Lieber Opernfreund-Freund,
alle Jahre wieder präsentiert die Fondazione Donizetti Opera in der Geburtsstadt des weltbekannten Komponisten Raritäten aus dessen umfangreichem Schaffen – über 70 Opern hat er hinterlassen, die nirgendwo sonst zu sehen sind. Höhepunkt des diesjährigen Festivals ist sicher Caterina Cornaro, die sich die historisch verbürgte Königin von Zypern als Vorlage nimmt, die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gelebt und Zypern zwischen 1474 und 1489 regiert hat.

Die letzte Oper, deren Uraufführung der 1848 verstorbene Gaetano Donizetti noch erlebt hat, ist nie wirklich im Repertoire der Opernhäuser angekommen und nach dem gestrigen Abend frage ich mich erneut, warum. Die musikalisch hoch spannende Komposition kommt als Historiendrama daher und spinnt eine Dreiecksgeschichte um die historisch verbürgte Figur der Caterina Cornaro. Die will eigentlich Gerardo heiraten, sagt aber in letzter Sekunde die Hochzeit ab, da Lusignano, der König von Zypern, um ihre Hand anhält. Der hat es an heimischer Front mit rivalisierenden Kräften zu tun, die ihn stürzen wollen und rettet ausgerechnet Gerardo das Leben, der fortan an seiner Seite kämpft. Am Ende beweint Caterina nicht nur den gefallenen Geliebten, sondern auch den Ehemann, der die Kriegsverletzungen ebenfalls nicht überlebt, in einer fulminanten Schlussarie. Und doch ist Caterina Cornaro keine klassische Primadonnenoper wie Lucrezia Borgia oder Roberto Devereux, in der sich alles um die Sopranistin und ihre vokalen Fähigkeiten dreht. Die Komposition ist wesentlich dichter und reicher als andere Werke Donizettis und gibt auch den übrigen Figuren Raum, sich zu entwickeln.

Regisseur Francesco Micheli hat nun die Idee, dass sich eine heutige Caterina, die hochschwanger im Krankenhaus darauf wartet, dass ihr Mann operiert wird, in die historische Figur verwandelt – und das geht an keiner Stelle wirklich auf. Zwar schafft der drehbare Bühnenaufbau von Matteo Paoletti Franzato einen gelungenen Rahmen für die beiden Handlungsebenen – die eine Seite zeigt den Operationssaal eines Krankenhauses, die andere einen venezianischen Palazzo, der ebenso auf Zypern hätte stehen können – doch spätestens, als ausgerechnet der Geliebte im Arztkittel den Ehemann operieren soll und während der OP stirbt, wird der Ansatz abstrus. Am überzeugendsten bleibt Micheli noch abseits seines Konzeptes, wenn er das ausgebuffte Licht von Alessandro Andreoli, die brokatartigen, ausladenden Kostüme von Alessio Rosati und natürlich Donizettis Musik wirken lässt und mit lebendiger Personenregie punktet. Dem Vernehmen nach wurde die Regiearbeit bei der Premiere mit zahlreichen Buh-Rufen quittiert. So weit würde ich nicht gehen – tatsächlich überzeugt hat sie mich jedoch nicht.

Donizetti Opera zeigt üblicherweise Urversionen vor einer der oft zahlreichen Umarbeitungen durch den Komponisten selbst, bevor die Opern ihre Endfassung erhalten. So ist es auch bei Caterina Cornaro, der als Donizettis Erstentwurf ohne die von ihm nachgereichte Schlussarie für die Sopranistin gezeigt wird. Carmela Remigio enthält dem Publikum allerdings nicht nur diese vor, sondern auch jede ad-libitum-Variante, die Donizetti wie oft im Belcanto als hohe Linie eingefügt hat und vom Sänger oder der Sängerin nach Konstitution und Tagesform präsentiert werden kann. Die aus Pescara stammende Sopranistin bleibt in ihrer Interpretation also auf der sicheren Seite und punktet stattdessen mit einer warmen, emotionsgeladenen Mittellage und einem weichen Timbre, stimmlicher Gelenkigkeit und immensem darstellerischen Ausdruck. Keinem Spitzenton hingegen weicht Enea Scala aus, dessen Tenor vor Virilität nur so strotzt. Kraftvoll, bisweilen fast ungestüm, präsentiert er den Gerardo und empfiehlt sich damit durchaus fürs Verdi-Fach. Auf seinen Manrico im kommenden Frühjahr in Hamburg darf man also durchaus gespannt sein – den „All’armi“-Ruf in Caterina Cornaro hat er schon einmal bravourös gemeistert.

Star des Abends ist jedoch mit Sicherheit Vito Priante als Lusignano. Der Bariton des gebürtigen Neapolitaners lässt keine Wünsche offen, paar Eleganz mit imposanter Stärke, zeigt Gefühl und Durchschlagskraft zugleich. Riccardo Fassi ist ein wunderbarer Mocenigo mit seinem eindrucksvollen Bass und auch der Rest des Ensembles weiß zu überzeugen. Die Damen und Herren des Chores sehen in den Kostümen von Alessio Rosati nicht nur eindrucksvoll auf, sie meistern ihren umfangreichen Part unter der Leitung von Salvo Sgrò auch vorzüglich, während Riccardo Frizza im Graben ein dynamisches Dirigat präsentiert, feurig-packend aufspielen lässt und somit diese Rarität glänzend zu präsentieren weiß.
Ihr
Jochen Rüth
23. November 2025
Caterina Cornaro
Oper von Gaetano Donizetti
Teatro Donizetti Bergamo
Premiere: 14. November 2025
besuchte Vorstellung: 22. November 2025
Regie: Francesco Micheli
Musikalische Leitung: Riccardo Frizza
Orchestra Donizetti Opera