Parma: „Festival Verdi 2025“, Otello, Falstaff, Requiem

„Otello“, Giuseppe Verdi

Wie in meinem Bericht über Macbeth erwähnt, ist das heurige Festival Verdi den auf Shakespeare basierenden Werken des Meisters aus Busseto gewidmet. Nun also „Otello“ in einer einfach gehaltenen Regie von Federico Tiezzi, die mit weniger Versatzstücken ihr Auslangen fand: In erster Linie Stühle, einmal ein Tisch, beim Empfang fuer den venezianischen Gesandten in Vitrinen gezeigte Symbole der Macht, und schließlich Desdemonas Sterbebett. Mehrmals und in Abständen fällt auch ein roter Vorhang (z.B. fuer Jagos „Credo“). Dazu großflächige Projektionen von Wörtern wie Morte, Nulla, Dolore (Tod, Das Nichts, Schmerz). Die Bühnenausstattung stammte von Margherita Palli, die geschickte Beleuchtung von Gianni Pollini (besonders gelungen im letzten Bild). Giovanna Buzzi hatte die ansehnlichen, historisch inspirierten, aber auch phantasievollen Kostueme entworfen. Die Sänger waren gut geführt, wovon vor allem noch sehr junge Interpreten, wie beispielsweise jene des Cassio und des Lodovico profitierten.

© Roberto Ricci

Der für alle vier Vorstellungen in der Titelrolle vorgesehene Fabio Sartori musste diese erste Reprise wegen Indisposition absagen und als hochinteressanter Ersatz konnte der Aserbaidschaner Yusif Eyvazov gewonnen werden. Bekanntlich gehört das Timbre des Tenors nicht zu den bestrickendsten, passte aber zu der Rolle des Aussenseiters, der sich nicht in die Gemeinschaft einzufügen vermag (in dieser Produktion war Othello einmal mehr nicht „auf Mohr“ geschminkt). Dass Eyvazov keine stimmlichen Ermüdungserscheinungen zeigen werde, war zu erwarten, aber eine fein gestaltende Interpretation wie hier habe ich erstmals von ihm erlebt. Ueberzeugend, ja bewundernswert, wie er den Verfall einer Persönlichkeit miterleben ließ. Überragend neben ihm Mariangela Sicilia, deren voll entwickelter lyrischer Sopran nun auch die großen Ensembles des dritten Aktes mühelos bewältigte. Und dazu eine Skala psychologischer Feinzeichnung, die Desdemona als starke junge Frau interpretierte, weit weg von der Nervensäge, als die sich sonst so oft mit ihren Bitten um Cassios Begnadigung erweist. Großartig! Diesen beiden Leistungen stand der Mongole Ariunbaatar Ganbaatar nicht nach. Sein kraftvoller Bariton hat nicht ganz die Schönheit der Stimme seines Landsmanns Enkhbat (und dessen perfekte Diktion), ist aber technisch beeindruckend genug und vermochte auch szenisch zu überzeugen. Mehr als vielversprechend klang Davide Tuscano als Cassio, und auch Francesco Leone (Lodovico) stellte stimmlich seinen Mann. Als Roderigo bzw. Montano gefielen Francesco Pittari und Alessio Verna. Zuverlässig die Emilia von Natalia Gavrilan, als Herold ergänzte Cesare Lana.

© Roberto Ricci

Das Dirigat von Roberto Abbado erwies sich als außerordentlich inspiriert und fuer die Sänger wie fuer die Filarmonica Arturo Toscanini auch besonders inspirierend. Ich habe diesen Maestro immer geschätzt, aber mit dieser musikalischen Leitung wuchs er über sich hinaus. In Abwandlung der „nach Athen getragenen Eulen“ darf gesagt werden, dass ein Lob des Chors del Teatro Regio di Parma in der Einstudierung von Martino Faggiani hieße, „Schinken und Parmesan nach Parma zu bringen (die geneigte Leserschaft möge das Scherzchen verzeihen). Beim von Massimo Fiocchi Malaspina einstudierten Kinderchor fiel einmal mehr auf, dass er praktisch nur aus Mädchen bestand.

Nach dem starken, langen Jubel fuer diese Neuproduktion erschienen die Projektion einer palästinensischen Fahne und der Aufruf „Free Gaza“, vom Publikum mit großem Applaus begrüßt, der nur von einem einsamen, aber hartnäckigen Buhrufer konterkariert wurde.

Eva Pleus, 23. Oktober 2025


Otello
Giuseppe Verdi

Teatro Regio di Parma

Vorstellung am 5. Oktober 2025

Inszenierung: Federico Tiezzi
Musikalische Leitung: Roberto Abbado
Filarmonica Arturo Toscanini


„Falstaff“, Giuseppe Verdi

Diese gelungene Produktion wurde erstmals 2017 gezeigt und nun wieder aufgenommen. Leider konnte sie nur zweimal gespielt werden, denn die fuer den 3.10. vorgesehene Premiere fiel dem italienischen Generalstreik gegen die Haltung der Regierung im Gazakonflikt zum Opfer. (Auch bei dieser zweiten und letzten Aufführung gab es nach dem Schlussapplaus die bei „Otello“ gesehenen Projektionen).

Doch nun zu diesem schönen Abend: Regisseur Jacopo Spirei hatte sich von Nikolaus Webern ein vielfältig zu verwendendes Bühnenbild entwerfen lassen. So waren auf der linken Bühnenseite graphisch dargestellte typische Häuserfassaden einer englischen Kleinstadt zu sehen, die rechte gab einen Blick in die Behausung der Fords frei. Im 2. Akt gab es Platz fuer ein „mordstrumm großes Bett“ an der Stelle, die zuvor als Piazza gedient hatte. Die Schenke, in der Falstaff und seine Kumpane hausen, war durch eine hölzerne Wandverkleidung gekennzeichnet. Fuer das letzte Bild wurden die Fassaden in die Höhe gezogen, und es erschien nicht eben ein Wald, aber ein Gebüsch, das bestens fuer das Versteckspiel dieser Szene geeignet war. Die originellen Kostueme von Silvia Aymonino zeigten, ebenso wie eine Verkehrsampel, an, dass wir uns nicht in Merry Old England befanden, sondern in der Jetztzeit. Und das zeigten auch die Solisten mit ihrem unbefangenen, im besten Sinne „modernen“, Auftreten.

© Roberto Ricci

Unterstützt wurden sie dabei von der vorzüglichen musikalischen Leitung des erst 32-jaehrigen Michele Spotti, der der Filarmonica Arturo Toscanini die reizvollsten Klänge entlockte und die Instrumente der einzelnen Pultführer zu ironischem Funkeln brachte. Chapeau, wenn es in so jungen Jahren gelingt, Verdis schwierig zu dirigierendes Alterswerk nicht nur problemlos, sondern auch so zündend zu meistern. Die Titelrolle war dem einzigen Nichtitaliener der Besetzung anvertraut, dem Georgier Misha Kiria, dessen runde Gestalt keine weitere Polsterung fuer die Titelrolle benötigte. Seinen auffallend schön timbrierten, aber auch voluminösen Bariton setzte der Kuenstler technisch einwandfrei und sehr nuanciert ein. Man nahm ihm den etwas tapsigen Ex-Edelmann gerne ab und freute sich, dass er am Schluss mit seinen früheren Antagonisten feiern gehen durfte. In Stimmschönheit und Verve auf Augenhöhe mit diesem sympathischen Angeber war die Quickly der Teresa Iervolino, die ihren Mezzo auch kundig in die verlangten Alttiefen führte. Zum Schreien komisch, aber ohne Outrage, ihre Darstellung.

© Roberto Ricci

Nach ein paar verwackelten Tönen zu Beginn war Roberta Mantegna eine Alice mit schön ausschwingender Stimme, die sich köstlich über Falstaff, aber auch über ihren Gatten, amüsierte. Ihr Angetrauter in Gestalt von Alessandro Luongo war darstellerisch wenig charismatisch, sang aber mehr als passabel. Mit schon etwas über die Rolle hinausgehendem Sopran gestaltete Giuliana Gianfaldoni eine spitzbübische Nanetta. Ihr Fenton war bei Dave Monaco und seinem klar timbrierten Tenor bestens aufgehoben. Aus der (hier dem Alkohol nicht abgeneigten) Meg Page machte Caterina Piva eine ihren Partnern gleichwertige Protagonistin. Einen quicklebendigen Bardolfo gab Roberto Covatta, zurückhaltender interpretierte Eugenio Di Lieto den Pistola. Gregory Bonfatti war ein geboten unangenehmer Dr. Cajus.

Ein erfrischender, absolut sehens- und hörenswerter Abend.

Eva Pleus, 23. Oktober 2025


Falstaff
Giuseppe Verdi

Teatro Regio di Parma

Vorstellung am 16. Oktober 2025

Inszenierung: Jacopo Spirei
Musikalische Leitung: Michele Spotti
Filarmonica Arturo Toscanini


„Messa da Requiem“, Giuseppe Verdi

Dieser Nachmittag beeindruckte mehr durch die hohe Qualität von Solisten und Chor, als durch das sichere, aber wenig phantasievolle Dirigat des Texaners mit mexikanischen Wurzeln Robert Treviňo am Pult der Filarmonica Arturo Toscanini. Die Sänger bereiteten allerdings einen mehr als entschädigenden Hörgenuss. Da war Marta Torbidoni, die den Sopranpart nicht nur mit luxuriös timbrierter Stimme, exzellenter Technik und bestens bewältigten Tiefen des „Libera me“ sang, sondern auch in dessen Gestaltung tief berührte. Da war der 1996 in Neapel geborene Mezzosopran Valentina Pernòzzoli, eine veritable Entdeckung – man kann der Künstlerin angesichts einer voluminösen und an Obertönen reichen Stimme furchtlos eine schöne Karriere voraussagen. Ihre stimmliche Leistung wurde durch hohe stilistische Sicherheit abgerundet. Fuer den ursprünglich vorgesehenen Galeano Salas, der an der Scala den erkrankten Dmitrij Korchak als „Rigoletto“-Herzog vertreten musste, wurde Piero Pretti engagiert, dessen Timbre vielleicht etwas neutral ist, der den Tenorpart aber sicher und stilvoll interpretierte, auch die gefürchteten „Ingemisco“ und „Hostias“ nicht nur bestens bewältigte, sondern seinen Einsätzen auch viel Ausdruck verlieh.

© Roberto Ricci

Der Basspart war dem gefeierten Lokalmatador Michele Pertusi anvertraut, der mit seiner stimmlich und interpretatorisch intensiven Leistung den Jubel fuer ihn durchaus rechtfertigte. Und was zum wiederholten Mal vom Coro del Teatro Regio di Parma in der Einstudierung durch Martino Faggiani sagen? Einfach großartig!

Leider zwang mich die Abfahrtszeit des Zugs zurück nach Mailand, an den Ovationen am Schluss des Konzerts nicht bis zum Ende teilnehmen zu können.

Eva Pleus, 23. Oktober 2025


Messa da Requiem
Giuseppe Verdi

Teatro Regio di Parma  

Vorstellung am 18. Oktober 2025

Dirigent: Robert Treviňo
Filarmonica Arturo Toscanini
Chor des Teatro Regio di Parm
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