Köln: „Orpheus in der Unterwelt“, Kinderoper

WA-Premiere: 6.1.2018

Vehemente Spielwut, eine Stunde lang

Die Kölner Kinderoper ist – mit Überzeugung euphorisch ausgedrückt – eine einzige Erfolgsgeschichte. Erst war sie in einem Foyerzelt der „alten“ Oper am Offenbachplatz untergebracht, siedelte dann ins südstädtische „Pfandhaus“ um (besonders intimer Rahmen) und residiert jetzt wie das gesamte Opernarsenal im Ausweichquartier “Staatenhaus“ bis noch mindestens 2022. Das künftige unterirdische Domizil der Kinderoper am Offenbachplatz gab es als Architektur-Entwurf immerhin schon mal zu sehen, aber nun ist weiteres Warten auf ein endgültiges Opening nach der sich hinschleppenden Restaurierung angesagt.

Bei der Wiederaufnahme von „Orpheus in der Unterwelt“ besitzt die glitzernde Ausstattung von Elisabeth Vogetseder noch immer starke Attraktivität, allerdings war das intime Ambiente des Pfandhauses 2013 für sie besonders günstig. Die Inszenierung stammt von Elena Tzavara, der damaligen Leiterin der Kinderoper. Sie bietet eine kindgerechte Bearbeitung von einer Stunde Spieldauer. Bezüglich Handlung und Musik (Fassung für Salonbesetzung: Uwe Sochaszewsky) bedeutet das so etwas wie „großer Querschnitt“. Aber die wichtigsten Elemente der Handlung sind erhalten geblieben. Dass dabei Witz vor Psychologie geht, geht in Ordnung. Es gibt ein „modernisiertes“ Finale. Obwohl Eurydike gemäß höherer Weisung wieder zu ihrem ungeliebten Gatten zurückkehren soll, hat die sonst so sauertöpfische Öffentliche Meinung (Fernsehmoderator Ralph Caspers) eine rettende Idee. Die frustrierte Frau bekommt eine Fernsehshow. Hier kann sie Orpheus tot reden, so wie er sie zu Anfang nahezu tot gegeigt hatte. Elena Tzavaras Inszenierung zündet noch immer, wobei ein Moment dies sogar fast wörtlich unterstreicht. Bei der Bemerkung „Ich habe eine Idee“ entflammt sich der über der Szene hängende Kronleuchter. Ein köstlicher Moment.

Die erhöhe Spielfläche ermöglicht „unterirdische“ Auftritte und Abgänge. Der Olymp ist durch eine breit gezogene Chaiselongue repräsentiert, auf welcher sich die Götter der Langeweile hingeben. Dahinter, auf leicht erhöhtem Podium, sitzen Musiker des Gürzenich-Orchesters und spielen unter Rainer Mühlbach mit Verve. Dass von Offenbachs originaler Orchestrierung nur Rudimente erhalten bleiben, nimmt man unter den gegebenen Umständen gerne hin.

Das Ensemble ist nicht nur spielfreudig, sondern geradezu spielwütig, wobei Maria Isabel Kublashvili (Venus) und Anna Herbst (Diana) freilich nur Ensembledienst leisten können. Fast alle Sänger sind Mitglieder des Opernstudios. Matthias Hoffmann (Pluto) gehörte ihm einige Zeit an, gehört jetzt zum regulären Ensemble. Sein inzwischen noch machtvoller gewordener Bass und seine Bühnenpräsenz sind einfach umwerfend. Dino Lüthy (als Orpheus kraftvoll lyrisch) wird fraglos den gleichen Aufstieg machen, sofern er nicht an ein anderes Haus wechselt. Bis in die Fingerspitzen hinein erotisch gibt Maria Maria Isabel Segarra die Eurydike. Noch stärker als der Alberich im Kinderopern-„Rheingold“ bei wirkt bei Hoeup Choi der Merkur. Spielfreude und Charme wirken bei dem jungen Koreaner mächtig zusammen. Yunus Schahinger überzeugt als Jupiter mit Kyffhäuserbart. Eine bessere Beherrschung der deutschen Sprache wird sich noch einstellen. Constanze Meijer als kußfreudige Juno und Alexander Fedin aus dem offiziellen Ensemble (Styx) haben merklich Spaß an ihren skurrilen Rollen.

Eine Stunde reinen Vergnügens. Wann lässt sich das derart einschränkungslos sagen?

Christoph Zimmermann (6.1.2018)

Bilder © Matthias Jung / Kinderoper Köln