Berlin: „From Berlin with Love“ Vol. II

Das Berliner Staatsballett tanzt wieder

From Berlin With Love Vol. II nannte das Staatsballett seine Gala, die am 19. 9. 2020 in der Staatsoper unter Corona-Auflagen Ausschnitte aus dem klassisch-romantischen Repertoire präsentierte, nachdem Vol. I Ende August zeitgenössische Arbeiten von Tänzern des Ensembles gezeigt hatte. Der Abend begann mit einer Fotogalerie und einem eingespielten Film über das Staatsballett (Clementine Pohl/Vladislav Marinov).

Der tänzerische Auftakt mit Cesare Pugnis Pas de quatre in der Choreografie von Anton Dolin (nach Petipa) zeigte das fiktive Zusammentreffen von vier legendären Ballerinen. Als Lucile Grahn, Carlotta Grisi, Fanny Cerrito und Marie Taglioni sorgten Evelina Godunova, Aya Okumura, Sarah Hees-Hochster und Yolanda Correa für anmutige und graziöse Momente, brillierten auch gebührend in den individuellen Soli. Nur die bescheidene Qualität der Toneinspielung trübte den Gesamteindruck.

Gleich der zweite Beitrag des Programms, der Grand Pas de deux aus Riccardo Drigos Le Corsaire in der Choreografie von Marius Petipa, markierte dessen Höhepunkt. Denn mit Iana Salenko und Daniil Simkin war ein Paar angetreten, das mit sicher bewältigten Schwierigkeiten und hoheitsvoller Attitüde einen sensationellen Auftritt hatte. Der Erste Solist der Compagnie bot später noch Siegfrieds Variation aus dem 1. Akt von Tschaikowskys Schwanensee (Choreografie: Patrice Bart nach Petipa), die von Alina Pronina/Klavier, Lothar Strauß/ Violine und Andreas Greger/Cello sehr einfühlsam begleitet wurde. Auch Simkin berührte – trotz minimaler Unsicherheiten – mit seiner sensiblen Interpretation, welche den Prinzen in seiner romantischen Sehnsucht anschaulich zeichnete. Es war dies die erste von insgesamt drei Szenen aus Tschaikowskys Klassiker. In der Mazurka hatten neun Herren des Ensembles, angeführt von Olaf Kollmannsperger, ihren temperamentvollen Auftritt. Salenko und Marian Walter boten mit dem Pas de deux aus dem 2. Akt, den sie technisch vollendet und mit innigem Ausdruck zelebrierten, ein weiteres Glanzlicht. Hatten zwölf Tänzerinnen als Schwäne hier für den stimmungsvollen Rahmen gesorgt, waren sie zuvor auch als Willis im 2. Akt aus Adolphe Adams Giselle zu sehen. Aurora Dickie gab die Myrtha technisch souverän und mit strenger Aura.

Willkommen war die Bekanntschaft mit einer unbekannten Nummer (Variations for Four) in der Choreografie von Anton Dolin auf Musik von Marguerite Keogh. In diesem Bravourstück glänzten Dominic Whitbrook, Nikolay Korypaev, Murilo de Oliveira und Kollmannsperger. Zum Schluss sorgten Ksenia Ovsyanick und Dinu Tamazlacaru für Temperament, spanisches Flair und Brillanz im Grand pas de deux aus Ludwig Minkus’ Don Quixote (Choreografie: Victor Ullate). Der Jubel der Zuschauer danach kündete auch von ihrer Sehnsucht, in den Opernhäusern bald wieder komplette Ballettaufführungen genießen zu können.

Bernd Hoppe, 23.9.2020

(c) Yan Revazov