Götzis: „La Cenerentola“, Gioachino Rossini

Ein erstaunliches Theatergebäude findet man in der 12.000 Einwohner zählenden Marktgemeinde Götzis im Vorarlberger Rheintal zwischen Dornbirn und Feldkirch vor: an die 600 Personen fasst dieser moderne, aber dank dem vorherrschenden, braunen Holz-Ton gar nicht kalte Raum, mit relativ großer Bühne und Orchestergraben. Der Verein Musiktheater Vorarlberg bespielt nun einmal im Jahr das Haus mit Oper (in manch Jahren auch mit Operette oder Musical) – eine großartige Initiative mit vielen Freiwilligen, die mit Freude auch drum herum dabei sind und absolut unterstützt gehören.

Rossinis „Aschenputtel“-Version ist ja nun kein einfaches Unterfangen, doch vorweg nehmen kann man, daß dieses sehr gut gelungen ist! Erstaunliches Rossini-Brio war da aus dem Graben zu vernehmen, das „MTVO-Orchester“ klang wie eines aus dem transalpinen Italien, luftig, leicht, im sehr akustischen Haus vielleicht manchmal um eine Spur zu laut. Aber das ist schon Beckmesserei! Exzellent der wirkliche Maestro (Concertatore e direttore – hieß es früher so treffend in Italien) am Pult Nikolaus Netzer, der auch als Intendant fungiert. Der Vorsitzende der Direktorenkonferenz des Vorarlberger Musikschulwerks leitete derart umsichtig das Geschehen, spornte seine Musiker zu Höchstleistungen an und traf perfekt die Tempi, trieb das Geschehen spritzig, doch nie hektisch voran.

Eine großartige Leistung. Auch dem MTVO-Chor“– einem Laienchor! – gebührt ein großes Kompliment, der stimmkräftig, differenziert und spielfreudig zum positiven Eindruck dieses Abends beitrug – Bravi! (Chorleitung: Khrystyna Korepanova). Ausgewählt hatte man das Stück um der in Feldkirch das Musikgymnasium besuchenden und damals im Teenager-Alter bereits bei „Anatevka“ Mitwirkenden deutsch –ungarischen Mezzosopranistin Corinna Scheurle – jetzt fix am Staatstheater Nürnberg – die Möglichkeit zu bieten Angelina zu interpretieren. Die eher hagere, großgewachsene Künstlerin verkörperte das sehr schlecht behandelte, aber herzensgute Wesen auf sympathische Art und setzte ihren Mezzo, dem zwar die Koloraturen noch zu Gebote stehen, dessen Extension aber schon in weit dramatischere Gefilde reicht, auch recht kräftig und spektakulär ein und durfte einen schönen, persönlichen Erfolg verbuchen.

Die Schwierigkeit einen – von der Größe her passenden – Prinzen zu finden wurde hier gut gelöst, denn Milos Bulajic erfüllte diese Voraussetzung ideal. Er demonstrierte wahre Belcanto-Kunst und war mit Abstand der beste Stilist des Abends, ließ sich nicht zum „Draufhauen“ verleiten, sondern führte seinen schlanken Tenor differenziert und bombensicher durch den Abend. Seine große Szene „Principe piu non sei / Si ritrovarla io giuro“ spickte er mit strahlenden Acuti und bot sie mit Verve und wahrem Rossinigesang dar, so daß Erinnerungen an die Großen a la Rockwell Blake aufflammten. 

Matthias Bein konnte sich im Laufe des Abends als „Don Magnifico“ steigern und auch den Charakter des bösen Stiefvaters ganz gut vermitteln. Der junge Mann war immerhin mit Volleinsatz dabei, ein wenig Drosseln hätte seinem doch recht kräftigen Bass-Bariton nicht geschadet. Er hatte aber entwicklungsfähiges Material anzubieten, was man vom Dandini – Daniel Raschinsky – nicht unbedingt behaupten kann. Er sang „flach“ und war stilistisch von Rossini meilenweit entfernt, daß er darstellerisch wie „Rigolettos Bruder“ agieren mußte (in der ersten Hälfte war dieses Schicksal dem verkleideten Ramiro aufgebürdet worden) – dafür konnte er nichts.  Auch Martin Ohu war hauptsächlich laut unterwegs, worunter die schöne, belkanteske Arie des Alidoro  „La  del ciel nell`arcano profondo“ litt. Clorinda – Veronika Vetter – und Tisbe – Sabine Winter – waren beide – laut Programmheft – mit Sopranen besetzt und konnten darstellerisch besser gefallen denn vokal.

© mtvo / Tobias Gmeine

Der Innsbrucker Norbert Mladek führte Regie und war für die Bühne verantwortlich. Mit einfachen Mitteln erreichte man ein positives Ergebnis, baute auch „Zuckerln“ für Sponsoren ein (etwa ein Brautmodengeschäft. es waren ein Dutzend Bräute in Brautkleidern auf der Bühne – paßt ja ganz gut zum „lieto finale“, aber bis dahin hatte sich dieser „Gag“ schon ein wenig abgenützt, weil sie zu oft, quasi im „Dauereinsatz“ waren), und verzichtete auf unangenehme, werkentfremdende „Ideen“. Dafür ist man heute schon sehr dankbar und behält den Namen positiv im Gedächtnis. So konnte man zufrieden und beschwingt Bilanz ziehen: auch das Publikum war dieser Meinung und feierte die Ausführenden und alle Beteiligten mit großem lang anhaltenden Applaus – wobei auch die junge Laurah Kasemann, die sehr aufmerksam und präzise am Cembalo die Recitative begleitete, miteingeschlossen war.

Ein gelungener Abend – noch am 7., 9. und 11. Oktober zu erleben!

Michael Tanzler, 7. Oktober 2025

Dank an unsere Freunde und Kooperationspartner vom MERKER-online (Wien)


La Cenerentola
Gioachino Rossini

Kulturbühne Ambach Götzis
Musiktheater Vorarlberg

Besuchte Premiere am 3. Oktober 2025

Regie und Bühnenbild: Norbert Mladek
Dirigat: Nikolaus Netzer
Philharmonie der Solisten