Essen: „Ob du wirklich richtig stehst“

Spielshow um einen Platz im Paradies

Seit mehreren Jahren ist es an der Folkwang Universität der Künste ein schöner Brauch, dass die Studierenden im Studiengang Musical eine Eigenarbeit erarbeiten und diese dem Publikum präsentieren. Der Jahrgang 2018 – 2022 entwickelte in den letzten Monaten das Stück „Ob du wirklich richtig stehst“, welches nun zu Beginn des vierten Studienjahres aufgeführt werden konnte. Im Sommer wäre dies auf Grund von coronabedingten Abstandsregeln noch nicht in der gewünschten Form vor Publikum im recht kleinen Pina-Bausch-Theater möglich gewesen. Bei dem gewählten Titel denkt man als inzwischen doch etwas älterer Kritiker gleich an die gute alte Spielshow „1, 2 oder 3“, bei der seinerzeit noch Michael Schanze die Fragen immer mit dem Spruch auflöste: „Ob du wirklich richtig stehst, siehst du, wenn das Licht angeht.“ Und ganz so falsch ist dieser Gedanke auch gar nicht, denn auch in diesem Musical findet eine Quizshow statt, bei der es einen Platz im Himmel zu gewinnen gibt. Ebenfalls sieht man bei dem Gedanken, dass der gewählte Titel eigentlich eine unfertige Aussage ist, welcher einer Ergänzung bedarf, um als vollständiger Satz zu gelten. So beschäftigen sich die Studenten in dem Stück unter anderem mit den Fragen „Wo komme ich her?“, „Wo stehe ich?“, „Wo gehe ich hin?“ oder ganz allgemein „Wer bin ich?“

In einer Art Intro findet eine „Reise nach Jerusalem“ statt, in der eine Person nach der anderen verliert und in die Hölle geschickt wird. Im Stream ist dieser Teil leider sehr dunkel geraten und je nach den Lichtverhältnissen zu Hause, kann man hier einige Vorgänge nur erahnen. Wer diese vier Minuten aber durchhält wird mit einem sehr sehenswerten Musical belohnt, denn gleich die Eröffnungsnummer ist ein gelungenes Ensemblestück, in dem alle sechs Studenten als Himmelsbewohner auftreten, denen es im Paradies recht gut zu gehen scheint. Genug Platz ist hier gegeben, denn immer mehr Menschen landen in der Hölle, die aus allen Nähten zu platzen droht. So macht sich der Teufel auf den Weg, um einen Deal auszuhandeln. In Zukunft sollen doch bitte wieder ein paar mehr Seelen den Weg durch die Himmelspforte nehmen. Aus dem Himmelreich kommt daher die Idee, dass man fünf Sünder gegeneinander antreten lässt, von denen der Gewinner in den Himmel aufgenommen wird. Präsentiert wird die Show durch den Quizmaster „Mr. What“, den Samuel Türksoy ganz wunderbar verkörpert. Wie er hier die Kandidaten zur Erheiterung der Massen bloßstellt und ständig Witze auf ihre Kosten macht, ist eine ganz wunderbare Persiflage auf bestehende Quizshows in der heutigen TV-Welt. Insbesondere im Spiel „Mr. What says“ läuft er zu Höchstform auf. Doch auch die fünf Kandidaten können überzeugen. Maja Dickmann verkörpert ein Escort-Mädchen, Louis Dietrich einen Obdachlosen, Samuel Franco einen cholerischen Tennisspieler, der seine Lebensgefährtin bei einem Stoß von der Treppe umgebracht hat, Yasmina Hempel die teilweise bemitleidenswerte Lisa, die es im Leben nie leicht hatte und Felix Rabas einen Dieb, der in einem gestohlenen Wagen zu Tode raste. Hierbei werden all ihre Taten, für die sie in der Hölle gelandet sind, geschickt in der Quizshow rausgearbeitet. Diesbezüglich ist die Story sehr clever geschrieben. Die Spiele der Quizshow werden von Runde zu Runde intensiver. Zu Beginn beginnt alles mit recht harmlosen Fragen, bei denen sich die Kandidaten für „ja“ oder „nein“ entscheiden sollen und hierbei auf die rechte oder linke Bühnenseite springen müssen. Eine weitere lustige Anlehnung an das eingangs genannte Kinderquiz. Während auch hier schon die ersten Gemeinheiten des Quizmasters gesetzt werden, müssen sich die Kandidaten im dritten Spiel gegeneinander ausspielen. Die Lektion hier am Ende: Wer sich für die Gruppe opfert verliert. In der Finalrunde der letzten beiden verbliebenen Kandidaten geht es dann um Leben und Tod. Es bedarf keiner großer Erklärungen, eine Henkersschlinge wird in die Mitte gelegt, mit dem Hinweis, dass es nur einen Sieger geben kann. Doch kann sich für einen Mörder wirklich die Himmelstüre öffnen? So endet der Abend nach sehr sehenswerten 60 Minuten ähnlich wie er begonnen hat, denn alle laufen im Dunkeln im Kreis um ein paar Stühle.

Neben der gelungenen Darbietungen der sechs Studenten ist auch noch die passende Musik von André Weisse zu nennen, der es schafft, stets genau die richtigen Töne zu treffen, so dass Darbietung und Musik zu einer gelungenen Einheit verschmelzen. Gespielt wird die Musik von der siebenköpfigen Band, die wie einer Quizshow der frühen Jahre rechts und links der Showtreppe auf der Bühne platziert wurde. Alles in allem ist dieses Werk ein ebenso anspruchsvolles wie auch unterhaltsames Musical, welches ohne großen Bombast ganz wunderbar auf den Zuschauer einwirkt. Großer Beifall für alle Beteiligten.

Zu sehen ist die Aufzeichnung aktuell noch über die Homepage http://obduwirklichrichtigstehst.de/.

Markus Lamers, 31.10.2021
Fotos: © Folkwang Universität der Künste