Wien: „Onegin“

Vorstellung am 08.01.2020

Grosse Gefühle

Ein grosser Klassiker steht mit John Crankos Ballett „Onegin“ erneut am Spielplan der Wiener Staatsoper und in der 47. Vorstellung erfreute sich das Publikum ob eines gelungenen Rollendebüts des Titelhelden und versierten Protagonistinnen.

Erstmals ist Robert Gabdullin als Onegin zu erleben, der bisher vermehrt Prinzenpartien tanzte, und nun in einer sehr ausdrucksstarken Weise reüssiert. Der blasierte Dandy, der die gesamte Dorfgesellschaft nur müde belächelt gelingt ihm genauso überzeugend, wie im herrlich-romantischen Spiegel-Pas de deux der Verführer, da kann man nachvollziehen, wie Tatjana sich den Onegin erträumen würde! Umso stärker holt er einen dann in die „Realität“ zurück, wenn er rücksichtslos Tatjanas Liebesbrief zerreisst und Lenski zu einer Duellaufforderung provoziert, indem er mit Olga flirtet. Gabdullin besteht besonders im 3. Akt die Gratwanderung zwischen starkem Ausdruck und zu affektiert gekonnt, glaubwürdig ist sein älter gewordener Onegin, der realisiert, die Liebe seines Lebens verloren zu haben.

Nina Polakova, welche bereits seit knapp 10 Jahren noch in jeder Vorstellung als Tatjana begeistert hat, reisst auch diesmal das Publikum vom ersten Augenblick an mit, überzeugend mimt sie das junge, verträumte Mädchen mit ersten schüchternen Flirtversuchen, geradezu jubelnd lässt sie sich in der Spiegelszene durch die Lüfte wirbeln, umso stärker wirkt ihre Verzweiflung ob der verschmähten Liebe und der ruhige, vorwurfsvolle Blick, als Onegin Lenski erschossen hat, um im 3. Akt als elegante Fürstin aufzublühen, die in der Gesellschaft Contenance behalten kann, als Onegin ihr erneut begegnet, und deren Liebe zu ihm aber nie erloschen ist.

Der finale Pas de deux wird zu einem Höhepunkt der Gefühle, Polakova und Gabdullin vermitteln leidenschaftlich das Drama und ernten verdient tosenden Applaus.

Doch nicht nur das Hauptpaar ist vortrefflich besetzt, auch Denys Cherevychko als Lenski und Natascha Mair als Olga begeistern auf ganzer Linie. Nicht nur grossartig getanzt, sondern auch die berühmte Chemie stimmt, der Pas de deux der beiden ist eine pure Freude, Cherevychko ist nicht nur ein schwärmerischer Dichter, der die liebliche Olga vergöttert, sondern ebenso impulsiv im 2. Akt, dass sich das Drama unweigerlich schon früh für die Zuschauer abzeichnen kann. Mair war schon die vergangenen Aufführungsserien eine brillante, herzerfrischende Olga, die szenische Details stilvoll auskostet (sei es, dass sie zwar Lenski und Tatjana kurz einander vorstellt, aber auch einen Handkuss charmant unterbindet, oder das Flirten mit Onegin in vollen Zügen geniesst) dieses mal gewinnt sie noch an dramatischer Darstellung (die Duellszene ist von allen vier Protagonisten gleichwertig stark getanzt) und macht neugierig auf neue, dramatischere Hauptpartien.

Als Fürst Gremin erweist sich Alexis Forabosco als nobler und sicherer Partner, ebenfalls öfters war auch Erika Kovacova als Madame Larina zu erleben, sympathisch-schrullig ist Beata Wiedner als Amme (Rollendebüt). Im Corps de Ballet waren ebenfalls einige Rollendebüts zu verzeichnen, was der üblichen Harmonie aber nicht im geringsten trübte.

Mit anfangs zügigen Tempi, aber im 3. Akt umso gefühlvoller und das Drama ideal untermalend spielte das Orchester der Wiener Staatsoper unter der Leitung von Ermanno Florio. Sicher auch mit ein Faktor, weswegen nicht nur die Schlussszene zu Tränen rührte.

Folgevorstellungen: 11., 13. 17., 23., 26.1.2020 (11.1. Polakova, Peci, Mair, Cherevychko, 13.1. Polakova, Peci, Fogo, Dato, 17.1. Polakova, Gabdullin, Fogo, Dato, 23. und 26.1. Papava, Lazik, Young, Feyferlik)

Katharina Gebauer, 10.1.2020

Bilder (c) Staatsballett