Annaberg-Buchholz: „Der Obersteiger“, Carl Zeller

Spitzenaufführung in „winzigem“ Theater

Mit der Operette „Der Obersteiger“ von Carl Zeller zog das Eduard-von-Winterstein Theater in Annaberg-Buchholz das große Los. Tobender Applaus für eine rundum gelungene Premiere. Wenn man Carl Zeller hört, denkt man eigentlich nur an sein Meisterwerk „Der Vogelhändler“. Am 5.1.1894 wurde im Theater an der Wien mit Alexander Girardi seine Operette „Der Obersteiger“ uraufgeführt und war für eine Anfangszeit bei den meistgespielten Operetten dabei. Dann verschwand sie vom Spielplan und ist in den letzten Jahrzehnten praktisch nicht mehr aufgeführt worden. Es ist dem kleinen Theater Annaberg-Buchholz und seinem rührigen Intendanten Dr. Ingolf Huhn zu verdanken, dass dieses Meisterwerk den Weg auf die Bühne zurückgefunden hat. Eine Bergmannsoperette in der Bergmannsstadt Annaberg-Buchholz, Operettenherz, was willst Du mehr.

Das Zweispartenhaus (Musiktheater und Schauspiel) hat 295 Sitzplätze und kann sich auf 150 Mitarbeiter verlassen. Im Jahr werden 5 bis 6 Neuproduktionen herausgegeben. Allein dies ist für ein so kleines Haus sensationell. Genau so sensationell ist aber auch das künstlerische Personal. So besitzt diese kleine Bühne herausragende Sängerpersönlichkeiten, für die manche große Bühne dankbar wäre. Und über allem der geschäftsführende Intendant Dr. Ingolf Huhn, der ein untrügliches Gespür für Erfolgsstücke hat und der schon manche Kostbarkeit an diesem Haus inszeniert hat. Eines seiner vielen Meisterstücke hat er hier mit dem „Obersteiger“ abgelegt, selten sah ich eine Operette wie aus einem Guss, bei der praktisch alles passte. Langanhaltender überaus verdienter Applaus für ein Zuckerstückerl in der Operettenlandschaft. Die lange Fahrt von Bamberg nach Annaberg-Buchholz lohnt sich eigentlich immer und diesmal ganz besonders und ich freue mich bereits heute auf die nächsten Aufführungen.

Die Operette spielt im Bergmannsmilieu und ist – wie manche Operette – ein bisschen verworren. Der draufgängerische Aufreißer, der Obersteiger Martin hält sich selbst für den begehrtesten Mann und ist schnell dabei, den Mädchen reihenweise den Kopf zu verdrehen. Er ist der Sprecher der Bergleute, die alle gerne mehr verdienen, dafür aber weniger arbeiten wollen. Der Fürst ist als „Lehrling“ im Milieu unterwegs und eine Comtesse, die Martin gerne möchte, die ihn aber nicht will und für die er seine Freundin Nelly einfach einmal sitzen lässt. Am Schluss der Operette finden sich aber alle Paare wieder, Martin seine kurzzeitig abwesende Nelly, der Fürst seine Comtesse und der Frieden bei den Arbeitern im Bergwerk ist auch wieder hergestellt. Operettenherz was willst Du noch mehr. Carl Zeller hat in seinen Operetten einfach das widergegeben, was er um sich herum gesehen hat, authentisch nennt man das heute.

Die Inszenierung von Dr. Ingolf Huhn ist wunderschön altmodisch und man kann sich an der Bühne und an dem was darauf passiert gar nicht sattsehen. Der „Obersteiger“ kommt so auf die Bühne und wird so inszeniert, wie er geschrieben wurde. Das ist heute leider die Ausnahme und deswegen freue ich mich immer, wenn Operette so einfühlsam behandelt wird und so ernst genommen wird, wie hier in Annaberg-Buchholz. Optisch ebenso ein wahres Meisterwerk. Die Ausstattung von Tilo Staudte ist einfach nur schön. Anfangsapplaus bei aufgehendem Vorhang ist äußerst selten. Hier erfolgt er bei der erzgebirgischen Pyramide, die den Hauptteil der Bühne einnimmt. Eine tolle Idee, schön umgesetzt und alles in warmen leuchtenden Farben sowie die Kostüme im Biedermeierstil. Die Choreographie von Sigrun Kressmann ist ausgewogen und gipfelt in vielen Auftritten des gut aufgelegten Chores, verstärkt durch die freie Chorvereinigung und das Bergmusikcorps. Der Chorleiter Uwe Hanke hat seine Mannen gut eingestellt und sie mit zu einem Höhepunkt innerhalb der Aufführung gemacht.

Die Erzgebirgische Philharmonie Aue wird von Dieter Klug einfühlsam und flott geleitet. Am Anfang noch etwas zurückhaltend, wird das Dirigat immer forscher und der musikalische Fluss immer gewaltiger und drängender, ohne jedoch die Sänger in irgendeiner Weise zuzudecken. Flott, mit einer durchgehenden Linie wird hier musiziert, es macht einfach Spaß zuzuhören.

Gesungen und gespielt wird auf höchstem Niveau. Als Obersteiger Martin setzt Frank Unger seinen schönen gepflegten, in den Höhen kräftigen und strahlenden Tenor ein. Ebenso pfiffig sein Spiel, er präsentiert mit viel Charme und teilweise auch mit einer Portion Selbstironie seine Arien und Duette und macht das berühmte „Sei nicht bös“ zu einem der vielen Höhepunkte des Premierenabends. Man merkt ihm auch die Spielfreude so richtig an und das kommt auch beim Publikum an.

Seine Nelly, die Spitzenklöpplerin wird von Madelaine Vogt gegeben. Mit wunderschönem zartem, dennoch durchschlagendem Sopran, der auch in den höchsten Tönen noch besticht und leuchtend über allem schwebt, bringt sie mehr als eine rollendeckende Gestaltung. Eine exzellente Leistung der jungen Sopranistin. Als Comtesse Fichtenau weiß Bettina Grothkopf zu überzeugen. Sie, auch eine der Stützen des kleinen Theaters, bringt mit ihrem wunderschönen lyrischen Sopran, der aber auch zu dramatischen Ausbrüchen fähig ist, das Publikum zu vielen Ovationen. Als Fürst Roderich weiß Martin Rieck mit einem kräftigen leuchtenden Tenor zu überzeugen, ebenso mit einem pointierten Spiel. Er ist als Fürst nur ein Leichtgewicht, aber mit einem vollgewichtigem Tenor ausgestattet. Als Bergdirektor Zwack bringt Leander de Marel als Spätcasanova das Publikum des Öfteren zum herzhaften Lachen, so gekonnt geht er in seiner Rolle auf, die er auch gesanglich ohne Fehl und Tadel meistert. Als seine Gattin Elfriede steht ihm Bettina Corthy-Hildebrandt zur Seite und sie singt und spielt die ganze Palette ihrer Erfahrung aus und kann als ältliche, aber beileibe nicht alte Dame mit Bravour überzeugen.

Michael Junge als Tschida, Matthias Stephan Hildebrandt als Dusel und Strobl und Juliane Roscher-Zücker als Babette ergänzen trefflich das gutaufgelegt Ensemble. Zu erwähnen ist noch der Auftritt des Bergmusikkorps „Frisch Glück“ aus Annaberg-Buchholz/Frohnau. Hier kommt die bergmännische Folklore noch einmal so richtig zum Tragen.

Heute ist ein Premierenabend, wie ich ihn – leider – nur selten erleben konnte. Hier wird die Operette ernst genommen und immer dann, kann sie zu Höchstleistungen fähig sein und sein Publikum begeistern. In dieser Inszenierung wünscht man sich, dass „Der Obersteiger“ auch an vielen anderen Bühnen in Deutschland aufgeführt wird, verdient hat er es sich allemal, es sind wunderschöne Melodien, die sofort ins Ohr gehen dabei und nicht nur das Bravourstück „Sei nicht bös“, Ich war überhaupt nicht böse, die lange Anfahrt auf mich genommen zu haben, es war für mich, wie für alle anderen Premierenbesucher ein wunderschöner Abend, an welchem man herrlich entspannen und schwelgen konnte. Und das ist ja das Schöne, was gutgemachte Operette ausmacht.

Manfred Drescher, 24.03.2016

Fotos Eigenaufnahmen