Vorstellung am 12.3.2017
Es fing alles an mit einem deutschen Film namens Viktor und Viktoria, der 1933 sogar Gnade vor den Augen des Völkischen Beobachters fand. 1982 brachte Blake Edwards ein äußerst erfolgreiches Remake (mit seiner Gattin Julie Andrews) in die Kinos, und 1995 folgte eine nicht minder umjubelte Musical-Version am Broadway.
Als letzte Produktion der Intendanz von Sebastian Reinthaler hievte die Regisseuse Alexandra jetzt Victor/Victoria auf die Bühne des Stadttheaters Baden, und es handelt sich dabei – das sei vorausgeschickt – um eine rundum geglückte Inszenierung.
In der Titelrolle der Sängerin, die sich als Mann verkleidet, der sich als Frau verkleidet, glänzt wieder einmal Bettina Mönch, in Wien bekannt und beliebt seit ihrer „Ulla“ in „The Producers“ und zuletzt zu sehen als in „Axel an der Himmelstür“ an der Volksoper. SIe verfügt ja, wie man weiß, nicht nur über eine tolle Stimme und eine perfekte Diktion, sondern auch über die längsten Beine Mitteleuropas. Alle ihre Assets zusammen stellt sie hier rückhaltlos in den Dienst dieser turbulenten Verwechslungskomödie.
Als ihr Macho-Lover King Marchan, der angesichts seines „Flugerls“ auf diese ambivalente Kreatur sehr an seiner Gangster-Männlichkeit zu zweifeln beginnt, macht Matthias Kostya eine hervorragende und glaubwürdige Figur. Ab und zu kann es vorkommen, dass den beiden Elisabeth Ebner als blondierte Tussi Norma (wer denkt da nicht an Norma Jean ?) glatt die Show stiehlt. Denn die Ebnerin ist einfach eine Wucht, eine Naturgewalt, eine Energiebombe, die dieses Trutscherl – ohne je zu outrieren – mit einer Fülle von (auch schrillen) Tönen, Gesichtsausdrücken, Gesten und Körperhaltungen ausstattet, das es einen nur so mitreißt.
Ebenfalls – bis in die kleinsten Details – absolut großartig Martin Niedermair als die alte herzensgute Tunte Toddy, die „Victor“ überhaupt erst erfindet und am Ende sein Glück mit dem sich outenden Gangster-Bodyguard Squash (genauso überzeugend: Artur Ortens) findet. Überhaupt gibt es in dem ganzen Ensemble, selbst bei bösestem Willen, keine Schwachstellen zu entdecken. Also seien gerechterweise auch noch Franz Josef Koepp, Alexander Kuchinka und Alexander Mueller erwähnt.
Unterstützt werden die Protagonisten von einem der großen Atouts des Stadttheaters Baden, dem Ballett. DIe ausnahmslos schlangenhaft agilen, spagatkundigen, liebreizenden und entzückenden, unentwegt lächelnden Tänzerinnen und Tänzer sind auch in dieser Produktion mit sich nicht schonendem Einsatz bei der Sache und sind sich sogar nicht zu schade, Requisitenabtransporte tänzelnderweise zu erledigen. EIne Augenweide.
Eine Ohrenweide hingegen das unter der Leitung seines Chefs Franz Josef Breznik schwungvoll und beschwingt bigbandmässig aufspielende Orchester der Bühne Baden.
Gar keine Einwände ? Nun ja, wenn man unbedingt will, kann man feststellen, dass Victor/Victoria musikalisch vielleicht nicht das beste Musical ist, das je geschrieben wurde, und dass die ganze Geschichte – mit thematischen Zitaten aus „Käfig voller Narren“, „Tootsie“, „Some like it hot“ und einigen Shakespeare-Komödien – ein wenig banal und irgendwie „pointless“ ist. Sodass dann unterm Strich so etwas wie eine familientaugliche Regenbogenparade aus dem Prä-Conchita-Zeitalter mit kitschigem Happy-End herauskommt…Aber was solls…es ist ein äußerst vergnüglicher, hochprofessioneller, in jeder Hinsicht gelungener Abend..dessen Besuch(noch bis 25.März) nur wärmstens anempfohlen werden kann…
PS: wenn ich dieser ohnehin schon so wahnsinnig positiven Besprechung noch eine Beobachtung hinzufüge, möchte ich nicht, dass sie den Badenern zu Kopf steigt: aber wenn man sich auf youtube die Aufzeichnung der Broadway-Premiere zu Gemüte führt, so wirken auf den ersten Blick zumindest die Kostüme (Friederike Friedrich) und die Choreographien (Marcus Tesch) in der „provinziellen“ Kurstadt weitaus geschmackvoller und passender und origineller als in der Metropole New York…
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