Vorstellung: 22. 2. 2014
Opernrarität !
Anna Kovách als schöne Witwe Mrs. Waters und im Hintergrund Martin Roth als Politist und Tobias Hächler als Harry Benn (Foto: Ingo Höhn)
Mit einer besonderen Opernrarität wartete das Luzerner Theater auf, die ein Werk der englischen Komponistin Ethel Smyth (1858 – 1944) zur Aufführung brachte: „The Boatswain’s Mate“. Smyth, die für ihre Leistungen 1922 geadelt wurde, fand mit ihrer Kammermusik bereits früh Anerkennung bei Brahms, Grieg, Dvořák und Tschaikowsky. Im Jahr 1893 kommt mit Hilfe Queen Victorias ihre Messe in D in der Royal Albert Hall zur Aufführung, die großes Aufsehen erregte, schrieb doch George Bernard Shaw eine begeisterte Kritik. Sie erwirbt sich internationales Renommee und wendet sich dem Opernschaffen zu: „Fantasio“, „Wald“, „The Wreckers“, die als wichtigste englische Oper dieser Zeit gilt, „The Boatswain’s Mate“, „Fête galante“ und „Entente cordiale“.
Ethel Smyth war auch eine Mitstreiterin im Kampf um die Gleichberechtigung von Mann und Frau und schloss sich den Suffragetten an, die um das Wahlrecht für die Frauen kämpften. Nach einer Demonstration kam sie auf zwei Monate ins Gefängnis, schrieb drei „Songs of Sunrise“, wovon der letzte als „The March of the Women“ zur Hymne der englischen Frauenbewegung avancierte. Ihr Einsatz wurde belohnt, denn 1919 erhielten die Frauen in England ein eingeschränktes und 1928 das volle Wahlrecht.
Die komische Oper „The Boatswain’s Mate“ („Des Bootsmannes Freund“), deren Libretto die Komponistin nach der gleichnamigen Novelle von William Wymark Jacobs selbst verfasste, wurde 1916 in London uraufgeführt und in Luzern in deutscher Sprache in einer Dependance (UG) des Luzerner Theaters gezeigt. Ihr Inhalt: Die reiche Witwe Mrs. Waters führt allein ein unbeschwertes Leben und nebenbei eine gutgehende Gastwirtschaft. Zu ihren Stammgästen gehört Harry Benn, ein ehemaliger Bootsmann, der um sie wirbt, aber dessen Heiratsanträge stets auf taube Ohren stoßen. So heckt er den Plan aus, seinen Freund Ned Travers zum Schein in ihr Haus einbrechen zu lassen, um dann die sicherlich in größter Angst befindliche Frau als mutiger Held zu retten. Seine Idee krankt daran, dass er nicht mit der Stärke des Opfers rechnet. – Die Witwe durchschaut seinen Plan und verpasst ihm eine Lehre, indem sie behauptet, den Einbrecher erschossen zu haben und Harry Benn auffordert, ihr bei der Beseitigung der Leiche zu helfen. Diese Gegenintrige funktioniert, weil Ned Travers die Seite wechselt und Gefallen an der hübschen Witwe findet. Mrs. Waters, die seit dem Tod ihres Mannes und den ersten Altersspuren im Gesicht einige Lebensträume begräbt, stellt schließlich fest, dass es im Leben immer wieder einen neuen Anfang gibt…
Die Regisseurin Hersilie Ewald verlegte die Handlung auf ein Mini-Kreuzschiff, auf dem Harry Benn als Sänger jeden Abend die Passagiere unterhält. Eine Idee, die sich in der Dependance des Theaters Luzern recht gut umsetzen ließ. Die Zuschauer sitzen in zwei Reihen an der Rückwand des Raums, in dem eine Bar und ein paar Tische mit Stühlen sowie ein Podest für den Sänger die Atmosphäre eines Schiffs bilden (Bühne: Sabine Jaschke). Einige der Passagiere und die Orchestermitglieder tragen sogar Matrosenuniform (Kostüme: Birgit Künzler). Die Darsteller und die Statisten, ein älteres Ehepaar und ein leichtes Mädchen, agieren sehr komödiantisch und mit einer eindrucksvollen Spielfreude, die das Publikum begeisterte.
Als Witwe zieht die aus Ungarn gebürtige Sopranistin Anna Kovách nicht nur die Blicke von Harry Benn und Ned Travers auf sich, sondern auch des männlichen Publikums. Sie spielt ihre Rolle überzeugend, ist auch stimmlich gut, aber ihre Wortdeutlichkeit ließ sehr zu wünschen übrig. Schade, denn ohne Übertitel, die in dem kleinen Raum wohl nicht möglich waren, blieb der Witz der Dialoge des Öfteren auf der Strecke.
Der Tenor Tobias Hächler gab den Sänger Harry Benn mit aufopfernder Spiellust und stimmlichen Glanz, outrierte allerdings immer wieder zu stark. Sein Freund und „Gegenspieler“ Ned Travers wurde vom Bariton Alexandre Beuchat eindrucksvoll gespielt. Mit seinem guten Aussehen und seiner angenehmen Stimme hatte er bei der schönen Witwe die besten Karten und schließlich auch Erfolg. Zu der guten Ensembleleistung trugen auch die Mezzosopranistin Eva Herger in der Nebenrolle der Mary Ann und der Bass Martin Roth als Polizist auf der Suche nach dem „toten Einbrecher“ sowie die spielfreudige Statisterie des Luzerner Theaters bei.
Spielfreude konnte man auch der Jungen Philharmonie Zentralschweiz unter der Leitung von Andrew Dunscombe nicht absprechen, die dem Publikum die Partitur der Komponistin, die das Geschehen der Handlung wirkungsvoll illustrierte, schwungvoll und nuanciert vermittelte.
Die Zuschauerinnen und Zuschauer, die alles aus nächster Nähe mitverfolgen konnten und ihren Spaß daran hatten, zollten den Darstellern und dem Orchester mit seinem Dirigenten minutenlang Beifall, unter den sich auch einige Bravorufe mischten.
Gastkritik von Udo Pacolt 23.2.,14
Besonderer Dank an Merker-online
Opernfreund-Büchertipp zu Ethel Smyth: