Berlin: Gauthier Dance Stuttgart

Vorstellung am 17. 1. 2020

Zu Gast in Berlin

Zum dritten Mal gastierte die von Eric Gauthier gegründete Stuttgarter Dance Company im Haus der Berliner Festspiele. Nach Marco Goeckes Choreografie Nijinski vor zwei Jahren und dem dreiteiligen Abend Mega Israel im Vorjahr gab es nun ein fünfteiliges Programm unter dem Motto Classy Classics.

Ein Stück des Großmeisters der israelischen Tanzästhetik Ohad Naharin, der mit seiner Batsheva Dance Company Geschichte schrieb, bestimmte den ersten Teil. Unter dem Titel Decadance stellt der Choreograf für jedes Gastspiel eine neue Version mit Ausschnitten aus seinen Arbeiten zusammen. In Berlin sah man die Gruppe der 18 Tänzer anfangs stehend verharren, erst später folgte die typische Bewegungssprache Naharins mit kraftvollen Sprüngen, schnellen Drehungen und der von ihm kreierten Gaga-Methode mit dem Nonsens- Vokabular, welches das Stück freilich unnötig längte. Aber man sah auch zwei fesselnde Duos, das erste witzig zwischen einem Tänzer und einer Tänzerin in weiten roten Hosen, das zweite zwischen zwei Tänzern von starker homoerotischer Spannung.

Nach der Pause gab es zunächst eine Arbeit von Eric Gauthier selbst aus dem Jahr 2009 mit dem Titel Orchestra of Wolves auf den 1. Satz von Beethovens 5. Sinfonie. Das groteske Stück zeigt einen Dirigenten, umgeben von sechs Orchestermusikern in Wolfsmasken, die sich ihrem Leiter bedrohlich nähern und ihn schließlich seines Amtes entheben. William Forsythes Herman Schmerman Duet von 1992 ist ein Klassiker des zeitgenössischen Tanzes in seiner Kombination von Neoklassik und Moderne. In diesem einzigen Beitrag des Abends, der auf Spitze getanzt wurde, überzeugten die elegante Bruna Andrade und der charismatische Nicholas Losada. Marco Goecke ist der Company seit langem verbunden und seit Januar 2019 auch zum Artist in Residence berufen. Sein Solo Äffi auf drei Songs von Johnny Cash stand für den solistischen Beitrag des Programms und markierte gleichzeitig dessen Höhepunkt. Theophilus Vesely entfesselte in einer fünfzehnminütigen tour de force in der typisch pathologischen Sprache des Choreografen mit flatternden, zuckenden, zappelnden, zitternden Bewegungen eine Atem beraubende Performance.

Glücklicherweise fiel das Finale mit dem Titel Malasangre in der rasanten Wirkung nicht ab – das Stück in der Choreografie und Ausstattung von Cayetano Soto entstand 2013 als Hommage an die kubanische Sängerin La Lupe. Die Songs der Queen of Latin Soul lieferten dann auch die mitreißende akustische Folie. Die halbnackten Tänzer in kurzen Röcken agierten auf einem mit schwarzen Stoffschmetterlingen bedeckten Boden und entfachten einen

furiosen Tanzwirbel von überschäumendem Temperament, der den Abend im Publikumsjubel enden ließ.

Bernd Hoppe, 19.1.2020

Bilder (c) GDS