Besuchte Vorstellung am 9. Februar 2019
Premiere am 11. Januar 2019
Gruselstory zum Zweiten
Inga-Britt Andersson/Carolin Löffler/Milda Tubelyte/Matthias Stier/Jelena Bankovic/Ekaterina Kudryavtseva
Benjamin Brittens musikalische Gruselstory nach der gleichnamigen Erzählung von Henry James fesselt einen von Beginn bis hin zu dem traurigen Schluss, was entscheidend daran liegt, dass vieles nur angedeutet wird und alles irgendwie in der Schwebe bleibt. Vor allem bleibt offen, was auf dem einsamen Landsitz Bly wirklich geschehen ist, bevor die junge Gouvernante im Auftrag des reichen Vormunds die Betreuung zweier pubertierender Kinder übernommen hat. Zunächst wird sie von der Haushälterin Mrs. Grose sowie dem Mädchen Flora und dem Knaben Miles freundlich empfangen. Schon bald aber stellt sich heraus, dass die Kinder infolge geheimnisvoller Erscheinungen unter ganz schlechtem Einfluss stehen. Diese gehen zurück auf zwei bereits gestorbene „Personen“, den mysteriös verunglückten Hausdiener Peter Quint und die frühere Gouvernante Miss Jessel. Ob diese in der Realität erscheinen oder – wie bei James – Projektionen der hysterischen Gouvernante sind, bleibt bei Britten eine offene Frage.
In der Inszenierung der Generalintendantin Dagmar Schlingmann wird dies letztlich auch nicht geklärt, obwohl sich Gespenstisches aus Alpträumen in den Vordergrund drängt: So werden die von der Gouvernante mitgebrachten Spielzeugfiguren, ein Kuschel-Schlumpf und ein Glubschi, ins grotesk und bedrohlich Riesenhafte vergrößert. Die später offene Dreh-Bühne (Sabine Mader) zeigt nur ganz am Anfang geordnete Bürgerlichkeit, zu der die typisierenden Kostüme von Inge Medert gut passen. Schnell verwandelt sich die Szene in ein Horror-Spielzeugland, in dem in düsterem Nebel Autoskooter gefahren wird und ein Riesen-Dino sowie im zweiten Teil eine veritable Geisterbahn-Einfahrt bedrohlich die Bühne beherrschen – ein Extra-Lob für die tolle Arbeit der Werkstätten! Überhaupt ist dem Leitungsteam mit dieser Produktion ein wirklich großer Wurf und durchweg spannendes Musiktheater gelungen.
Milda Tubelyte/Inga-Britt Andersson/Jelena Bankovic
Dass es so fesselnd wurde, lag zunächst einmal an der den Figuren der Geschichte und ihren Problemen höchst einfühlsam nachspürenden, exzellenten Personenführung der Regisseurin, aber natürlich auch daran, dass das Opernensemble die in stimmlicher und darstellerischer Hinsicht anspruchsvollen Anforderungen kompetent erfüllte. Da ist zuerst Inga-Britt Andersson zu nennen, die die geradezu hilflos überforderte namenlose Gouvernante sehr glaubwürdig gestaltete und nach ihrer erfolgreichen Senta erneut mit in allen Lagen abgerundetem, fülligem Sopran imponierte. Ihr geheimnisvoller Gegenspieler, der teuflische Peter Quint, war bei Matthias Stier und seinem passend sowohl schneidendem als auch weich einschmeichelndem Tenor bestens aufgehoben.
Milda Tubelyte/Inga-Britt Andersson/Karolin Löffler/Jelena Bankovic
Klarstimmig gab Jelena Banković mit Barbie-Blondhaar-Perücke und hellblauem Kleidchen die Flora, wobei sie keine Zweifel ließ, dass diese – warum auch immer – ein kleines Biest war. Bei Milda Tubelytė als schlaksiger Miles gefiel in besonderem Maße, dass es ihr gelang, ihren hellen Mezzo extrem schlank und gerade zu führen, sodass der Eindruck einer Kinderstimme entstand, was durchaus im Sinne Benjamin Brittens war, der sich für die Rolle ausdrücklich einen Knaben gewünscht hatte. Mit ihrer ausgeprägten Bühnenpräsenz zeichnete Carolin Löffler die Haushälterin Mrs. Grose als mysteriöse, offenbar aber sehr liebebedürftige, stets Körperkontakt suchende Frau; erneut gefiel dabei ihr sicher geführter, farbenreicher Mezzo. Schließlich ist noch die in Braunschweig beliebte Ekaterina Kudryavtseva zu nennen, die mit ihrem souverän präsentierten Sopran die etwas undankbare Partie von Miss Jessel ausfüllte.
Matthias Stier/Milda Tubelyte
Im Graben waren 14 Mitglieder des Staatsorchesters Braunschweig am Werk, die ihren jeweils technisch alles andere als einfachen, jeweils solistischen Part sehr professionell und im Ergebnis überzeugend erfüllten. Geleitet wurden alle von Braunschweigs 1. Kapellmeister Iván López Reynoso, der mit präziser Zeichengebung für mehr als nur angemessene Ausdeutung der vielschichtigen Partitur mit ihren vielen illustrativen Elementen sorgte.
Das zu Recht begeisterte Publikum im gut besetzten Haus spendete allen Mitwirkenden starken, lang anhaltenden Applaus.
Fotos: © Thomas M. Jauk
Gerhard Eckels 10. Februar 2019
Weitere Vorstellungen: 12.2.+3.,10.3.2019 |
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