Ein dramaturgisch enttäuschender Tristan
Die Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“ von Richard Wagner in der Inszenierung von Eva-Maria Höckmayr am Staatstheater Darmstadt war doch etwas enttäuschend im Hinblick auf die Erwartung, die man an dieses Haus stellen konnte aufgrund der großen Wagner-Geschichte, die man hier vor allem unter John Dew gewinnen konnte. Die Produktion hat einige Langeweile bereitet im recht tristen Bühnenbild von Fabian Liszt, welches komplett in Schwarz- und Dunkeltönen gehalten wird mit einem auch nicht recht passenden Licht von Heiko Steuernagel. Aus dem Bühnenhintergrund blendeten Punktscheinwerfer immer wieder die Augen und reduzierten so die Sichtmöglichkeit auf den Vordergrund. Den einzigen Unterschied zu den tristen Dunkeltönen bildete das weiße Hochzeitskleid Isoldes (Kostüme Julia Rösler), mit dem allerdings im 3. Aufzug auch ein Tristan im Kindesalter herumläuft. Auch Brangäne darf einmal hell tragen.

Die Regisseurin will sich im Prinzip konzentrieren auf die Frage der Liebe als Qual von Tristan und Isolde, also die unmögliche Vervollkommnung oder Realisierung ihrer Liebe auf dieser Welt. Das Bühnenbild dazu ist eine einfache U-förmige Schiffsrumpf-Assoziation, zwischen der alles stattfindet und das immer wieder – oftmals auch zu häufig – rotiert. Die Drehbühne dreht sich nicht nur in eine Richtung, sondern auch hin und her, was viel Unruhe erzeugt, die zudem durch zahlreiche Statisten, die auf ihr bisweilen und auf Stühlen hyperaktiv agieren, potenziert wird. Die meist jungen Pärchen assoziieren im Hintergrund romantische gegenseitige Zuneigung in nicht immer klarer gestischer Intensität. Genau das würde man aber von den beiden Protagonisten vorn erwarten. Aber da ist so etwas fast Mangelware.
Es geht schon im Vorspiel los, wie fast immer in Neuinszenierungen der Werke Richard Wagners unserer Tage. Die Regisseurstheater-Regisseure können es einfach ertragen, die Vorspiele einmal auf das Publikum aus sich heraus musikalisch wirken zu lassen. Nein, sie müssen sie voll bespielen mit Aktion. Das war an diesem Abend besonders bedenklich, da es eine unaufhörliche Rennerei auf der Bühne gab von jungen Paaren, die aufeinander zuliefen, sich berührten und dann wieder trennten, um wieder zusammenzukommen und retour. Das erzeugte, ganz abgesehen von der dramaturgischen Fragwürdigkeit eine Unruhe, die das Vorspiel in seiner Wirkung nahezu marginalisierte. Es wirkte zeitweise fast kindisch, und man konnte wieder einmal sehen, dass die Musik und ihre Aussagekraft auf die Regisseurstheater-Regisseure kaum, wenn überhaupt, Eindruck macht. Sie inszenieren im Prinzip ein Theaterstück. Nicht nur war die Bewegung der Statisten im Vorspiel zu laut. Es waren überhaupt viel zu viele Statisten im ganzen Werk unterwegs, und man hatte manchmal das Gefühl, als sollten sie eine gewisse Leere zwischen den Protagonisten ausgleichen oder die wesentliche Thematik auf Randfiguren auslagern. Darüber hinaus gab es sehr viel Rampenstehen bei einer schwachen Personenregie.

Im Vorspiel des 3. Aufzugs liegt Tristan nicht etwa auf einem Bett, wo er vor sich hinsiecht. Er läuft quicklebendig auf der Bühne herum und orientiert einen Kind-Tristan mit Hochzeitskleid, wie er sich wohl verhalten soll. Tristans weißes Hemd ist zwar blutbesudelt, aber er setzt sich ganz gemütlich auf einen Stuhl und vermittelt nicht den Eindruck, dass es ihm schlechter geht als einem normalen gesunden Menschen. Das ist alles sehr nebulös und eigentlich nicht nachvollziehbar, bleibt im unverständlich Ungefähren. Es würde interessieren, was ich die Regisseurin dabei gedacht hat. Im Programmheft wird dazu wenig klar. In einem Interview spricht sie vom Schmerz als dem zentralen Thema der Oper und von Todessehnsucht. Beides wird im Verhalten Tristans zu Beginn des 3. Aufzugs nicht erlebbar, eher das Gegenteil…
Heiko Börner war an diesem Abend der Tristan, nachdem Burkhard Fritz in der Premiere gesungen hatte. Wir kennen Börner von manch anderer Bühne in dieser Rolle. Er ist doch weiterhin sehr laut mit einer stark baritonalen Mittellage. Im 3. Aufzug, wo allerdings auch das Orchester zu laut wurde, drehte er sehr auf und neigte dann auch zu heftigem Forcieren. Ganz hervorragend schlug sich Magdalena Anna Hofmann als nun wirklich erstklassige Isolde, eine wunderbare Leistung auf allen Gebieten, darstellerisch wie stimmlich auch in den extremen Höhen, ständig präsent. Mit einer hervorragenden Mimik spielte sie sehr stark die Verlorenheit, die man ihr in die Rolle schrieb.
Johannes Seokhoon Moon als König Marke sang ebenfalls sehr gut. Er wirkte allerdings viel jünger in der Königsrolle als der Tristan von Heiko Börner und hätte eigentlich eher als Partner zu Magdalena Anna Hofmann gepasst. Denn Heiko Börner kommt etwas rustikal und steif herüber. Es kommt fast kein Lächeln über seine Lippen. Die Entwicklung einer großen Sympathie zu seiner Partnerin entwickelt sich somit nicht, und darunter leidet letztlich die Wirkung der Produktion. KS Katrin Gerstenberger sang eine kraftvolle und Isolde völlig hörige Brangäne, stimmlich auf Augenhöhe mit Magdalena Anna Hofmann. Julian Orlishausen war ein sehr guter, emotional stark auf Tristan eingehender Kurwenal im 3. Aufzug, obwohl das aufgrund der Tristan-Regie im Ungefähren blieb. Er konnte jedenfalls stimmlich und auch darstellerisch voll überzeugen.

Daniel Cohen dirigierte das Staatsorchester Darmstadt. Bei der großen Wagner-Kompetenz in Darmstadt seit vielen Jahren war es manchmal doch etwas zu laut. Der Herrenchor des Staatstheaters Darmstadt war sehr gut einstudiert von Alice Meregaglia. Es war ein Vorzug des ersten Bildes, in dem auf einer großen, weißen Leinwand nur ein Quadrat frei war und man im Hintergrund den Schiffschor stehen und singen sah. Dennoch ein mehr als durchwachsener neuer „Tristan“ in Darmstadt!
Klaus Billand, 30. April 2025
Tristan und Isolde
Richard Wagner
Staatstheater Darmstadt
Besuchte Aufführung am 19. April 2025
Premiere am 3. Februar 2025
Inszenierung: Eva-Maria Höckmayr
Musikalische Leitung: Daniel Cohen
Staatsorchester Darmstadt