Gent: „Armida“

Ritter im Stadion

Die Pariser Regisseurin Mariame Clément kennt man auch von ihren Inszenierungen für deutsche Bühnen, wobei sie sehr unterschiedliche Arbeiten präsentiert: Neben einer stilsicher gelungenen „Figaros Hochzeit“ für Dortmund und Nürnberg, hat sie auch eine uninspiriert planlose „Zauberflöte“ heraus gebracht, die schon in Graz, Köln, Straßburg und Nizza zu sehen war. Auch ihre Genter „Armida“ kann szenisch nicht überzeugen.

Eigentlich hat Clément genug Ideen für vier gute Inszenierungen, nur kann sie sich nicht für eine entscheiden, sodass man sich während der Genter Aufführung, fragt, was die Regisseurin eigentlich sagen möchte? Folgende Konzepte bietet sie an:

– An Elfriede Jelineks „Sportstück“ angelehnt, werden Sport und Krieg in einen Topf geworfen: Die Kreuzritter kommen im klassische Kettenhemd in ein Sportstadion marschiert. Rinaldo verlässt Armida, weil ihm ein Sportpokal versprochen wird.

– Wie in Monty Pythons „Spamelot“ dürfen die klassisch gerüsteten Ritter zu Rossinis fröhlicher Musik auch mal das Tanzbein schwingen. Kreuzritterklamauk!


Armida und Rinaldo wagen mit ihrer Liebe, ähnlich wie „Tristan und Isolde“, den Ausstieg aus ihren verfeindeten Gesellschaftssystemen und haben eine schöne Szene in einer Waldlandschaft. Doch die böse Gesellschaft dringt in dieses Idyll ein und zerstört die Liebesbeziehung. – Der beste Einfall des Abends, den man gerne konsequent realisiert gesehen hätte.

– Wenn Armida ihren Rinaldo leidenschaftlich auf den Hals küsst, fragt man sich für einen Moment, warum die Regie aus der Zauberin Armida nicht eine Vampirin macht, zumal dieses Genre zeitlos beliebt ist. Die Kreuzritter könnten so zu Vampirjägern werden.

Dass die musikalische Seite des Abends wesentlich erfreulicher ausfällt ist vor allem Alberto Zedda zu verdanken. Der mittlerweile 87-jährige Zedda ist wahrscheinlich der größte lebende Rossini-Spezialist und hat die flämische Oper schon mehrfach mit seinem Dirigat beehrt. Zedda lässt Rossinis Musik leichtfüßig und jugendlich dahin sprudeln, verhehlt nicht, das diese dramatische Oper auch ihre heiteren Momente hat. Gleichzeitig ist er den Sängern ein perfekter Begleiter.

Angeführt wird das Ensemble von Carmen Romeu in der Titelpartie: Sie ist sowohl optisch als auch stimmlich eine schlanke und attraktive Erscheinung, die sich mit Feuer in die Dramatik ihrer Rolle stürzt. Wenn Armida die Kreuzfahrer aufs Kreuz legt, schwingt bei ihr auch immer ein feiner Witz mit.

Während Romeu ihre Partie bereits in Pesaro sang, debütieren die beteiligten Herren allesamt in ihren Rollen: Enea Scala ist der seltene Fall eines Koloratur-Heldentenors: Seine Stimme hat ein kräftiges Fundament, ist schön gefärbt, erreicht die Höhen mühelos und jagt zudem leichtfüßig durch Rossinis Tongirlanden.

In der Doppelrolle als Gernando und Ubaldo ist der amerikanische Tenor Robert McPherson zu erlebe. Seine Stimme gefällt mit ihrem süßlichen Timbre, jedoch hat er manchmal den Tick in einer Koloratur vor jedem Ton ein „H“ einzufügen, was dann eine gesungenes „Ha-ha-ha-ha-ha“ zur Folge hat. Kräftig und markant singt Dario Schmunck den Goffredo und den Carlo.

Nach dieser Aufführung wünscht man sich, diese selten gespielte Oper mal in einer durchdachten Inszenierung zu sehen.

Rudolf Hermes 29.11.15

Fotos von Annemie Augustijns (Vlaamse Opera)