Klosterneuburg: „Rigoletto“

Da dachte man, „Macbeth“ sei das Unglücksstück, vielleicht auch die Unglücksoper. Aber „Rigoletto“ schafft das in und um Wien auch. Mit schrecklicher Beharrlichkeit. Da singt bei der Premiere in der Wiener Staatsoper der vorgesehene Sänger nach einer Krankheit die Premiere, hält nicht durch, wird nach der Pause durch den Sänger der Generalprobe ersetzt. Ein halbes Jahr später in Klosterneuburg, der Sänger der Premiere erkrankt Tage davor, geht aber zur Premiere dennoch auf die Bühne (und das ohne Vorbehalte), hält nicht durch und wird nach der Pause durch den Sänger der Generalprobe ersetzt. Eine seltsame Duplizität der Fälle, zumal der Ersatzmann von Wien die Erstbesetzung von Klosterneuburg gewesen ist…. Eine Unglücksoper? Eine Unglücksrolle? La Maledizione? Na, lassen wir dem Aberglauben nicht die Zügel schießen.

„Rigoletto“ also in Klosterneuburg, erstmals Verdi in den 22 Jahren, in denen bereits im Kaiserhof dieses prunkvollen Stiftes sommerliche Oper gemacht wird. Sicher ein passendes Werk, dramatisch, lyrisch, große Ensembleszenen, Arien, Duette, berühmte Ohrwürmer, vor allem des Herzogs „La donna è mobile“ und das Quartett „Bella figlia“, fünf sehr starke Rollen.

Der äußere Aufwand spielt bei diesen Events eine große Rolle, das Bühnenbild wird gerne für die Inszenierung genommen. „Toto“ nennt sich der Künstler (geboren allerdings in Magdeburg), der für die Ausstattung verantwortlich zeichnet – das erste Fest beim Herzog, in Rot-Schwarz, Kostüme im Mix von einst und einigem von Heute, wirken gut, dann folgt Gildas weißes Mädchenzimmer… leider geht es nicht so überzeugend weiter, meist wird vor einer verschiebbaren Wand gespielt, die aus weißen Brettern besteht und zwar recht praktisch, aber auch recht stimmungsmordend ist. Abgesehen davon, dass im weitgehend ideenlosen Ablauf, den Regisseur Thomas Enzinger verantwortet, eigentlich nicht der berühmte „Funke“ überspringt.

Klosterneuburg FallyFoto: Oper Klosterneuburg

Dabei wäre die Besetzung gut gewesen. Auf die Gilda der Daniela Fally haben Wiens Opernfreunde gewartet, sie ging mit genügend Vor-Publicity Hand in Hand. Die 35jährige ist ein Publikumsliebling und im akkurat richtigen Alter (und der richtigen stimmlichen Verfassung) für die Gilda. Dass an der Wiener Staatsoper dauernd Gäste oder Ensembleneulinge in der Rolle durchmarschieren, scheint sie nicht zu stören: Sie hat nach vielfacher eigener Aussage die sechswöchige Probenarbeit für eine neue Partie genossen. Und man singt im Schlosshof ohne technische Verstärkung, einfach mit der Stimme und der hier aus der Geschlossenheit des dennoch offenen Raums gewonnenen Akustik.

Daniela Fally hat die Gilda sehr gut und weich in ihre Kehle bekommen, wunderschön das „Caro Nome“ mit ganz zart, delikat angesetzten Spitzentönen, innig, empfunden (und was da minimal schief ging, spielt sicher keine Rolle). Vom schlichten weißen Mädchenkleid zur roten Prunkrobe, die man ihr als Geliebter des Herzogs anzieht, bis zum Wams, in dem sie als Jüngling verkleidet für den Mann ihres Herzens stirbt, sieht sie wunderbar aus, spielt ohne Übertreibung richtig – und stirbt mit überirdisch schönen Silbertönen. Man kann sich vorstellen, dass sie in dieser Rolle noch an vielen Bühnen Effekt machen wird.

Der von den Philippinen stammende, in den USA ausgebildete Tenor Arthur Espiritu war deshalb die Überraschung des Abends, weil man ihn nicht kennt (brave Klosterneuburg-Besucher vielleicht schon, hat er hier nicht den Ernesto in „Don Pasquale“ gesungen, wenn die Angaben im Internet stimmen?). Eine äußerst wohltönende, geschmeidige Stimme, ein schmelzender Verführer, der auch der dramatischen Attacke fähig ist – und der immer noch etwas zu verschenken hat.

Durchaus potent auch das mörderische Geschwisterpaar, Luciano Batinic mit einer Sparafucile-Stimme, die durchaus fürchten machen kann, und Rotschopf Ilseyar Khayrullova mit Sex aus allen Poren, Spiel, Erscheinung, der Mezzo, den sie ihrer durchaus intensiven Maddalena gibt.

Und Rigoletto? Nichts deutete darauf hin, dass Paolo Rumetz den Abend nicht durchhalten würde. Sein schöner Bariton floß weich dahin, er wich nicht (wie zuletzt in der Staatsoper, als er leicht überanstrengt wirkte) den hohen Tönen aus, er spielte den Durchschnittsmann, der sich in den Hofnarren verwandelt (kein allzu exzentrischer, auch nicht allzu bösartiger), mit seiner gewissermaßen „ruhigen“ Persönlichkeit. Warum es dann nicht weiterging, kann nur gemutmaßt werden.

Jedenfalls hatte schon Nikola Mijailovic die Generalprobe gesungen und stand bereit, nach der Pause zu übernehmen. Mit harter, recht kulturlos geführter Stimme eine Notlösung, aber Rettern streut man immer Rosen, das gehört sich so.

Für Daniela Fally muss der Rigoletto-Wechsel bei ihrer ersten Gilda eine ziemliche Anspannung bedeutet haben. Aber ihr „richtiges“ Debut wird sie dann nachholen, wenn nicht unter freiem Himmel ein Orchester (Sinfonietta Baden), ein Chor (Chor operklosterneuburg) und ein Dirigent (Christoph Campestrini) einfach nur holterdipolter agieren, mehr interessiert, ans Ziel zu kommen, als daran, dies korrekt und auf der Höhe der Verdi’schen Anforderungen zu tun.

Am Ende schienen alle froh, dass der Abend ohne weitere Katastrophen vorbei gegangen ist, und das Publikum spendete viel Beifall. Also – warum nicht Verdi?