Bremerhaven: „Die Csardasfürstin“, Emmerich Kálmán

Bevor das in Bremerhaven früher sehr ausgeprägte Operettenangebot reduziert bzw. zu Gunsten des Musicals weitgehend aufgegeben wurde, gab es so bis etwa Mitte der achtziger Jahre in jeder Spielzeit fünf oder sechs neue Operetteninszenierungen. Die kamen meist beim Publikum gut an, aber sie waren, man muss es so sagen, oft auch eine wie die andere. Seit gut einem Jahrzehnt ist die Operette aber wieder mit mindestens einer Produktion pro Spielzeit vertreten – meistens mit sehenswertem Ergebnis auf gutem Niveau. Das kann man auch über die neue Produktion von Emmerich Kálmáns Die Csárdásfürstin behaupten.

Das unverwüstliche Werk, das 1915 mitten im 1. Weltkrieg entstand, ist ein Zugpferd erster Klasse. Nicht unbedingt wegen der Handlung, die die alten Klischees vom Standesdünkel behandelt. In dieser Weltsicht ist die Verheiratung des Adligen Edwin von Lippert-Weylersheim mit Sylva Varescu, einer Sängerin vom Varieté, natürlich völlig undenkbar. Aber bei Kálmán ergibt sich das Happy End nicht etwa dadurch, dass sich Sylva auch als Adlige entpuppt, sondern dass auch Edwins Mutter früher eine „Tingeltangel-Sängerin“ war. Das ist schon mehr als eine kleine Verschiebung der Akzente, ja fast eine revolutionäre Lösung.

© Heiko Sandelmann

Der Haupttrumpf der Csárdásfürstin bleibt aber Kálmáns in Melodik und Rhythmus einfach hinreißende Musik, die Ohrwurm an Ohrwurm reiht, von „Die Mädis vom Chantant“ und „Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht“ über „Das ist die Liebe, die dumme Liebe“ oder „Jay Maman, Bruderherz“ bis zu „Tanzen möcht’ ich“. Hartmut Brüsch am Pult des Philharmonischen Orchesters Bremerhaven ist wie immer ein Garant für eine erstklassige und inspirierende Wiedergabe. Seine Liebe zur Operette und seine Kenntnis ist in jedem Takt spürbar. Brüsch dirigiert nicht nur schwungvoll und mitreißend, er arbeitet auch die Finessen der Musik sehr ansprechend heraus. Brüsch überzeugt mit Temperament, aber auch mit seiner differenzierten Wahl der Tempi. Die Arie der Sylva “Ja so ein Teufelsweib“ wird stellenweise geradezu zelebriert. Allein die Leistung des Orchesters lohnt schon den Besuch.

Aber auch die Inszenierung von Sebastian Kranner hat ihre Meriten. Das beginnt mit der opulenten Ausstattung von Anna Kreinecker: Das in plüschigem Rot gehaltene Varieté-Theater, der mittels Tapeten dargestellte Fürstenhof oder die geschmackvollen Kostüme – dem Auge wird durchaus was geboten. Auch die Drehbühne kommt effektvoll zum Einsatz. Und ein besonderer Glanzpunkt ist die ausgefeilte Choreografie von Katharina Glas, in die auch alle Solisten einbezogen werden. Da ist ständig was los auf der Bühne. Kranners Personenführung ist zudem durchweg vergnüglich. Manchmal übertreibt er etwas und auch die Dialoge (vor allem im zweiten Teil) ziehen sich etwas in die Länge, aber insgesamt sorgt diese Csárdásfürstin für beste Unterhaltung.

© Heiko Sandelmann

Aber Kranner beschränkt sich nicht darauf, nur eine „heile Welt“ vorzuführen. Von der kann angesichts der festgefahrenen Konventionen ohnehin nicht die Rede sein. Und so kommt es beim Orchester-Intermezzo zwischen dem 2. und 3. Akt zum Knall. Ein Bild des Fürsten schwebt herab und wird zerstört, die Tapeten werden von den Wänden gerissen und legen kahle, graue Wände frei. Es gibt eine Revolution mit einer Massenprügelei und die alte Weltordnung ist zerstört. Hier thematisiert Kranner die Entstehungszeit der „Csardasfürstin“. Aber es gibt auch Hoffnung: Ein Tor wird geöffnet und die Paare entfliehen in eine neue (bessere?) Welt.

© Heiko Sandelmann

Meredith Hoffmann-Thomson, die schon in der „Liebe zu den drei Orangen“ als Fata Morgana begeisterte, ist eine stimmkräftige und persönlichkeitsstarke Sylva Varescu. Sie steht gesanglich im Mittelpunkt und kann ihre Emotionen wie Stolz und Verletzlichkeit überzeugend vermitteln. Ihr zur Seite steht Alexander Geller als etwas linkischer Edwin. Er kann die Partie mit schlankem Tenor sehr ansprechend gestalten. Victoria Kunze ist im Bremerhavener Ensemble immer eine sichere Bank. Auch als Komtesse Stasi macht sie ihre Sache mit Stimme und Charme ausgezeichnet. Andrew Irwin punktet als Graf Boni vor allem mit seiner ausgeprägten Spielfreude, während Timothy Edlin als Feri auch besinnliche Töne anschlägt. Zusammen mit Iris Wemme-Baranowski (Fürstin) singt er ein sonst gestrichenes Duett. James Bobby gibt den leicht vertrottelten Fürsten Lippert-Weylersheim und Róbert Tóth den rustikalen Eugen von Rohnsdorff. Der Opernchor (Edward Mauritius Münch) und die Ballettcompagnie bewähren sich bestens.

Wolfgang Denker, 10. November 2025


Die Csárdásfürstin
Operette von Emmerich Kálmán

Stadttheater Bremerhaven

Premiere am 8. November 2025

Inszenierung: Sebastian Kranner
Musikalische Leitung: Hartmut Brüsch
Philharmonisches Orchester Bremerhaven

Weitere Vorstellungen: 22.November, 4., 21. Dezember 2025, 18. Januar, 20. Februar, 22., 27. März, 12. April 2026