Mailand: „L’elisir d’amore“

Mein Unbehagen über diese Inszenierung habe ich in früheren Besprechungen, zuletzt 2019, mehrfach zum Ausdruck gebracht. Aus Zürich in der Regie von Uto Ughi importiert, wird sie seit 2015 von Grischa Asagaroff betreut, der jedes Mal versucht, die Handlung, die sich in den zuckerlfarbigen Kostümen und Bühnenbildern von Tullio Pericoli zäh dahinzieht, zu beleben. Das schlägt sich vor allem darin nieder, dass Choristinnen und Choristen in den Szenen mit Belcores Soldaten hektische Aktionen vollführen. Das Liebespaar bleibt vollkommen unterbelichtet, die rührende Geschichte vom verliebten Nemorino und der zunächst abweisenden Adina erhält kein Profil. Bei den Herren Dulcamara und Belcore könnte es besser laufen, wären sie durch Perücke bzw. grotesken Kopfputz nicht so verschandelt.

Ein Blick auf die ursprünglich angekündigte Besetzung, von der nur Belcore und Giannetta übrig blieben, zeigt einmal mehr, wie „fluktuierend“ dieser Bereich behandelt wird: Als erkrankt gemeldet war nur Aida Garifullina (die zunächst die erste, dann alle fünf Vorstellungen absagte), über René Barbera und Carlos Álvarez wurde nichts Weiteres bekannt.

Adina war nun die junge Benedetta Torre, die ihre Darstellung stark auf der hantigen Seite anlegte, was durch das Fehlen von Charme zu ihrem (offenbar durch mangelnde Stütze) vibratoreichen Sopran passte. Paolo Fanale war in der Premiere vom Publikum mit Buhs bestraft worden, sodass in der zweiten Vorstellung Francesco Meli einspringen musste und ab dieser dritten der vorgesehene Vittorio Grigolo zum Einsatz kam. Der Tenor war bestens bei Stimme, seine Technik ist bekannt tadellos, aber mit Nemorino hat seine Interpretation nichts zu tun, denn sie ist reine Selbstbespiegelung und lief unter dem Motto „Wie schön ich bin, wie gut ich singe“. Das schlug sich vor allem in manierierten Super-Pianissimi nieder. Als Belcore hörte ich zum ersten Mal Davide Luciano, der eine anständige Leistung bot, ohne hinzureißen (was auch auf das Konto der atmosphärelosen Inszenierung ging). Giulio Mastrototaro erwies sich neuerlich als ausgezeichneter Buffo, auch wenn die von Künstlern wie etwa Corena, Taddei oder Panerai vorgegebenen interpretatorischen Ansprüche noch nicht ganz erreicht wurden.

Die seinerzeit aus der Accademia hervorgegangene Francesca Pia Vitale gab eine frische Giannetta. Das Orchester des Hauses unter der Leitung von Michele Gamba klang während der Ouvertüre noch ein wenig matt, verbesserte sich aber im Laufe des Abends. Stimmlich gut der Chor unter seinem neuen Direktor Alberto Malazzi.

Das Haus war diesmal sehr gut besucht, wobei auffiel, dass ein Großteil des Publikums das populäre Werk nicht zu kennen schien und erst bei der „Furtiva lagrima“ auftaute, um heftig zu applaudieren. Am Schluss gab es viel Beifall für alle, der von Grigolo mit seinen üblichen Übertreibungen bedankt wurde.

Eva Pleus 23.11.21

Bilder: Brescia&Amisano / Teatro alla Scala