Köln: Oren Shevlin und Mariko Ashikawa

Konzert am 27. Mai 2018

Romantik und etwas mehr

In einem großen Sinfonieorchester mitzuwirken, ist fraglos ein erhebendes Gefühl. Doch besondere Beglückung wird immer darin liegen, in einem kleineren Kreis noch stärkere interpretatorische Verantwortung zu übernehmen. Deshalb zieht es die meisten Instrumentalisten früher oder später zur Kammermusik. Sowohl Mitglieder des Gürzenich-Orchesters als auch des WDR Sinfonieorchesters arrangieren in der Philharmonie sowie im Funkhaus entsprechende Reihen. Seit 2011 gibt es eine neue Formation, gemischt aus Musikern beider Klangkörper. Kölner Kammersolisten nennt sich dieses Ensemble und ist integriert in die Veranstaltungsreihe KammerMusikKöln.

Die ersten Aufführungen fanden im Belgischen Haus statt, doch mußte dieses vor einiger Zeit geräumt werden. Eine neue Spielstätte fand sich im Sancta-Clara-Keller, nicht weniger attraktiv und leicht urig angehaucht. Alle ausführenden Musiker sitzen nun ebenerdig, also nicht auf erhöhtem Podium, was die Intimatmosphäre der Konzerte und die Nähe zum Publikum verstärkt. An dieser Stelle wird erstmals über das Unternehmen berichtet, welches sich übrigens mittlerweile auch in einer Bonner Zweitstätte etablieren konnte.

Die langsam auslaufe Saison firmiert unter dem Titel „Short Stories“. Das aktuelle Konzert war mit „Romantik plus“ überschrieben. Mit lediglich zwei Ausführenden markierte es die untere Besetzungsgrenze; bei besonderen Gelegenheiten können es nämlich bis zu 18 Musikern werden, wobei es speziell in solchen Fällen ohne Gäste nicht ausgeht.

Um die Gestaltung unorthodoxer Programme ist KammerMusikKöln in besonderer Weise bemüht. Für „Romantik plus“ wurde als führendes Instrument das Cello ausgewählt, mit seinem warmen, sonoren Klang für die Musik des 19. Jahrhunderts besonders prädestiniert, wie sonst eigentlich nur das Horn. Oren Shevlin war vor Ort schon häufig zu hören, ein vielgefragter Solist, aber auch Mitglied des WDR Sinfonieorchesters (was das Programmheft verschwieg). Als seine Klavierpartnerin fungierte Mariko Ashikawa, an der Kölner Hochschule für Musik und Tanz ausgebildet und dort mittlerweile selber als Pädagogin tätig.

Den Auftakt des Abends machten Robert Schumanns „Fünf Stücke im Volkston“, anspruchsvoll zwar, aber doch sehr gefällig, wie es der Titel im Grunde verspricht. Oren Shevlin gab sie vital und lebendig, war den Doppelgriffen in Nr. 3 glänzend gewachsen und steigerte die Tonfülle in den Tiefenlagen seines Instruments (Nr. 5). Auffallend die unterschiedliche Dosierung des Vibratos. Einen bravourösen Aufwärtslauf wie am Ende von Nr. 1 sollten die Zuhörer in abgewandelter Form später bei Astor Piazzollas „Le Grand Tango“ nochmals erleben. Mit ihrem gelenkigen Spiel war Mariko Ashikawa dem Cellisten eine anschlags- und stilsichere Partnerin.

Bei der Cellosonate opus 38 von Johannes Brahms drehten beide Musiker um etliche Grade auf, als wollte man Schumanns Vortragshinweis „mit viel Ton“ (Nr. 3) aufgreifen. Aber die Sonate ist von ihrem Habitus her tatsächlich besonders klangüppig angelegt, da durfte man durchaus in die Vollen gehen. Das mittlere, menuettartige Allegretto zäsierte das Werk genügend leichtfüßig.

Vom musikalischen Impetus her war Edvard Griegs Cellosonate opus 36 nach der Pause eine stilistisch schlüssige Programmfortsetzung. Der Pianistin wurde jetzt ein sogar noch rauschhafteres Spiel abverlangt, was Mariko Ashikawa mit Verve gelang. „Nordischer“ Tonfall ist in Griegs Musik unüberhörbar. Ein kurzes Motiv im ersten Satz erinnerte an das Klavierkonzert des Komponisten, im Finale spürte man Peer-Gynt-Atmosphäre. Dem Cello wird in diesem Werk so ziemlich alles abverlangt; Oren Shevlin meisterte seine Aufgaben grifftechnisch souverän und musikalisch total stimmig.

Das „Plus“ des Abends war das bereits erwähnte Werk Piazzollas. Die Lehrerin des adoleszenten Komponistin, Nadia Boulanger, hatte ihm sinfonischen Ehrgeiz zwar ausgetrieben, aber bestimmte Formen integrierte er doch immer wieder in seine Tangos, entkleidete sie einer bloßen Bar-Atmosphäre. Große Musikalische Gebärden bei den beiden Interpreten. Ihre Zugabe führte dann in romantisch schwelgerische Gefilde zurück.

Christoph Zimmermann (27.5.2018)