Köln: „Die Walküre“, Kinderoper

Premiere: 21.10.2018

Superlativer Siegmund

Anders als in Bayreuth, wo Wagners „Ring für Kinder“ in diesem Sommer als komplette Tetralogie gegeben wurde, erfolgt eine entsprechende Inszenierung der Kölner Oper in Jahresetappen. Mehr ist einem adoleszenten Publikum im Grunde auch nicht zuzumuten. Die Spieldauer der jetzt gebotenen „Walküre“ ist mit 70 Minuten human, obwohl weiterhin zu fragen bleibt, ob jedes Detail von Wagners komplexem Weltgeschehen bei Kindern wirklich ankommt. Da könnte eine Umfrage sicher interessant sein.

Die Werkfassung bemüht sich, Bühnenvorgänge so plausibel und durchschaubar als möglich zu machen. Brigitta Gillessen, Leiterin der Kinderoper und wiederum auch Regisseurin, erzählt die Geschichte um Siegmund und Sieglinde in einer Bilderbuchart, welche keine intellektuellen Rätsel aufgibt, sondern ganz einfach logisch und spannend ist. Die Informationen zur Oper mit ihren komplexen Hintergründen, welche das Programmheft bietet, sollten Kindern freilich idealerweise vor der Aufführung vermittelt werden. Alleine die Erläuterung, welche Ausstatter Christof Cremer für die Kostüme von Wotan und Fricka abgibt (Assoziationen zu Wagner und seiner Gemahlin Cosima), sind eigentlich nur von Connaisseurs angemessen zu würdigen. Und wer merkt schon, daß sich in Frickas Frisur die Hörner jener Widder spiegeln, welche in der originalen Oper die Wotansgattin auf die Bühne kutschieren? Das Bühnenbild, konzeptionell mit jenem von „Rheingold“ identisch, besteht vor allem aus massiven Bodenquadern. Im Hintergrund eine hohe Wand mit länglichem Fensterdurchblick, links die Weltesche, rechts am Boden liegend die in Walhall eingesammelten Helden.

Fans von Wagners Musik wird es bei Stefan Behrischs Werkfassung hier und da sicher leicht schmerzlich durchzucken ob der Kürzungen, Verknappungen und auch so manchen Tonartenverschiebungen. Gleichwohl ist dieses Arrangement geschickt und zweckdienlich. Auch mit dem verkleinerten Orchester, in welchem die Harfe hör- und sichtbar zum Zwecke der Klangauffüllung mehr als üblicherweise zu tun hat, wird man ohne Schwierigkeiten warm. Regisseurin und Dirigent Rainer Mühlbach, welcher mit dem Gürzenich-Orchester Wagners Musik auch bei den reduzierten Bedingungen wunderbar zum Blühen bringt, haben in den Musikverlauf Sprechpassagen und melodramatische Elemente eingebaut, welche auf verdeutlichende Inhaltsvermittlung abzielen. Wagners abgehobene Texte werden teilweise modifiziert. Statt Sieglindes „Nicht sehre dich Sorge um mich“ heißt es simpel „Nicht kümmere dich um mich.“ Alles gibt es als Übertitel, welche vom Premierenpublikum (überprozentual Erwachsene!) merklich genutzt wurden.

Das Sängerteam besteht aus Mitgliedern des „großen“ Ensembles und des Opernstudios, von denen viele nach ihren beiden Ausbildungsjahren aufgestiegen sind. Etwa Insik Choi, welcher als junger und männlich attraktiver Wotan mit einem kernigem, aber schlank geführten Bariton aufwartet. Klasse! Die vielseitige und beim Kölner Publikum außerordentlich beliebte Claudia Rohrbach verkörpert die Sieglinde einwandfrei, ohne gleich ideal zu sein. Regina Richter ist Fricka (und auch Schwertleite im vierköpfigen Walküren-Ensemble). Sie gibt eine optimale Autoritätsperson, sängerisch wie auch bei ihren Sprechpassagen. Als Brünnhilde gibt sich Jessica Stavros vital und sopranleuchtend, wird bei den Hojotohos von Veronika Lee (Helmwige) jedoch um Grade übertroffen. Kathrin Zukowski ist Rossweisse, Yunus Schahinger dräuend der sinistre Hunding.

Und dann das Großereignis: Young Woo Kim als Siegmund. Der junge Koreaner gewinnt Sympathien sogleich mit seiner euphorischen Darstellung, gibt dem Outlaw wirklich schicksalhaften Umriß. Sein Tenor ist enorm expansiv und schafft das Bild eines jugendlichen Helden, wie er im Buche steht. Die Kölner Oper hat die Qualitäten des ehemaligen Studiomitgliedes erkannt und plant für die nächste Zeit eine Personality-Veranstaltung, über die derzeit aber noch nichts Näheres verlautet.

Christoph Zimmermann (21.10.2018)

Bilder (c) Paul Leclaire