Aachen: „My fair Lady“, Frederick Loewe

Das 200-jährige Jubiläum des Aachener Theaters nimmt Intendantin Elena Tzavara zum Anlass, die Opernproduktionen dieses Jahres so weit wie möglich mit der Kaiser- und Domstadt in Berührung zu bringen. Das gelang Ende der letzten Saison mit Giuseppe Verdis Oper „Ernani“ recht elegant. Immerhin findet in der Oper die Krönung Kaiser Karls V. im Aachener Dom statt. Etwas bemühter ging es in der „Zauberflöte“ zu, als man die Architektur des von Karl Friedrich Schinkel mitgeplanten Theaterbaus auf die Kulissen übertrug.

© Matthias Baus

Doch nicht nur Kaiser Karl und der Dom verleihen der geschichtsträchtigen Stadt ihr Profil, sondern Aachen ist auch mit dem CHIO, dem größten Reit-Turnier der Welt, eine Pferdestadt. Dafür ein passendes Stück zu finden, verlangt den Planern schon eine gehörige Prise an Fantasie ab. Im Opern-Repertoire wurde man nicht fündig, wohl aber im Musical, wenn Eliza Doolittle ihre mühsam gewonnenen Sprachkenntnisse auf der elitären Reitrennbahn von Ascot beweisen muss. Kurzum, die selbst Pferde-begeisterte Intendantin eröffnete die neue Saison mit Frederick Loewes Musical-Klassiker „My fair Lady“. Und das in eigener Regie mit eigenen Bühnenbildern.

Ein Stück, das mit seinem geistreichen, auf George Bernard Shaws „Pygmalion“ basierenden Libretto und der kongenialen Musik Loewes auch 70 Jahre nach seiner Uraufführung so gut wie nichts von seinem Charme und Schwung eingebüßt hat, wovon die meisten neueren Ergüsse aus den Musical-Fabriken von Lloyd Webber & Co. nur träumen können.

Gewiss gehört die Verzweiflung des Sprachforschers Prof. Higgins am verrotteten Zustand der englischen Sprache in London nicht zu den drängendsten Problemen der Welt. Aber es muss ja nicht immer bierernst auf den Theaterbühnen zugehen. Auch wenn der Spielplan des Aachener Theaters schon insgesamt äußerst konservativ ausgerichtet ist und mit Ausnahme der Uraufführung der Oper „Malina“ nach einer Vorlage von Ingeborg Bachmann wenige innovative Impulse ausstrahlt. Schade, dass man unter diesen Vorzeichen die Chance ausließ, Humperdincks „Hänsel und Gretel“ mit einem Printen-bestückten Hexenhäuschen aufs Programm zu setzen.

Besonders hervorzuheben an der Neuproduktion des Loewe-Musicals ist die Verwendung der englischen Sprache, auch in den recht ausgedehnten gesprochenen Dialogen. Da die Hauptrollen mit „native Speakers“ besetzt sind, kommen die unübersetzbaren Feinheiten der Dialekte perfekt zum Ausdruck. Gleichwohl ist die deutschsprachige Übertitelung hilfreich. Und von großem Vorteil ist auch die Besetzung des Blumenmädchens Eliza, dem Higgins in sechs Monaten den ordinären Cockney-Slang austreiben möchte, mit Claire Tunney. Sie stellt Eliza als dralles, bodenständiges vitales Mädchen dar, wodurch man erst gar nicht in Versuchung kommt, Vergleiche mit der zerbrechlich zarten Audrey Hepburn aus der legendären Verfilmung anzustellen. Tunney spielt ihre komödiantischen Talente mit Vehemenz aus, gipfelnd in ihrem umwerfenden Auftritt in Ascot.

Auch an der Besetzung der übrigen Rollen ist nichts auszusetzen. Weder an Ronan Collett als hochnäsiges Muttersöhnchen Higgins noch an Stephen Owen als besänftigenden Colonel Pickering und Kathleen Renish als verständige Mutter Higgins, die ihrem verwöhnten Sohnemann ordentlich den Marsch bläst. Und selbst der Nicht-Engländer Pawel Lawreszuk schlägt sich als Papa Doolittle sprachlich mehr als tapfer.

Im Orchestergraben sorgen das Aachener Sinfonieorchester unter Leitung von André Callegaro für mehr als hinreichenden und auf der Bühne der verstärkte Opernchor für zusätzlichen Schwung. Der Inszenierung Elena Tzavaras ist hoch anzurechnen, dass sie das Ensemble mit leichter Hand führt, ohne die feine Ironie des Stücks durch überdrehte Effekthascherei zu banalisieren.

© Matthias Baus

Pfiffig auch ihr Bühnenbild: Der riesige Schalltrichter eines historischen Grammophons bildet das Zentrum, geeignet für repräsentative Auftritte der Figuren. Ergänzt durch einen auf dem Boden verankerten Tonarm, der sich auch als Sitzgelegenheit eignet. Und wenn Higgins den Mechanismus auslöst, setzt sich die Drehbühne in Bewegung und die Spielfläche wird zu einem Plattenlaufwerk.

Insgesamt eine intelligente, geschmackvolle Produktion, die trotz ihrer dreistündigen Länge keine Langeweile aufkommen lässt und noch 13-mal in dieser Saison gezeigt wird.

Pedro Obiera 17.September 2025


My fair Lady
Frederick Loewe
Theater Aachen

Premieren-Datum: 14. September 2025

Regie: Elenza Tzavara
Dirigat: André Callegora
Sinfonieorchester Aachen