Hildesheim: „Hochzeit in Hollywood“, Oscar Straus

Nach „Die Perlen der Cleopatra“ gibt es nun mit „Hochzeit in Hollywood“ im Theater für Niedersachsen (TfN) eine weitere Operette von Oscar Straus aus den 1920er-Jahren, die ebenfalls so gut wie nie mehr aufgeführt wird. Der Intendant des TfN Oliver Graf, Regisseur der Ausgrabung,führtauf der Homepage des Theaters aus, dass „der ursprüngliche Konflikt – die gesellschaftlich inakzeptable Liebe zwischen einem Adelsspross und einer Schauspielerin – heute an Aktualität eingebüßt“ habe. Deshalb lässt er die Schauspielerin Mizzi von der Dragqueen Loreley Rivers spielen. Außerdem hat er das Libretto und die Dialoge auf die besondere Besetzung zugeschnitten. Er lässt das Ganze als Show in einem Berliner Cabaret spielen, wie ein Conférencier im Glitzerkostüm sogleich und auch zwischen den einzelnen Bildern erläutert.

© Tim Müller

Kurz zum Inhalt: Die gefeierte Dragqueen Mizzi und ihr geliebter Felix führen eine leidenschaftliche Liaison, was vom Präsidenten, Felix‘ erzkonservativem Vater, nicht gern gesehen wird. Durch eine Intrige des Vaters und seines Staatssekretärs werden die Liebenden getrennt, was Mizzi so sehr verletzt, dass sie empört Europa verlässt und nach Hollywood verschwindet. Dort steigt sie weiter zu einem Star im Varieté von Mr. Wissels auf und trifft nach einigen Jahren auf Felix, der auf der Suche nach einem Job im Varieté oder beim Film ist. Und es gibt mit Bessie, der Sekretärin von Mr. Wissels, und dem skurrilen Milliardär Teddy Vandermeere natürlich auch ein Buffo-Paar. Wenn man den Titel der Operette verinnerlicht, weiß man, dass es – wie in der Operette unvermeidlich – für beide Paare ein Happyend gibt.

In Hildesheim ist aus der walzerseligen Operette eine flotte, durchgehend unterhaltsame Show, eine Art diverses Spektakel geworden, das in der Premiere begeistert aufgenommen wurde. Die in reichlich Trockeneis wabernde Bühne war nur mit wenigen Requisiten versehen, so dass die lebhafte Regie und vor allem die mitreißende Choreografie von Annika Dickel gut zum Tragen kam (Ausstattung: Sebastian Ellrich). Divers war das Ganze nicht nur durch die Dragqueen, sondern auch durch die Besetzung zweier männlicher Rollen durch Neele Kramer. Die bewährte Mezzosopranistin gab mit ihrer kräftigen Stimmedie etwas ausufernden Texte des Conferenciers ebenso augenzwinkernd wieder wie die Verzweiflung des Varietéchefs Widdels über die Extravaganzen seines Showstars Mizz Marylou, wie Mizzi nun in Hollywood hieß.

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Mit ihrer außergewöhnlichen Bühnenpräsenz beherrschte Loreley Rivers als Mizzi alias Marylou stets die Szene, wobei sie nicht nur der gefeierte Showstar war, sondern in den ruhigeren Momenten auch das Innere der verletzten Dragqueen verdeutlichte. Die gesanglichen Szenen waren sehr geschickt aufgebaut, indem sie öfter in prägnanten Sprechgesang überging, aber auch die schönen Melodien neben dem flexiblen Tenor von Julian Rohde alsFelix in den Walzern „Märchen der Liebe“ oder „Fühlst du nicht, was meine Hand dir sagt?“ gut gelangen. Mit dem plötzlichen, etwas klamaukigen Happyend endete das Ganze nicht. Dagegen stand am Schluss das von der Rivers gesungene Hoffnungs-Chanson „Irgendwo auf der Welt
gibt’s ein kleines bisschen Glück“ von Werner Heymann – ein besinnlicher, sehr überzeugender Schluss, der einen nachdenklich stimmte.

Im Übrigen waren das Hildesheimer Musiktheaterensemble und die ausgesprochen beweglichen Choristen mit mehreren solistischen Aufgaben überaus spielfreudig bei der Sache – offensichtlich hatten alle Mitwirkenden ihren Spaß. Gut aufgehoben war das Buffo-Paar bei Sonja Isabel Reuter als muntere, feinstimmige Bessie, die sich sogar als Domina versuchen musste, und mit markigem Bariton auftrumpfendem Andrey Andreychik als urkomischem Vandermeere.

© Tim Müller

Als aufdringlicher Verehrer der Dragqueen Nino Namara erlebte man Eddie Mokofeng, von dessen charaktervollem  Bariton man gern mehr gehört hätte. Gleich in drei Rollen, als Staatssekretär, Professor Crook und Filmregisseur Smith trat jeweils witzig der vielseitige Schauspieler Jan Kämmerer auf; ihm sind die Längen der abschließenden Szene im Filmstudio nicht anzulasten. Ein ganz großer Pluspunkt der Inszenierung ist die Choreografie von Annika Dickel, der es wieder gelang, alle Mitwirkenden durchgehend zu teilweise nicht gerade einfachen tänzerischen Bewegungen zu veranlassen, seien es die Solisten, aber vor allem auch die Damen und Herren des Opernchors des TfN, der in der bewährten Einstudierung von Achim Falkenhausen schönen, abgewogenen Chorklang entwickelte. Die musikalische Gesamtleitung hatte wieder Hildesheims scheidender GMD Florian Ziemen, der die tüchtige TfN-Philharmonie und alle anderen auf der Bühne zu beschwingtem, aber auch lyrisch besinnlichem Musizieren brachte.

Nach häufigem Zwischen-Applaus brachen am Schluss wahre Begeisterungsstürme des Publikums aus, die sich alle Mitwirkenden und das Regie-Team wirklich verdient hatten.

Gerhard Eckels, 23. Februar 2025


Hochzeit in Hollywood
Oscar Straus

Hildesheim – Theater für Niedersachsen (TfN)

Premiere am 22. Februar 2025

Inszenierung: Oliver Graf
Musikalische Leitung: Florian Ziemen
TfN-Philharmonie