Kaiserslautern: „Halka“, Stanisław Moniuszko

Premiere am 23.0.2015

Szenisch nicht der große Wurf

Lieber Opernfreund-Freund,

am Wochenende führte mich meine Raritätenjagd in die Pfalz. Am Samstag hatte in Kaiserslautern Stanislaw Moniuszkos Oper „Halka“ Premiere. Das Werk gilt als erste Nationaloper Polens, wird außerhalb des Mutterlandes so gut wie nie gespielt, gehört aber an polnischen Bühnen zum festen Repertoire. Gegeben wird die vieraktige Fassung, die 1858 in Warschau uraufgeführt wurde und unter anderem zwei wundervolle Arien und zwei Tänze mehr enthält als die bereits zehn Jahre zuvor im heutigen Vilnius gezeigte Urfassung. Die Oper behandelt vordergründig die Geschichte der Leibeigenen Halka, deren Liebe zum Großgrundbesitzer Janusz unerfüllt, aber nicht folgenlos bleibt. Er muss sich, den gesellschaftlichen Konventionen beugend, standesgemäß verheiraten, Halka träumt vom unerfüllbaren Glück und verschmäht den Jugendfreund Jontek, der wie sie dem unterjochten Volk der Goralen angehört. Die Oper endet mit dem Freitod der jungen Frau; Janusz und Jontek bleiben verzweifelt zurück. Die Unmöglichkeit der Verbindung zwischen Herr und leibeigener Magd wird jedoch schon im Libretto in einen weiteren Zusammenhang gestellt, wird gezeigt als Sinnbild für Unrecht und Unterdrückung. Das Sehnen Halkas nach Erfüllung der Liebesbeziehung wird zum Sehnen des Volkes nach Freiheit.

Musikalisch ist das durchkomponierte Werk wunderbar melodienreich und erinnert stellenweise an die Werke von Albert Lortzing. Arien und Duette bezaubern regelrecht. Einige eingestreute Tänze schaffen polnisches Lokalkolorit. Am Pfalztheater hat man sich entschieden, die Oper auf Deutsch zu zeigen, was leider genau diesem Kolorit entgegen wirkt und angesichts der zusätzlichen Übertitelung überflüssig scheint. Hier hätte dem Abend zumindest eine Überarbeitung der Übersetzung von Walter Zimmer nicht geschadet, die schon bei ihrer Entstehung 1959 antiquiert geklungen haben muss und deren hölzern-gestelzter Sprachstil nicht selten haarscharf am Kitsch vorbei schrammt. Unterstrichen wird genau dies leider durch die biedere Regie von Michael Sturm. Die Darstellung auf der Bühne strotzt nur so vor Pathos. Da wird mit großen, ausladenden Gesten die Liebe beschworen, den Kopf entweder schüttelnd oder in den Händen verborgen, das Schicksal der geschändeten Halka beweint oder huldvoll nickend daher schreitend die Gutsherrin gegeben. So kommt die Zeichnung der Charaktere über scherenschnittartige Stereotypen nicht hinaus, Hinter- wie Beweggründe bleiben unbeleuchtet, auch wenn Sturm auf der Bühne von Stefan Rieckhoff, der auch für die liebevoll gestalteten Kostüme verantwortlich zeichnet, vor allem im zweiten und dritten Akt durchaus stimmungsvolle Bilder gelingen. Das Finale hingegen kann man nur als „verinszeniert“ bezeichnen. Die einem optischen Griff in die Kitschkiste geschuldete, überlange musikalische Pause verleitet große Teile des Publikums sogar zu vorzeitigem Schlussapplaus.

Der musikalische Teil des Abends überzeugt da eher. Der von Ulrich Nolte einstudierte Chor hat in der „Halka“ nicht nur ordentlich zu singen, sondern auch zu tanzen (Choreografie: Lillian Stillwell), geht mit reichlich Spielfreude ans Werk und überzeugt da wie dort auf ganzer Linie. Im schwungvoll dargebotenen Lied der Bergbauern im dritten Akt gelingt so – neben Halkas Gebet im zweiten und Jonteks Arie im dritten Akt – der musikalisch eindrucksvollste Moment des Abends. Ein positives Resümee ist außerdem nicht zuletzt den mitunter ausgezeichneten Solisten zu verdanken. Arlette Meißners Halka besticht durch wunderbar warme Töne und hinreißend gefühlvolle Pianissimi. Ihr nimmt man die naiv Liebende ebenso ab, wie Alexander Geller den unglücklichen Jontek. Sein metallisch klingender Tenor mag nicht jedermann gefallen (mir schon!), passt aber hervorragend zur Rolle und verfügt über tolle Facetten und viel Gefühl. Erprobter Gast am Haus ist Bernd Valentin, der den Gutsbesitzer mit kraftvollem Bariton anlegt, der warme Mezzo der jungen Amerikanerin Jennifer Feinstein klingt wunderschön, passt aber stimmlich nicht ganz zu Halkas kalter Rivalin Sophie. Ihr Vater wird von Ensemblemitglied Alexis Wagner über weiter Strecken mit überzeugender Tiefe verkörpert, ebenso routiniert tritt Daniel Böhm als ambitionierter Verwalter Dziemba auf. Komplettiert wird das Ensemble durch Daniel Ewald und Jacek Jacunski in den kleineren Rollen.
Rodrigo Tomillo leitet das Orchester von der wundervollen Ouvertüre an sicher durch die farbenreiche Partitur, übertönt leider beim ein oder anderen Aufmarsch die Sänger deutlich, vermag jedoch auch stillere Passagen packend und gefühlvoll umzusetzen.

Das Publikum im ausverkauften Pfalztheater spendet der Ausgrabung freundlich Beifall, bejubelt zu Recht Herrn Geller und Frau Meißer, beklatscht das Regieteam aber eher verhalten.

Mein Fazit: Lassen Sie sich diese erst 15. Produktion der „Halka“ auf einer deutschen Bühne seit ihrer Entstehung 1858 nicht entgehen. Auch wenn optisch manches an die Opernmottenkiste denken lässt, musikalisch ist es ein wunderbarer Fund und dem Pfalztheater sowie den Sängerinnen und Sängern gebührt großes Lob.
Fazit meiner Pfälzer Sitznachbarin auf meine Frage, wie ihr denn der Abend gefallen habe: „Schön wars! Wunderschön! Nur die Taube am Schluss – die war Kitsch!“ – dem ist nichts hinzuzufügen …

Ihr
Jochen Rüth aus Köln
25.05.2015

Fotos von Hans-Jürgen Brehm-Seufert