Aufführung im Theater der Stadt Schweinfurt 29.09.2015
Operettentheater Salzburg mit kleinen Schönheitsfehlern erfreut die Schweinfurter
Die musikalischen Aufführungen in Schweinfurt werden mit der großen Operettengala „Lass rote Rosen blüh´n“ eröffnet. Das hier gut bekannte Operettentheater Salzburg kann vor ausverkauftem Haus in Operettenseligkeit schwelgen und das Publikum geht begeistert mit. Dass die Operette im Fernsehen fast überhaupt keine Rolle mehr spielt und auch im Radio nur noch sporadisch aufgeführt wird (wo bleiben die Schreiben der vielen tausend Operettenbegeisteter an die Funkhäuser mit der Aufforderung, die Operette wieder verstärkt ins Programm zu nehmen?) ist an diesem Nachmittag nicht zu merken. Das Publikum freut sich über die altbekannten Weisen, applaudiert mit Feuereifer und geht mit allem, was es zu bieten hat mit. Leider ist der von mir hochgeschätzte Tenor Eugene Amesmann an diesem Tag nicht auf der Bühne und ich habe ihn schmerzlich vermisst.
Das Orchester ist auf der Bühne verteilt und gut eingerichtet. Katalin Doman leitet es mit fester, leidenschaftlicher Hand. Das Orchester folgt ihr in allen Belangen, zart zurückhaltend, dann wieder aufblühend und leidenschaftlich auftrumpfend, wenn es erforderlich ist. In jedem Fall aber sängerdienlich, denn Katalin Doman nimmt es immer dann etwas zurück, wenn die Sänger Probleme bekommen könnten. Durch das Programm führt mit leichtem Augenzwinkern und immer interessant und hörenswert Franziska Stanner, die auch als Juno im großen Querschnitt von „Orpheus in der Unterwelt“ auftritt. Sie verbindet die einzelnen Stücke und gibt Interessantes aus der Operettenwelt preis. Mit der Ouvertüre aus „Banditenstreiche“ von Suppé kann sich das Orchester gleich zu Beginn eindrucksvoll in Szene zu setzen und erntet zu Recht großen Applaus. Christian Bauer tritt dann als Barinkay aus dem „Zigeunerbaron“ auf und beweist mit „Als flotter Geist“ wieviel Feuer in dieser Bravourarie von Johann Strauss Sohn steckt. Der geborene sympathische Wiener weiß mit sanftem Timbre aber auch strahlenden Spitzentönen sein Publikum zu überzeugen. Er überzeugt auch die charmante Wiener Sopranistin Monika Medek, mit welcher er „Schenkt man sich Rosen aus Tirol“ aus dem Vogelhändler stimmungsvoll darbietet. Monika Medek konnte bereits kurz vorher mit „Es muss was Wunderbares sein“ aus „Im weissen Rössl“ mit ihrem klangschönen durchschlagskräftigen und leuchtenden Sopran voll überzeugen. Die zweite Sopranistin des Abends, die Schwedin Cecilia Berglund brilliert mit dem Auftrittslied der Saffi aus „Der Zigeunerbaron“. Sie erntet mit Recht den meisten Beifall des Abends, ihr reiner zarter lyrischer Sopran kann in allen Belangen überzeugen. Stimmschön mit bravourösen Koloraturen bringt sie das Publikum zum Luft anhalten, um ja keinen Ton der außergewöhnlichen Stimme, gepaart mit einer ebenso großen Spiellust zu verpassen. Auch das Viljalied aus der „lustigen Witwe“ gestaltet sie eindrucksvoll und erntet zu Recht donnernden Applaus. Das Bacchuslied aus „Orpheus in der Unterwelt“ wird durch ihre Interpretation zu einem Erlebnis. Der Wiener Baß-Bariton Manfred Schwaiger gestaltet mit kräftiger, vollmundiger und weicher Stimme einen Zsupán der Sonderklasse, auch in erster Linie deswegen, dass er seine komödiantische Ader voll ausspielen kann. Auch beim Überbringen der dunkelroten Rosen aus „Gasparone“ kann er die Herzen des Publikums und hier in erster Linie der anwesenden Damenwelt im Sturm erobern.
Der Tenor Raimund Stangl, ein geborener Österreicher bringt einen sympathischen Danilo aus „Die lustige Witwe“ auf die Bühne, ebenso wie das Operettenschmankerl „Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht“ aus der „Csárdásfürstin“. Sein gepflegter Tenor ist sehr stimmschön, wenngleich die großen Höhen fehlen, die in diesen Arien auch nicht verlangt werden und die bei einem guten Buffo auch nicht von Nöten sind. Zu guter Letzt tritt noch der Schweizer Tenor Daniel Zihlmann auf. Er ist in Schweinfurt ein gefeierter Solist, seit Jahren die Stütze der Operettenfestspiele in Hombrechtikon und mit einem kraftvollen, ausdrucksstarken und höhensicherem Tenor ausgestattet. Seine große Bühnenpräsenz und seine strahlenden Höhen sind ein großes Plus, ebenso wie seine Wortverständlichkeit. Und gerade bei ihm beginnen die kleinen Schönheitsfehler, die vom Großteil des Publikums kaum wahrgenommen worden sein dürften. Zum einen wird er von Franziska Stanner mit der Arie aus Giuditta angekündigt, dies nimmt sie dann auch gleich zurück, erklärt, dass er nicht das Wolgaleid singen wird, um im nächsten Satz das Wolgalied anzukündigen. Und scheinbar ist er davon so durcheinander, dass er eine Textzeile des Wolgaliedes total „vergisst“ und sich nur mit großer Not wieder in die Arie zurückretten kann. Das dann auch noch in einer Orchesterpassage auf der Bühne ein leerer Stuhl des Orchesters lautstark und polternd umfällt, tut ein weiteres hinzu. Gott sei Dank hat er sich dann bei „Freunde das Leben ist lebenswert“ aus „Giuditta“ wieder gefangen und bringt diese Bravourarie aller Tenöre wunderbar mit schmetternden Spitzentönen über die Bretter, die die Welt bedeuten. Mit Recht kann er dazu tosenden Applaus erwarten. Ein großer Querschnitt aus „Orpheus in der Unterwelt“ beendet die rauschende Operettennacht (die in diesem Fall ein Operettennachmittag ist) und lässt das Publikum lange und ausdauernd klatschen. Hat sie doch der Cancan fast von den Sitzen gerissen. Ein wunderschöner Nachmittag mit viel schönen Melodien und vielen lachenden Gesichtern, die nach der Vorstellung das Theater verlassen.
Manfred Drescher, 07.10.2015
Fotos Eigenaufnahmen