlich? Da geht es um von Steuergeld finanzierte Institutionen, und sie verweigern jegliche Transparenz, verstecken sich unter Vorwänden, die löchriger sind als Emmentaler Käse, und sagen nicht, was wirklich los ist, wer sich wessen schuldig gemacht hat – denn sonst ist ja eine Kündigung vermutlich von Gesetzes wegen nicht möglich (die berühmten „silbernen Löffel“, die man gestohlen haben müsste). Ein reiner Willkürakt der Direktion? Das darf sicher nicht sein. Also müsste Herr Hinterhäuser, müssten alle in Salzburg Verantwortlichen, geradezu Interesse daran haben zu sagen, was Sache ist. Mitnichten. Ärgerliche Geheimnistuerei.

Ähnlich liegt der Fall Brüggemann. Menschen, die schon etwas älter sind so wie ich und länger mit dem Schilling gelebt haben als mit dem Euro, wissen noch, dass 70.000 Euro einst eine Million Schilling waren. Ein Klagewert dieser Höhe ist also kein „Lercherlschaas“, wie man in Wien gelegentlich sagt. Und auch noch 30.000 Euro für einen weiteren Streitwert. So eine Summe kann ein Politiker mit seinem schönen Gehalt wegstecken, ein Normalmensch sicher nicht. Aber ist Herr Brüggemann, der in der Klassik-Welt so unendlich viel Wirbel macht (man erinnert sich, wie er gegen Netrebko und Currentzis gehetzt hat), ein normaler Mensch?

Er betrachtet sich offenbar als Journalist mit großem Einfluss, und dass er zumindest gelesen wird, ist klar – sonst hätte Intendant Markus Hinterhäuser nicht dermaßen „au“ geschrien. Bloß – weder er noch Brüggemann sagen, worin die Behauptungen bestehen, die beanstandet werden.

Was soll die Öffentlichkeit nun mit einem Streit anfangen, wo man nicht Partei beziehen kann, weil man nicht weiß, worum es geht? Keine Seite sagt es – waren es böswillige, untergriffige Verleumdungen oder waren es scharf formulierte Wahrheiten? Sicher stößt Hinterhäuser beides gleich sauer auf. Und ein Mann, der eine Institution hinter sich hat und sich über Anwaltskosten nicht den Kopf zerbrechen muss, kann gut und gern versichern, einen Gegner finanziell zu ruinieren…

Aber warum schweigt Brüggemann, sobald es um Fakten geht, die nachgefragt werden? Hat er etwas zu verbergen? Hat er die rote Linie zwischen kritischem und fundiertem Journalismus oder Gegeifer aus persönlicher Ranküne überschritten? Wenn er ein gutes Gewissen hat, warum sagt er nicht, worin die beanstandeten Formulierungen bestehen? (Ich nehme nicht an, dass man, wenn man in seinem Blog recherchierte, die beanstandeten Stellen noch finden würde. Aber selbst, wenn dahingehend Hoffnung bestünde – dafür wäre mir meine Zeit zu schade.)

Sollen sie doch in ihren Geheimnistuereien köcheln. Als der totale Ehren- und Saubermann steigt Hinterhäuser in beiden Fällen nicht aus. Und am Ende möchte man Herrn Brüggemann noch sagen, dass er sich nicht dermaßen erniedrigen soll, um Spenden zu betteln (man erinnert sich noch, wie peinlich das im Fall von Siggi Maurer war – ihrer Karriere, solange es für Grüne noch Karrieren gab, hat es allerdings nicht geschadet).

Brüggemann verlangt mit dem vagen Schrei nach Pressefreiheit Unterstützung, ohne zu sagen, was die strittigen Punkte sind und worum es eigentlich geht. Und das geht eigentlich nicht.

Renate Wagner, 25. Dezember 2024


Der Beitrag erschien heute auf der Seite unserer guten Wiener Freunde und Kooperationspartner vom MERKER-online Wien). Dazu schreib der Herausgeber Anton Cupak:

Wenn mir Leser nun schreiben, dass ich bei meinem an dieser Stelle zitierten Konflikt mit den Salzburger Festspielen ähnlich nebulos agiere, dann schreibe ich hier gerne, wie leicht man in einen Konflikt mit den sehr dünnhäutigen Festspielen kommen kann. Vor vielen Jahren (so beginnen meist Märchen, aber diese Geschichte ist wahr) begab sich die Salzburger Festspielpräsidentin (die vorige) auf eine ihrer beliebten Werbetouren rund um den Erdball. Dass diese vom Werbebudget der Festspiele bezahlt werden, ist wohl unstrittig und wurde von mir auch nie kritisiert. Sie wurde dabei von einem Journalisten aus Österreich begleitet (dessen Name hier wirklich nichts zur Sache tut), der die Präsentation in Los Angeles seinen österreichischen Lesern beschreiben sollte (als ob uns interessieren würde, was die Festspielpräsidentin in Los Angeles von sich gibt). Eigentlich gibt es in Los Angeles genug Journalisten, die auch für Österreich berichten hätten können, aber die wollte man anscheinend nicht. Da ich nicht annehme, dass der Journalist auf eigene Kosten nach Los Angeles geflogen ist, habe ich gefolgert, dass diese Reise vom österreichischen Steuerzahler berappt wurde. Daraufhin hat mich die Salzburger Pressebüro-Chefin angerufen und mich gebeten, diese Folgerung zu streichen, weil der Herr auf eigene Kosten geflogen sei. Mit der Löschung wäre die Sache erledigt – so die Pressechefin. Ich tat das umgehend und war daher überrascht, dass ich drei Stunden später eine Anwaltsaufforderung zu Unterlassung mit Klageandrohung erhielt. Der Auftraggeber an den Anwalt waren nicht die Festspiele, sondern der Journalist. Ich wies den darauf hin, dass die Sache durch die Zusage der Pressechefin längst erledigt sei, was den Anwalt wenig beeindruckte, sein Einschreiten müsse in jedem Fall bezahlt werden. Die Kosten bezifferte er mit einer vierstelligen Eurosumme. Ich habe damals bezahlt, aber die handelnden Personen sind für mich bis zum heutigen Tag erledigt. Nun kann ich nur weiter folgern, wer hat wohl den Journalisten nahegelegt, seinen Anwalt zu konsultieren? Die Pressechefin war für mich telefonisch nicht mehr zu erreichen.

Später stellte sich heraus, dass der Herr Journalist nicht von den Festspielen, sondern vom Österreichischen Kulturinstitut in Los Angeles eingeladen war. Nun traue ich mich gar nicht mehr zu folgern, wer denn das dortige Kulturinstitut erhält. A.C.

PS

Der Hrg. des OERNFREUNDs verweist auf sein Lieblingslied „Worum geht´s hier eigentlich…“ (Hildegard Knef). Da hat sich in über 50 Jahren nichts verändert, oder sollte ich sagen „in über 5000 Jahren“ 😉 Frohes Fest. Ihr P.B.