Düsseldorf: „Mrs. Doubtfire“, Karey und Wayne Kirkpatrick

Im Jahr 1993 tanzte sich Robin Williams als „stacheliges Kindermädchen“ Euphegenia Doubtfire mit einem Staubsauger als Tango-Partner in der Komödie Mrs. Doubtfire in die Herzen der Kinozuschauer. 2019 feierte das Stück in Seattle seine Uraufführung als Musical. Die Musik hierfür lieferten die Geschwister Karey und Wayne Kirkpatrick, die unter anderem auch für das erfolgreiche Musical Something Rotten! verantwortlich sind. Im Dezember 2021 fand die Premiere am New Yorker Broadway statt, im Mai 2023 folgte die Premiere am Londoner West End. Nun ist das Stück erstmals in deutscher Sprache am Capitol Theater in Düsseldorf zu sehen. „Noch ein Musical nach einer bekannten Filmvorlage – hat es das wirklich gebraucht?“, mag man sich fast reflexartig fragen. Die Antwort ist in diesem Fall ebenso einfach wie kurz: „Ja!“

© Joshua Hoffmann

Erzählt wird die ebenso witzige wie herzerwärmende und stellenweise tief berührende Geschichte, die in San Francisco in der heutigen Zeit angesiedelt ist. Im Musical erfährt sie einige passende Modernisierungen im Vergleich zum Film, so sind WLAN und Tablett inzwischen selbstverständlich fester Bestandteil im Alltag aller Kinder. Im Kern bleibt die Geschichte aber wie im Film: Daniel Hillard liebt seine Kinder über alles, übersieht allerdings seit Langem die Bedürfnisse seiner Ehefrau Miranda. Beruflich ist er als Schauspieler und Stimmenimitator voll in seinem Element, denn als jemand, der nicht erwachsen werden will, kann er sich hier austoben. Auch mit seinen drei Kindern macht er lieber Unsinn, anstatt mit Miranda an einem Strang zu ziehen. So holt er seinen Sohn beispielsweise zum Geburtstag aus dem Schulunterricht, um mit ihm und den beiden Geschwistern eine große Party zu feiern, obwohl er Miranda zuvor versprochen hatte, es bei einer kleineren Feier zu belassen. Nachdem seine Frau die Scheidung eingereicht hat, sieht auch das Jugendgericht bei Daniel Nachholbedarf in Sachen „Erwachsenwerden“ und erteilt Miranda vorläufig das Sorgerecht für die drei Kinder. Um seinen Kindern dennoch nah zu sein, verkleidet sich Daniel als Kindermädchen und erlangt mit einigen Tricks den Job als neue Nanny für die Kinder Hillard.

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Die rund zweieinhalbstündige Show überzeugt mit viel Humor und legt dabei trotz einiger herzerwärmender und besinnlicher Szenen ein enormes Tempo vor. Ein großer Pluspunkt der Inszenierung von Jerry Zaks ist das Spiel mit der eigentlichen Geschichte. Immer wieder brechen gut getimte Szenen quasi aus der Geschichte heraus. In meist sehr aufwendigen und sehenswerten Choreografien von Lorin Latarro mischen sich große Ensemblenummern in die Handlung. Besonders gut gelungen ist dies beispielsweise in der Szene, in der Mrs. Doubtfire mithilfe eines YouTube-Videos versucht, ein nahrhaftes Abendessen zuzubereiten, da Daniel sich sonst lieber vom Pizzalieferdienst ernährt. Plötzlich tauchen unzählige Köche auf der Bühne auf und sorgen für große Musical-Unterhaltung. Als sich plötzlich der Verkäufer für Abführmittel durch die Tür meldet und das Kindermädchen genervt mit einem „Ach, Werbung.“ reagiert, sind im Zuschauerraum viele erheiterte Zuschauer zu vernehmen. Allgemein darf viel gelacht werden, denn die gut getimten Gags kommen stellenweise im Sekundentakt. Gleichzeitig schafft es das Stück, nicht ins Lächerliche abzurutschen. Auch wenn Mrs. Doubtfire viel mit Klischeebildern spielt, wird an diesem Abend an keiner Stelle über einen Mann gelacht, der sich in Frauenkleidung auf die Bühne stellt, wie es vielleicht vor einigen Jahren noch der Fall gewesen wäre. Gelacht wird über gute Gags und viel Situationskomik, dargeboten von wunderbaren Darstellern.

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Allen voran ist es Thomas Hohler, der bereits im Alter von elf Jahren im benachbarten Duisburg die Kinderhauptrolle des Gavroche in Les Misérables spielte und seitdem in unzähligen großen Musicalproduktionen mitwirkte. Wie ihm die schnellen Wechsel zwischen Daniel Hillard und Mrs. Doubtfire gelingen, ist absolut unglaublich. Neben seiner gewohnt starken Gesangsleistung darf er in dieser Produktion auch sein Talent als Stimmenimitator voll ausspielen. An seiner Seite steht mit Jessica Kessler eine weitere erfahrene Darstellerin in der Rolle der Miranda Hillard auf der Bühne, die zuletzt regelmäßig in Abenteuerland im Düsseldorfer Capitol Theater zu sehen war. Mit dem Song Lass los sorgt sie für ein musikalisches Highlight des Abends. Auch „die Kleinen“ sind in diesem Musical großartig. Die älteste Tochter Lydia Hillard wird ganz wunderbar von der jungen Musicaldarstellerin Alina Simon verkörpert, die in diesem Jahr ihren Abschluss an der Folkwang Universität der Künste in Essen absolvierte. Als Christopher und Natalie kommen zwei Kinderdarsteller zum Einsatz. In der besuchten Vorstellung waren dies Mika und Greta, die mit großer Professionalität und viel Spielfreude ans Werk gingen. Selten hat man so gute Kinderdarsteller erleben dürfen, die auch musikalisch auf ganzer Linie überzeugen können. Das komödiantische Highlight des Abends ist zweifelsohne Nicolas Tenerani als Daniels Bruder Frank Hillard, der bei jeder Lüge zwanghaft seine Stimme deutlich anhebt. Das lässt ihn nicht nur schnell auffallen, vielmehr wird dies auch immer wieder für kleine Zwischengags genutzt. Mit Malick Afocozi als seinem Ehemann hat er einen kongenialen Partner an seiner Seite. Beide harmonieren fantastisch und ziehen die Sympathien des Publikums geradezu an sich. Die Hauptbesetzungen werden abgerundet durch Tamara Wörner als Mitarbeiterin des Jugendamtes, Anneka Dacres als wenig humorvolle TV-Produzentin, die das Kinderprogramm modernisieren will, und Christian Funk als Mirandas neuen Freund. Ein großartiges Ensemble rundet den positiven Eindruck ab. Dass der Abend auch in deutscher Sprache so gut funktioniert, ist der exzellenten Übersetzung von Johannes und Ruth Deny sowie Kevin Schroeder zu verdanken. Neben der treffenden Übersetzung haben sie viele Gags an deutsche Gegebenheiten angepasst. So darf Daniel als Stimmenimitator unter anderem Benjamin Blümchen, Marcel Reich-Ranicki oder Heidi Klum seine Stimme leihen.

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Die achtköpfige Band unter der musikalischen Leitung von Joe Schmitz sorgt für echtes Broadway-Feeling. Dies gilt ebenso für funktionale wie ansehnliche das Bühnenbild von David Korins und die Kostüme von Catherine Zuber. Selten hat man einen Abend erlebt, bei dem so viel wunderbar ineinandergreift wie bei Mrs. Doubtfire. Es ist ein gut durchdachtes Bühnenmusical mit viel Charme, Humor und berührenden Momenten. Gerade weil die Ängste und Sorgen der Kinder, die sich durch die Scheidung der Eltern ergeben, immer wieder ernst genommen werden, geht dieses Stück zu Herzen. Dass es am Ende nicht das vielleicht erwartete Happy End gibt, soll im übrigen Robin Williams zu verdanken sein, der sich bei der Verfilmung dafür eingesetzt haben soll, Kindern keine falschen Hoffnungen zu machen. Stattdessen steht am Ende die Botschaft, dass es viele verschiedene Arten von Familien gibt und dass die Liebe zu den Kindern in jeder Konstellation gleich ist. Mit dieser Botschaft verlassen die Zuschauer gut gelaunt den Theatersaal, in dem sie zuvor eines der besten neuen Musicals der letzten Jahre erleben durften.

Markus Lamers, 7. November 2025


Mrs. Doubtfire
Musical basierend auf der Filmvorlage von 20th Century Fox aus dem Jahr 1993
mit Musik von Karey & Wayne Kirkpatrick und einem Libretto von Karey Kirkpatrick & John O’Farrell

Capitol Theater, Düsseldorf

Premiere: 6. November 2025
besuchte Medienpremiere: 5. November 2025

Inszenierung: Jerry Zaks
Musikalische Leitung: Joe Schmitz
Band: Joe Schmitz (Keyboard 1), Tim Davies (Keyboard 2), Hansjörg Fink (Posaune), Carsten Gronwald (Trompete), Matthias Jahner (Reeds), Oliver Kerstan (Drums), Oliver Poschmann (Bass), Drazen Zalac (Gitarre)

Trailer

Weitere Aufführungen bis zum 12. April 2026; genaue Daten unter https://www.atgtickets.de/musicals-shows/mrs-doubtfire-musical/.