Berlin: Gala der Staatlichen Ballettschule

Erst vor wenigen Tagen begeisterte das Bundesjugendballett in der Philharmonie – nun gab es am 21. 1. 2022 in der Staatsoper einen nicht weniger akklamierten Abend. Die Staatliche Ballettschule Berlin feierte ihr 70jähriges Bestehen mit einer Gala, die eine filmische Retrospektive von Tobias Busch eröffnete. Erster Live-Beitrag war eine der drei Uraufführungen des Programms – Giorgio Madias Dance, Dance, Dance! auf den Song „Sing, Sing, Sing“ von Benny Goodman. Ein munterer Auftakt mit originell-witzigen Kostümen, in dem Schülerinnen und Schüler des 2. bis 5. Ausbildungsjahres zum Einsatz kamen. In der nächsten Nummer präsentierte sich mit Victor Caixeta ein prominenter Absolvent des Berliner Institutes, der inzwischen Solist am Mariinsky-Theater St. Petersburg ist. Mit Elisabeth Tonev vom Het Nationale Ballet Amsterdam zeigte er die Balkonszene aus Prokofjews Romeo und Julia in der Choreografie von Leonid Lawrowski – eine gediegene Interpretation von poetischer Anmut und tänzerischer Exzellenz. Das folgende Divertissement aus Paquita – in der Choreografie von Marius Petipa ein Prüfstein für die tänzerische Bravour einer Compagnie und daher ein Dauerbrenner im Repertoire der Ballettschule – war ein Höhepunkt des Abends. Diana Laura Montes Mota und Filippo Pagani brillierten als Solopaar, Leena Coulie und Yusei Kobayashi boten in den beiden Variationen graziöse und virtuose Auftritte.

Zu Beginn des zweiten Teiles war Gelegenheit, eine weitere renommierte Absolventin der Ballettschule zu erleben. Katja Wünsche machte 1999 ihren Abschluss in Berlin und ist seit 2012 Erste Solistin beim Zürich Ballett. Nun beehrte sie die Gala als Ehrengast und bot mit Cohen Aitchison-Dugas (ebenfalls vom Zürich Ballett) eine Choreografie von Christian Spuck, designierter Intendant des Staatsballetts Berlin. Nocturne auf Chopins Musik ist ein expressiver Pas de deux, gezeigt in tänzerischer Noblesse und mit berührend menschlicher Aura.

Better, Faster, Stronger war der Titel der zweiten Uraufführung, wieder von Giorgio Madia: ein Tanz von geballter Energie mit jungen Tänzern in Jeans und weißen T-Shirts – so witzig wie bravourös und durchweg überwältigend. Mit Polina Semionova, Honorarprofessorin an der Ballettschule, gab es einen weiteren Ehrengast des Abends. Sie zeigte das Solo Cinque von Mauro Bigonzetti auf zwei sakrale Kompositionen Vivaldis – ein ausdrucksstarkes Stück mit schmerzlichem Ausdruck und von der Berliner Kammertänzerin bewegend interpretiert. Der finale Beitrag – die Uraufführung About Us von Kelvin O. Hardy auf eine lärmende Klangcollage mit eingestreuten Sprachfetzen – bot trotz imponierender Momente keine weitere Steigerung. Der Choreograf und Pädagoge kam 1989 aus New York nach Berlin und unterrichtet seit 30 Jahren an der Ballettschule Contemporary und Modern Dance. Sein neues Stück bietet viel Bodenarbeit, ist stilistisch zu divers und im Timing überdehnt, wurde aber dennoch vom Publikum enthusiastisch bejubelt – wie am Ende der Beifall für alle Mitwirkenden nicht enden wollte. Würdiger konnte das Jubiläum der Staatlichen Ballettschule nicht begangen werden.

Bernd Hoppe 21.1.22