Wien, Ballett: „Martin Schläpfer geht“, Zwei Anmerkungen

Der Abschied des Leiters des Wiener Staatsballetts fällt leicht. Es ist einer ohne Tränen. Und er ist erwünscht. Der Vertrag des Schweizers Martin Schläpfer ist nicht verlängert worden. Schläpfer ist in Wien gewiss nicht glücklich geworden. Hat auch Wiens Ballettfans nicht glücklich gemacht. Als hierzulande völlig unbekannter Choreograph dürfte er sich in Wien mit dem großen Ensemble, welches sich nach der langen brillanten Zusammenarbeit mit Manuel Legris in Bestform befunden hatte, eine Blüte seiner Tanzschöpfungen erwartet haben. So ist es mit dem gegebenen Mittelmaß nicht geworden. Und er wurde von vielen der Ensemblemitglieder nicht geschätzt. Hat einen unnötigen, unglücklichen, unsensiblen Umbau der Kompanie vollzogen, hat feine TänzerInnen entlassen. War im Kampf gegen wohlmeinende, doch kritisch analysierende Journalisten uneinsichtig. Und er wurde in nicht wenigen österreichischen wie deutschen Medien schwer kritisiert. Denken wir nur etwa an seine missglückte „Dornröschen“-Umgestaltung. Oder besonders negativ ist zuletzt die vernichtende Kritik über das Gastspiel des Wiener Staatsballetts und dessen augenblicklichem Zustand in Madrid gewesen (auf onlinemerker nachzulesen).

Schläpfers Engagement als Ballettchef in Wien ist das Ergebnis falscher Einschätzung durch die Österreichischen Bundestheater gewesen. Es war ihm nicht gegeben mit weitsichtigem Denken zu schaffen. Erfolgreich ist er als Choreograph mit moderner Ausrichtung im kleinen Mainzer Ensemble 1999 bis 2009 gewesen. Doch auch seine Arbeit hierauf ab 2009 an der Oper am Rhein dürfte nicht allzu toll gewesen sein: Sein Nachfolger hatte keine seiner Choreographien nochmals angesetzt.

Das Problem Schläpfer mit seinem Ego ist ein schwer menschliches – mit starken Abhängigkeiten. Im Ballettsaal sind die jungen Menschen dem Befehlsausgeber voll ausgeliefert. Und die zuvor von Manuel Legris zu exzellenten Leistungen geführten TänzerInnen sind sich der wohl auch innerlichen Schwierigkeiten des Chefs sehr bewusst gewesen. Ein Kontra gibt es da nicht. Oder, wie mitten in der Saison eine technisch besonders exzellente klassischen Ballerina mir zugeflüstert hatte: „Ich bekomme keine Auftritte.“ Und eine hoch geschätzte frühere führende Staatsopern-Solistin, dann auch Chefin im Ensemble, hat zu Schläpfers Abgang gemeint: “Schade, fünf verlorene Jahre für die Tänzer“. Es sind wahrscheinlich auch verlorene Jahre für die wienerischen Reste in der Staatsoper gewesen: Natascha Mair und Jakob Feyferlik, beide Wiener, von Legris zu Jungstars geformt und bereits Publikumslieblinge, haben über die Schwachstellen von Schläpfer gewusst, sind  vor ihm zu ausländischen Kompanien geflüchtet. Somit hatte er ihnen die Karriere in ihrer Heimatstadt zunichte gemacht

Meinhard Rüdenauer, 27. Juni 2025


Martin Schläpfer hat sich dem „Neuen Wiener Stil“ unter Bogdan Roscic angepasst, der lautet: wer nicht jubelt, steht unter Acht und Bann und gehört diszipliniert.  Der Autor vorstehender Zeilen, Meinhard Rüdenauer, hat jahrelang über das Wiener Staatsballett berichtet – und das Verhältnis zum hier nicht namentlich zu nennenden Pressereferenten schien mir ungetrübt – aus meiner Sicht passte kein Blatt Papier zwischen beide – bis Schläpfer kam. Dann musste der Referent dem Rezensenten seine Gunst und Pressekarten entziehen – auf Weisung Schläpfers nach einer durchaus sachlichen Bemerkung. Nachträglich adeln die vernichtenden Berichte aus Spanien. in denen das Staatsballett von einem international anerkannten Ballettjournalisten geradezu hingerichtet wurde, unseren kritischen Rezensenten. Andere Berichterstatter waren zu feig für offene Worte. Die pendelten zwar zwischen Wien, Gyor, Budapest und der Slowakei/Tschechien hin und her, aber verwahrten sich aus Angst gegen kritische Worte über den Leiter des Wiener Balletts. Erbärmlich?  Oder eben menschlich? Egal, ich habe mir meine Meinung gebildet! Nun ist Wien diesen Roscic-Irrtum los – viel zu spät für manchen Tänzer, deren Zeit arg begrenzt ist und denen der Staatsopernchef (weniger der Choreograph) verlorene Karrierejahre beschert hat – aus einer provozieren wollenden Laune heraus! Wie und ob sich die Zusammenarbeit unter der neuen Ballettchefin entwickelt, weiß ich nicht und mische mich auch nicht ein!

Ähnliches lässt sich von anderen Protagonisten sagen, die ob des herrschenden Stils aus allen Wolken fielen. Aber das mögen diese selbst sagen. Mich kann man nicht überraschen. Ich bin ob der exponierten Positionen meiner Familie in unserer Gegend praktisch in einem Haifischbecken aufgewachsen – mich kann nichts überraschen und schon gar nichts erschüttern! Aber es gibt Menschen, die sich einen guten Glauben an ihre Mitmenschen bewahren wollen! Herr Dr. Roscic macht es denen schwer!

Anton Cupak, 27. Juni 2025


Besonderer Dank an unsere Freunde und Kooperationspartner vom MERKER-online (Wien)