Schloss Braunfels: „Rigoletto“, Giuseppe Verdi

Lieber Opernfreund-Freund,

Braunfels liegt in der Nähe des hessischen Wetzlar und verfügt über eine wunderbare Altstadt samt sehenswertem Marktplatz und ein märchenhaft wirkendes Schloss, das 1246 erstmals urkundlich erwähnt wurde und auf einem Basaltkegel über der Stadt thront. Der dortige Innenhof bietet seit 19 Jahren an einem Abend im Sommer die stimmungsvolle Kulisse zu einer Produktion der Opera Classica Europa. In diesem Jahr aber war die etwas ganz Besonderes: der aus der Inneren Mongolei stammende junge Bariton Hongyu Chen war im letzten Jahr der Gewinner des Operngesangswettbewerbs zu Ehren von Romana Vaccaro und erhielt als Siegerpreis eine Rolle in einer Opernaufführung, die er sich selbst aussuchen durfte – und wählte Verdis Rigoletto. Das klingt erst einmal wagemutig, deshalb habe ich mich gern auf den Weg ins pittoreske Braunfels gemacht, um mir die Vorstellung für Sie anzusehen.

© Opera Classica Europa

Der stimmungsvoll beleuchtete Schlosshof des bis ins 20. Jahrhundert hinein mehrfach umgebauten und erweiterten Schlosses ist wie gemacht für das traditionelle Setting des Rigoletto. Michael Vaccaro, Chef der Opera Classica Europa und Veranstalter des Gesangswettbewerbs zu Ehren seiner verstorbenen Frau, der Opernsängerin Romana Vaccaro, reichen wenige Requisiten und dem 16. Jahrhundert entlehnte Kostüme, um die Zuschauer auf den voll besetzten Plätzen an den Hof des Herzogs von Mantua zu entführen. Das stark dezimierte Orchester besteht aus rund einem Dutzend Musikern und entfaltet mit Klavierunterstützung dennoch echten Verdi-Charakter, auch wenn natürlich die großen orchestralen Passagen wie beispielsweise die Gewitterszene im Finalakt gewöhnlich anders klingen. Einziger Wermutstropfen sind die unschönen Abstimmungsschwierigkeiten zwischen Orchester und Bühne. Hans-Friedrich Härle gelingt es über den ganzen Abend nicht, hier durchgängigen Gleichklang herzustellen. Die Opernchorsänger des Nationaltheaters Mannheim – an sich ein eingespieltes Team, möchte man meinen – stolpern sich mehr schlecht als recht durch die umfangreiche Chorpartitur und vor allem Antonio Rivera, Interpret des Herzogs, mag nicht mit dem Orchester zusammenfinden. Der mexikanische Opernsänger ist für den Weltstar John Osborn eingesprungen, der immer wieder gern gesehener Gast bei den Produktionen der Opera Classica Europa ist. Rivera verfügt an sich über einen gehaltvollen, höhensicheren Tenor, singt seine Partie aber scheinbar ohne Rücksicht auf das Dirigat von Hans-Friedrich Härle, der mitunter recht gemäßigte Tempi anschlägt. So sind Sänger und Orchester stellenweise mehrere Takte auseinander und ich befürchte mehr als einmal, dass man abbrechen muss. 

© Opera Classica Europa

Weniger Schwierigkeiten, sich auf den musikalischen Leiter einzulassen hat die junge Aleksandra Szmyd, die mich als Gilda mit ihrem glockenhellen Sopran, einem anbetungswürdigen Messa di Voce und Höhenpiani zum Niederknien begeistert. Jacoub Eisa bringt für den Sparafucile eine ausdrucksstarke Tiefe mit und gestaltet den Mörder voller Innbrunst, während Paola Alcocer eine besonders verführerische Version seiner Schwester Maddalena zum Besten gibt. Aus der Schar der Höflinge sticht Richard A. Rittelmann als intriganter Marullo hervor: mit seinem imposanten Bariton hätte er auch gut und gerne einen veritablen Monterone abgegeben oder sogar die Titelfigur gestalten können.

© Opera Classica Europa

Dass der Rigoletto in den Händen des Preisträgers Hongyu Chen liegt, erweist sich als wahrer Glücksfall. Der junge Sänger trumpft bei seinem Rollendebüt mit einem facettenreichen Bariton auf, vereint immensen Ausdruck mit großer Spielfreude und ist für mich unbestritten der Star des Abends. Das findet auch das begeisterte Publikum am Ende der Vorstellung, das den wenigen, vereinzelt fallenden Regentropfen bis zum Ende trotzt und alle Beteiligten, allen voran das junge Sängerpaar Hungyu Chen und Aleksandra Szmyd, mit lang anhaltendem Applaus belohnt.

Ihr
Jochen Rüth

4. August 2025


Rigoletto
Oper von Giuseppe Verdi

Schloss Braunfels

Premiere: 2. August 2025

Regie: Michael Vaccaro
Musikalische Leitung: Hans-Friedrich Härle

Orchester der Opera Classica Europa